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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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längst schon sehr spärlich besetzt gewesen, stellte sich auch auf den Tribünen
schließlich jene Leere ein, welche den Budgetverhandlungen sonst eigen zu sein
pflegt. An neuen Gesichtspunkten war der Kampf in der letzten Woche noch
ärmer, als in der vorangegangenen Dem rückschaueudeu Berichterstatter bleibt
schlechterdings nichts zu thun, als einfach zu konstatiren, daß so und so lauge
gekämpft worden, und daß die Streiter schließlich unversöhnt auseinander ge¬
gangen, wie stets vorher. Im letzten Augenblicke ergriff Herr v. Meyer-Arns-
walde nochmals die Gelegenheit zu einem Prvnuucicnneuto der Altkonservativeu
gegen me Bismarck-Falk'sche Kirchenpolitik, und Herr Windthorjt beeilte sich,
dasselbe zu einem Akt von bedeutsamster Tragweite aufzubauschen. Die hat es
nun freilich nicht. Aber allen Denen, welche immer noch an dem Wahne fest¬
halten, den Leichnam der Kreuzzeituugsvartei zum brauchbaren Gliede einer
das Deutsche Reich stützenden konservativen Partei galvanisiren zu können,
sollte diese neueste Erfahrung doch endlich einmal ein Licht aufstecken.

Alles in Allem haben die letzten Wochen nur die Ueberzeugung bestärken
können, daß der Staat sich durch die neuere Gesetzgebung eine unerschütterliche
Position geschaffen hat, von der aus er den weiteren Verlauf des kirchenpoli-
tischen Kampfes, wie bedauerlich derselbe auch sein mag, ruhig mit ansehen
kann. Der Versuch, Volksvertretung und Regierung durch endloses Queruliren
zu ermüden, kann, selbst wenn er momentan gelänge, einen praktischen Erfolg
auf keinen Fall haben; die Ausführung der Maigesetze geht trotz alles parla¬
mentarischen Lärmschlagens ihren Gang unbeirrt weiter. Im Uebrigen liegt
die Lösung des Problems der künftigen Gestaltung des Verhältnisses zwischen
der römisch-katholischen Kirche und dem preußischen Staate dermalen weit
weniger im preußischen Landtage, als im Vatikan. Der Ausfall der allem
A'lfcheine nach nahe bevorstehenden Papstwahl wird zugleich über Möglichkeit
"der Unmöglichkeit des kirchenpolitischen Friedensschlusses in Preußen ent¬
scheiden.

Eine wahre Oase in der Wüste der klerikalen Jeremiaden war die Erörterung
"Niger das Unterrichtswesen, sowie die Pflege der Kunst und Wissenschaft
betreffenden Fragen. Besonders lebhaft wurden die Klagen wegen Ueber-
bürdung der Schüler der höheren Lehranstalten diskutirt. Das Facit ans
Allem aber war immer wieder die dringende Nothwendigkeit der so lange
erwarteten planmäßigen Neuregelung des gesammten Schulwesens. Aus den
Versicherungen des Kultusministers geht hervor, daß an dem Unterrichtsgesetze
mit aller Kraft gearbeitet wird; wann es aber zur parlamentarischen Berathung
gestellt werden kann, bleibt noch sehr im Ungewissen.

Und im Ungewissen bleibt leider immer noch auch so manches Andere.
hilft nichts, es zu verhüllen, täglich drängt sich stärker die Wahrnehmung


längst schon sehr spärlich besetzt gewesen, stellte sich auch auf den Tribünen
schließlich jene Leere ein, welche den Budgetverhandlungen sonst eigen zu sein
pflegt. An neuen Gesichtspunkten war der Kampf in der letzten Woche noch
ärmer, als in der vorangegangenen Dem rückschaueudeu Berichterstatter bleibt
schlechterdings nichts zu thun, als einfach zu konstatiren, daß so und so lauge
gekämpft worden, und daß die Streiter schließlich unversöhnt auseinander ge¬
gangen, wie stets vorher. Im letzten Augenblicke ergriff Herr v. Meyer-Arns-
walde nochmals die Gelegenheit zu einem Prvnuucicnneuto der Altkonservativeu
gegen me Bismarck-Falk'sche Kirchenpolitik, und Herr Windthorjt beeilte sich,
dasselbe zu einem Akt von bedeutsamster Tragweite aufzubauschen. Die hat es
nun freilich nicht. Aber allen Denen, welche immer noch an dem Wahne fest¬
halten, den Leichnam der Kreuzzeituugsvartei zum brauchbaren Gliede einer
das Deutsche Reich stützenden konservativen Partei galvanisiren zu können,
sollte diese neueste Erfahrung doch endlich einmal ein Licht aufstecken.

Alles in Allem haben die letzten Wochen nur die Ueberzeugung bestärken
können, daß der Staat sich durch die neuere Gesetzgebung eine unerschütterliche
Position geschaffen hat, von der aus er den weiteren Verlauf des kirchenpoli-
tischen Kampfes, wie bedauerlich derselbe auch sein mag, ruhig mit ansehen
kann. Der Versuch, Volksvertretung und Regierung durch endloses Queruliren
zu ermüden, kann, selbst wenn er momentan gelänge, einen praktischen Erfolg
auf keinen Fall haben; die Ausführung der Maigesetze geht trotz alles parla¬
mentarischen Lärmschlagens ihren Gang unbeirrt weiter. Im Uebrigen liegt
die Lösung des Problems der künftigen Gestaltung des Verhältnisses zwischen
der römisch-katholischen Kirche und dem preußischen Staate dermalen weit
weniger im preußischen Landtage, als im Vatikan. Der Ausfall der allem
A'lfcheine nach nahe bevorstehenden Papstwahl wird zugleich über Möglichkeit
"der Unmöglichkeit des kirchenpolitischen Friedensschlusses in Preußen ent¬
scheiden.

Eine wahre Oase in der Wüste der klerikalen Jeremiaden war die Erörterung
"Niger das Unterrichtswesen, sowie die Pflege der Kunst und Wissenschaft
betreffenden Fragen. Besonders lebhaft wurden die Klagen wegen Ueber-
bürdung der Schüler der höheren Lehranstalten diskutirt. Das Facit ans
Allem aber war immer wieder die dringende Nothwendigkeit der so lange
erwarteten planmäßigen Neuregelung des gesammten Schulwesens. Aus den
Versicherungen des Kultusministers geht hervor, daß an dem Unterrichtsgesetze
mit aller Kraft gearbeitet wird; wann es aber zur parlamentarischen Berathung
gestellt werden kann, bleibt noch sehr im Ungewissen.

Und im Ungewissen bleibt leider immer noch auch so manches Andere.
hilft nichts, es zu verhüllen, täglich drängt sich stärker die Wahrnehmung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/435>, abgerufen am 26.09.2024.