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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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sondere der Baugeschichte der Stadt vertraut und eine quellenmäßige Darstel¬
lung zu geben befähigt ist.


Die biblische Schöpfungsgeschichte und ihr Verhältniß zu den Ergebnissen
der Naturforschung von Dr. Fr. Heinrich Rausch, Prof. der katholischen Theologie
an der Universität zu Bonn. Bonn, Ed. Webers Verlag.

Versuche, die Ergebnisse der Naturforschung mit der biblischen Schöpfungs¬
geschichte in Einklang zu setzen, sind häufig theils vou Vertretern der Natur¬
wissenschaft, theils von Vertretern der Theologie angestellt worden. Bald das
Interesse, mehr oder weniger gesicherten naturwissenschaftlichen Theorien durch
die Autorität der heiligen Schrift Anerkennung auch in den Kreisen der Gläubigen
zu erwerben, bald das Bestreben, den biblischen Bericht als durch die Natur-
forschung keineswegs erschüttert zu erweisen und so das Vertrauen auf die
Zuverlässigkeit derselben zu befestigen, waren die maßgebenden Motive. Es
lag in der Natur und Sache, daß diese Versuche nur dann erfolgreich sein
konnten, wenn es möglich war, beide Theile zu einem Kompromiß zu veran¬
lassen. Besonders war es die heilige Schrift, welche den mannigfachsten Ver¬
renkungen einer künstelnden Auslegung preisgegeben wurde, bis es gelang,
ihr eine Gestalt zu verleihen, in der sie der Naturwissenschaft genehm sein
konnte, in der sie aber auch ihre ursprüngliche Physiognomie zu einem großen
Theil verloren hatte.

Erst in neuerer Zeit hat man angefangen diesen Weg zu verlassen und
die Einsicht zu gewinnen, daß die Naturforschung auf der einen und der biblische
Schöpfungsbericht auf der andern Seite gar nicht mit einander in Widerspruch
gerathen, und deshalb auch gar nicht ausgeglichen werden können, weil sie sich
gar nicht gegenseitig berühren, weil sie ganz heterogene Gebiete in sich schließen-
Zu dieser Auffassung bekennt sich auch die Schrift von Reusch, und wir heißen
sie deshalb herzlich willkommen. Die früheren Arbeiten über unser Thema
gingen von der Voraussetzung ans, daß die biblische Schöpfungsgeschichte
einen naturwissenschaftlichen Stoff überliefern wolle, und daß auch dieser, weil
in der Offenbarungsnrkunde enthalten, eine maßgebende Autorität in Anspruch
nehmen dürfe.

Aber diese Voraussetzung darf nicht gemacht werden. Sie ist völlig unbe¬
gründet. Die heilige Schrift ist und will sein eine Zeugin der religiösen und
sittlichen Wahrheiten, deren wir zu einer normalen ethischen Entwickelung
nicht entrathen können; sie ist und will sein eine Urkunde des Reiches Gottes,
dessen geschichtliches Werden von seinem Anfang bis zu seiner Vollendung
uns darstellt, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Alles naturgeschichtliche
Material der heiligen Schrift kommt nur in Betracht als Mittel für diesen


sondere der Baugeschichte der Stadt vertraut und eine quellenmäßige Darstel¬
lung zu geben befähigt ist.


Die biblische Schöpfungsgeschichte und ihr Verhältniß zu den Ergebnissen
der Naturforschung von Dr. Fr. Heinrich Rausch, Prof. der katholischen Theologie
an der Universität zu Bonn. Bonn, Ed. Webers Verlag.

Versuche, die Ergebnisse der Naturforschung mit der biblischen Schöpfungs¬
geschichte in Einklang zu setzen, sind häufig theils vou Vertretern der Natur¬
wissenschaft, theils von Vertretern der Theologie angestellt worden. Bald das
Interesse, mehr oder weniger gesicherten naturwissenschaftlichen Theorien durch
die Autorität der heiligen Schrift Anerkennung auch in den Kreisen der Gläubigen
zu erwerben, bald das Bestreben, den biblischen Bericht als durch die Natur-
forschung keineswegs erschüttert zu erweisen und so das Vertrauen auf die
Zuverlässigkeit derselben zu befestigen, waren die maßgebenden Motive. Es
lag in der Natur und Sache, daß diese Versuche nur dann erfolgreich sein
konnten, wenn es möglich war, beide Theile zu einem Kompromiß zu veran¬
lassen. Besonders war es die heilige Schrift, welche den mannigfachsten Ver¬
renkungen einer künstelnden Auslegung preisgegeben wurde, bis es gelang,
ihr eine Gestalt zu verleihen, in der sie der Naturwissenschaft genehm sein
konnte, in der sie aber auch ihre ursprüngliche Physiognomie zu einem großen
Theil verloren hatte.

Erst in neuerer Zeit hat man angefangen diesen Weg zu verlassen und
die Einsicht zu gewinnen, daß die Naturforschung auf der einen und der biblische
Schöpfungsbericht auf der andern Seite gar nicht mit einander in Widerspruch
gerathen, und deshalb auch gar nicht ausgeglichen werden können, weil sie sich
gar nicht gegenseitig berühren, weil sie ganz heterogene Gebiete in sich schließen-
Zu dieser Auffassung bekennt sich auch die Schrift von Reusch, und wir heißen
sie deshalb herzlich willkommen. Die früheren Arbeiten über unser Thema
gingen von der Voraussetzung ans, daß die biblische Schöpfungsgeschichte
einen naturwissenschaftlichen Stoff überliefern wolle, und daß auch dieser, weil
in der Offenbarungsnrkunde enthalten, eine maßgebende Autorität in Anspruch
nehmen dürfe.

Aber diese Voraussetzung darf nicht gemacht werden. Sie ist völlig unbe¬
gründet. Die heilige Schrift ist und will sein eine Zeugin der religiösen und
sittlichen Wahrheiten, deren wir zu einer normalen ethischen Entwickelung
nicht entrathen können; sie ist und will sein eine Urkunde des Reiches Gottes,
dessen geschichtliches Werden von seinem Anfang bis zu seiner Vollendung
uns darstellt, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Alles naturgeschichtliche
Material der heiligen Schrift kommt nur in Betracht als Mittel für diesen


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[0438] sondere der Baugeschichte der Stadt vertraut und eine quellenmäßige Darstel¬ lung zu geben befähigt ist. Die biblische Schöpfungsgeschichte und ihr Verhältniß zu den Ergebnissen der Naturforschung von Dr. Fr. Heinrich Rausch, Prof. der katholischen Theologie an der Universität zu Bonn. Bonn, Ed. Webers Verlag. Versuche, die Ergebnisse der Naturforschung mit der biblischen Schöpfungs¬ geschichte in Einklang zu setzen, sind häufig theils vou Vertretern der Natur¬ wissenschaft, theils von Vertretern der Theologie angestellt worden. Bald das Interesse, mehr oder weniger gesicherten naturwissenschaftlichen Theorien durch die Autorität der heiligen Schrift Anerkennung auch in den Kreisen der Gläubigen zu erwerben, bald das Bestreben, den biblischen Bericht als durch die Natur- forschung keineswegs erschüttert zu erweisen und so das Vertrauen auf die Zuverlässigkeit derselben zu befestigen, waren die maßgebenden Motive. Es lag in der Natur und Sache, daß diese Versuche nur dann erfolgreich sein konnten, wenn es möglich war, beide Theile zu einem Kompromiß zu veran¬ lassen. Besonders war es die heilige Schrift, welche den mannigfachsten Ver¬ renkungen einer künstelnden Auslegung preisgegeben wurde, bis es gelang, ihr eine Gestalt zu verleihen, in der sie der Naturwissenschaft genehm sein konnte, in der sie aber auch ihre ursprüngliche Physiognomie zu einem großen Theil verloren hatte. Erst in neuerer Zeit hat man angefangen diesen Weg zu verlassen und die Einsicht zu gewinnen, daß die Naturforschung auf der einen und der biblische Schöpfungsbericht auf der andern Seite gar nicht mit einander in Widerspruch gerathen, und deshalb auch gar nicht ausgeglichen werden können, weil sie sich gar nicht gegenseitig berühren, weil sie ganz heterogene Gebiete in sich schließen- Zu dieser Auffassung bekennt sich auch die Schrift von Reusch, und wir heißen sie deshalb herzlich willkommen. Die früheren Arbeiten über unser Thema gingen von der Voraussetzung ans, daß die biblische Schöpfungsgeschichte einen naturwissenschaftlichen Stoff überliefern wolle, und daß auch dieser, weil in der Offenbarungsnrkunde enthalten, eine maßgebende Autorität in Anspruch nehmen dürfe. Aber diese Voraussetzung darf nicht gemacht werden. Sie ist völlig unbe¬ gründet. Die heilige Schrift ist und will sein eine Zeugin der religiösen und sittlichen Wahrheiten, deren wir zu einer normalen ethischen Entwickelung nicht entrathen können; sie ist und will sein eine Urkunde des Reiches Gottes, dessen geschichtliches Werden von seinem Anfang bis zu seiner Vollendung uns darstellt, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Alles naturgeschichtliche Material der heiligen Schrift kommt nur in Betracht als Mittel für diesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/438>, abgerufen am 27.09.2024.