Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.hätte geschehen können. Der Nachweis, den Reusch giebt, ist völlig überzeugend. Jedoch dieser Einwurf argumentire vom Standpunkt des Physiologen und In derselben klaren und besonnenen Weise, die Jedem das Seine giebt, Je mehr die Grundsätze, die Rensch vertritt, sich verbreiten, wird das H. Jacoby. hätte geschehen können. Der Nachweis, den Reusch giebt, ist völlig überzeugend. Jedoch dieser Einwurf argumentire vom Standpunkt des Physiologen und In derselben klaren und besonnenen Weise, die Jedem das Seine giebt, Je mehr die Grundsätze, die Rensch vertritt, sich verbreiten, wird das H. Jacoby. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139199"/> <p xml:id="ID_1279" prev="#ID_1278"> hätte geschehen können. Der Nachweis, den Reusch giebt, ist völlig überzeugend.<lb/> Ebenso erweckt unsere Sympathie die sinnige Ausdeutung der Sechszahl! Es<lb/> sind sechs Schöpfungsgedanken, die in dem Bilde von Tagen uns dargestellt<lb/> werden. Aber, könnte man einwerfen, sind es in der That nur sechs schöpfe¬<lb/> rische Ideen, vou denen uns der biblische Bericht Kunde giebt? Das scheint<lb/> durchaus nicht der Fall zu sein. Will man nümlich die Thierwelt unter einen<lb/> Gesichtspunkt stellen, dann fällt ein Glied aus. Will man dies nicht thun, so<lb/> treten mehr Glieder hinzu, denn dann müssen mindestens die Luftthiere sowie<lb/> die Wasserthiere, beide als Verkörperungen besonderer Schöpfungsgedanken<lb/> angesehen werdeu, ja es wäre angethan, auch unter den Landthieren wenigstens<lb/> das Gewürm als eine eigenthümliche Gestaltung des Schöpfungsgedankens aus¬<lb/> zuscheiden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1280"> Jedoch dieser Einwurf argumentire vom Standpunkt des Physiologen und<lb/> Anatomen aus, aber stellt sich nicht auf den hier eingenommenen Boden einer<lb/> unmittelbaren Naturanschauung, welche Luft- und Wasserthiere, weil die einen<lb/> wie die andern nicht auf dem festen Lande leben, in einem Bilde zusammen¬<lb/> schaut. Und für diese ursprüngliche Naturbetrachtung grade, die auch wir,<lb/> wenn wir nicht in der Arbeit wissenschaftlicher Abstraktion uns bewegen, fest¬<lb/> halten, ist der Schvpfungsbericht gegeben. Aber ist nicht Reusch dem Kanon,<lb/> daß nur der religiös-sittliche Gehalt, nicht das naturwissenschaftliche Material<lb/> offenbarenden Charakter habe, durch diese Werthschätzung der Sechszahl unge¬<lb/> treu geworden? Hat deun diese Zahl eine religiöse oder sittliche Bedeutung,<lb/> oder ist sie uicht vielmehr etwas völlig gleichgiltiges? Die Antwort ergiebt<lb/> sich aus der Erwägung, daß auf derselben die Bestimmung der Arbeitswoche<lb/> und des siebenten Tages als Ruhetages ruht. Und die Vertheilung vou Arbeit<lb/> und Erholung ist doch gewiß eine für das sittliche Leben des Menschen eminent<lb/> wichtige, fundamentale Angelegenheit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1281"> In derselben klaren und besonnenen Weise, die Jedem das Seine giebt,<lb/> der Offenbarung, was der Offenbarung, der Naturwissenschaft, was der Natur¬<lb/> wissenschaft gehört, hat Reusch auch die übrigen hier einschlagenden Fragen<lb/> behandelt, nnter denen wir besonders die Erörterungen über Deszendenztheorie<lb/> hervorheben, welche mit großer Schärfe die Grenzen zeichnen, deren Ueber-<lb/> schreitung das ethische Interesse verbietet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1282"> Je mehr die Grundsätze, die Rensch vertritt, sich verbreiten, wird das<lb/> Verhältniß zwischen Naturwissenschaft und Theologie sich friedlich gestalten,<lb/> auf Grund freier Anerkennung und konsequenter Beschränkung auf das eigne<lb/> Gebiet. Ju diesem Interesse wünschen wir der Schrift einen weiten und<lb/> empfänglichen Leserkreis!</p><lb/> <note type="byline"> H. Jacoby.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
hätte geschehen können. Der Nachweis, den Reusch giebt, ist völlig überzeugend.
Ebenso erweckt unsere Sympathie die sinnige Ausdeutung der Sechszahl! Es
sind sechs Schöpfungsgedanken, die in dem Bilde von Tagen uns dargestellt
werden. Aber, könnte man einwerfen, sind es in der That nur sechs schöpfe¬
rische Ideen, vou denen uns der biblische Bericht Kunde giebt? Das scheint
durchaus nicht der Fall zu sein. Will man nümlich die Thierwelt unter einen
Gesichtspunkt stellen, dann fällt ein Glied aus. Will man dies nicht thun, so
treten mehr Glieder hinzu, denn dann müssen mindestens die Luftthiere sowie
die Wasserthiere, beide als Verkörperungen besonderer Schöpfungsgedanken
angesehen werdeu, ja es wäre angethan, auch unter den Landthieren wenigstens
das Gewürm als eine eigenthümliche Gestaltung des Schöpfungsgedankens aus¬
zuscheiden.
Jedoch dieser Einwurf argumentire vom Standpunkt des Physiologen und
Anatomen aus, aber stellt sich nicht auf den hier eingenommenen Boden einer
unmittelbaren Naturanschauung, welche Luft- und Wasserthiere, weil die einen
wie die andern nicht auf dem festen Lande leben, in einem Bilde zusammen¬
schaut. Und für diese ursprüngliche Naturbetrachtung grade, die auch wir,
wenn wir nicht in der Arbeit wissenschaftlicher Abstraktion uns bewegen, fest¬
halten, ist der Schvpfungsbericht gegeben. Aber ist nicht Reusch dem Kanon,
daß nur der religiös-sittliche Gehalt, nicht das naturwissenschaftliche Material
offenbarenden Charakter habe, durch diese Werthschätzung der Sechszahl unge¬
treu geworden? Hat deun diese Zahl eine religiöse oder sittliche Bedeutung,
oder ist sie uicht vielmehr etwas völlig gleichgiltiges? Die Antwort ergiebt
sich aus der Erwägung, daß auf derselben die Bestimmung der Arbeitswoche
und des siebenten Tages als Ruhetages ruht. Und die Vertheilung vou Arbeit
und Erholung ist doch gewiß eine für das sittliche Leben des Menschen eminent
wichtige, fundamentale Angelegenheit.
In derselben klaren und besonnenen Weise, die Jedem das Seine giebt,
der Offenbarung, was der Offenbarung, der Naturwissenschaft, was der Natur¬
wissenschaft gehört, hat Reusch auch die übrigen hier einschlagenden Fragen
behandelt, nnter denen wir besonders die Erörterungen über Deszendenztheorie
hervorheben, welche mit großer Schärfe die Grenzen zeichnen, deren Ueber-
schreitung das ethische Interesse verbietet.
Je mehr die Grundsätze, die Rensch vertritt, sich verbreiten, wird das
Verhältniß zwischen Naturwissenschaft und Theologie sich friedlich gestalten,
auf Grund freier Anerkennung und konsequenter Beschränkung auf das eigne
Gebiet. Ju diesem Interesse wünschen wir der Schrift einen weiten und
empfänglichen Leserkreis!
H. Jacoby.
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