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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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aus: mit größerer Unlust sind alle Parteien wohl niemals an der parlamen¬
tarischen Arbeit gewesen, wie in dieser Session. Die vollendete Unsicherheit,
welche Alles beherrscht, scheint die Schaffenswürdigkeit, ja die Schaffenskraft
vollständig lahm legen zu wollen. Von den dein Abgeordnetenhause vorliegenden
Gesetzentwürfen haben die Kommunalsteuervorlage und die Novelle zur Städte¬
ordnung gar keine Aussichten. Auch an der Wegeordnnng, ein so tiefgefühltes
Bedürfniß sie auch sein mag, beginnt man zu verzweifeln, und es würde, wenn
der Etat festgestellt ist, sicherlich Niemand daran denken, dies grausame Spiel
nach Neujahr wieder aufzunehmen, wenn nicht die die Ausführung der Reichs¬
justizgesetze betreffende" Vorlagen nothwendig erledigt werden mußten. Unter
diesen Umständen ist denn leider noch manche nicht gerade erquickliche Seene
X- ?- vorherzusehen-




Literaten.
Dcis alte Leipzig. Photographien nach Originalzeichnungen und Aquarellen von
F. W. Heine, H. Heubner, L. Hofelich, C. Sprosse, Prof. C. Werner n. A.
Leipzig, Noth <K Nvrroschewitz. 1877.

Nach einem in andern Städten längst gegebenen Beispiele hat die
unternehmende und kunstsinnige Verlagshandlung von Roth und Nvrroschewitz
in Leipzig nun auch eine Anzahl Architekturausichten aus Leipzigs Vergangenheit
veröffentlicht. Bis jetzt liegen davon zwei Hefte von je 6 Blatt vor. Die
Herstellung derselben ist theilweise nach Aufnahmen nach der Natur, zum
Theil scheint sie mit Benutzung älterer Abbildungen erfolgt zu fein.

Die Aufgabe ist unleugbar keine sehr dankbare. Einen so nüchternen und
öden Eindruck, wie die moderne Leipziger Architektur macht -- in erster Linie
die öffentlichen Bauten des Landes, der Universität und der Gemeinde, nicht min¬
der aber fast die gesammte, äußerst ordinäre und handwerksmäßige Privatarchi-
tektnr -- einen nicht minder langweiligen und uninteressanter Eindruck gewährt,
mit wenigen Ausnahmen, die architektonische Physiognomie des alten Leipzig-
Die vorliegenden Hefte geben zur Genüge Zeugniß davon. Es find Blätter
darin, für die man sich schlechterdings nur als "alter Leipziger" allenfalls
interesstren kann. Im ersten Hefte ist ein architektonisch völlig werthloser
Bau, der alte "Marstall" in drei verschiedenen Ansichten vorgeführt: das
Aeußere, der Hofraum und noch einmal ein Blick in den Hof durch den


aus: mit größerer Unlust sind alle Parteien wohl niemals an der parlamen¬
tarischen Arbeit gewesen, wie in dieser Session. Die vollendete Unsicherheit,
welche Alles beherrscht, scheint die Schaffenswürdigkeit, ja die Schaffenskraft
vollständig lahm legen zu wollen. Von den dein Abgeordnetenhause vorliegenden
Gesetzentwürfen haben die Kommunalsteuervorlage und die Novelle zur Städte¬
ordnung gar keine Aussichten. Auch an der Wegeordnnng, ein so tiefgefühltes
Bedürfniß sie auch sein mag, beginnt man zu verzweifeln, und es würde, wenn
der Etat festgestellt ist, sicherlich Niemand daran denken, dies grausame Spiel
nach Neujahr wieder aufzunehmen, wenn nicht die die Ausführung der Reichs¬
justizgesetze betreffende» Vorlagen nothwendig erledigt werden mußten. Unter
diesen Umständen ist denn leider noch manche nicht gerade erquickliche Seene
X- ?- vorherzusehen-




Literaten.
Dcis alte Leipzig. Photographien nach Originalzeichnungen und Aquarellen von
F. W. Heine, H. Heubner, L. Hofelich, C. Sprosse, Prof. C. Werner n. A.
Leipzig, Noth <K Nvrroschewitz. 1877.

Nach einem in andern Städten längst gegebenen Beispiele hat die
unternehmende und kunstsinnige Verlagshandlung von Roth und Nvrroschewitz
in Leipzig nun auch eine Anzahl Architekturausichten aus Leipzigs Vergangenheit
veröffentlicht. Bis jetzt liegen davon zwei Hefte von je 6 Blatt vor. Die
Herstellung derselben ist theilweise nach Aufnahmen nach der Natur, zum
Theil scheint sie mit Benutzung älterer Abbildungen erfolgt zu fein.

Die Aufgabe ist unleugbar keine sehr dankbare. Einen so nüchternen und
öden Eindruck, wie die moderne Leipziger Architektur macht — in erster Linie
die öffentlichen Bauten des Landes, der Universität und der Gemeinde, nicht min¬
der aber fast die gesammte, äußerst ordinäre und handwerksmäßige Privatarchi-
tektnr — einen nicht minder langweiligen und uninteressanter Eindruck gewährt,
mit wenigen Ausnahmen, die architektonische Physiognomie des alten Leipzig-
Die vorliegenden Hefte geben zur Genüge Zeugniß davon. Es find Blätter
darin, für die man sich schlechterdings nur als „alter Leipziger" allenfalls
interesstren kann. Im ersten Hefte ist ein architektonisch völlig werthloser
Bau, der alte „Marstall" in drei verschiedenen Ansichten vorgeführt: das
Aeußere, der Hofraum und noch einmal ein Blick in den Hof durch den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/436>, abgerufen am 27.09.2024.