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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Person zum Mittagmal und fragte mich um mancherlei neue Zeitung. Nach
dem Essen begehrte ich einen gnädigen Abschied, da gab er mir Briefe mit,
daß ich im Hin- und Herwege in allen seinen Städten, Schlössern und Zöllen,
zu Wasser und zu Lande sicher und frei ziehen möchte, lösete mich auch mit
den Meinigen ans der Herberge. Von bannen fuhr ich weiter auf dem Rheine
und kam geu Bonn, da fand ich den Bischof von Köln*), welcher mich gnädig
und freundlich annahm, für dem that ich meine Werbung mit deutscher Sprache,
deun ich zuvor vou andern verstanden, daß ihm die lateinische Sprache fast
unbekannt wäre. Der begehrete an mich, ich wollte die Fastnacht bei ihm
bleiben, das er mich mit dem langen Spieß sehen möchte, dargegen ich mich
entschuldigte mit Fürwendnng, ich hätte dem Herzog von Burgund zugesagt
auf diese Fastnacht bei ihm zu sein." --

Darauf fuhr der Ritter nach Köln, wo "die Grafen, Bcinnerherru und
Edlen und sonderlich der Probst, ein Graf von Witchenstein mit ihm Kund¬
schaft machten", auch der Fürst von Bergen ihn besuchte und ihn mit Geleits¬
und Empfehlungsbriefen für die Weiterreise versah. --

"Zu Köln hatten etliche gesagt, es wäre dem ganzen Adel eine Schande,
daß keiner im Lande wäre, der da vermochte oder dürfte mir mit dem langen
Spieß Widerstand thun. Aus dieser Rede etlicher Bürger wurden die Edeln
zum Theil gereizt und schickte zu mir einer von Adel, Arnold von Willingen
genannt, in trunkener Weise, zwei andere anch trunkene Edelleute und ließ mir
ansagen, ob ich morgen mit ihm mit dem langen Spieß stechen wollte um
guter Gesellschaft willen, da wollte er zu bereit sein, wollte mir auch Sattel
und andere Nothdurft geben und mich dazu anlegen. Als ich aber aus ihren
Reden spüren und abnehmen konnte, verstünden sie gewißlich nicht, was zu
solchen ritterlichen Spielen gehöret. Doch gab ich ihnen zu Antwort: Ich
wäre nicht allhier als ein Stecher; hätte er aber Lust zu mir und gefiele ihm,
daß ich ein Kleinod gewinne, wann er dasselbe aufsetzte, wollt ich schon, daß
er einen guten Bescheid von mir erlangte, ich wäre zwar seinethalben nicht
hergekommen, weder um gute Gesellschaft oder anderer Ursachen halber mich
in solch Spiel einzulassen, begehret er aber meiner und legt sein Kleinod neben
meines, wie in Ritterspielen überall Brauch, soll er dann finden, was er ge¬
sucht hat. Des andern Tages hatte ich gute Ruhe, und ward der Sachen
nimmer gedacht, machte mich also des vierten Tages darauf auf und zog
davon."

"Als ich gen Brüssel kam, war eben der Fürst**) in der Pfalz zu Hen-




Hermann, Landgraf von Hessen.
Erzherzog Maximilian nach dem Tode Marias von Burgund Regent des wemg
gehorsamen Landes.

Person zum Mittagmal und fragte mich um mancherlei neue Zeitung. Nach
dem Essen begehrte ich einen gnädigen Abschied, da gab er mir Briefe mit,
daß ich im Hin- und Herwege in allen seinen Städten, Schlössern und Zöllen,
zu Wasser und zu Lande sicher und frei ziehen möchte, lösete mich auch mit
den Meinigen ans der Herberge. Von bannen fuhr ich weiter auf dem Rheine
und kam geu Bonn, da fand ich den Bischof von Köln*), welcher mich gnädig
und freundlich annahm, für dem that ich meine Werbung mit deutscher Sprache,
deun ich zuvor vou andern verstanden, daß ihm die lateinische Sprache fast
unbekannt wäre. Der begehrete an mich, ich wollte die Fastnacht bei ihm
bleiben, das er mich mit dem langen Spieß sehen möchte, dargegen ich mich
entschuldigte mit Fürwendnng, ich hätte dem Herzog von Burgund zugesagt
auf diese Fastnacht bei ihm zu sein." —

Darauf fuhr der Ritter nach Köln, wo „die Grafen, Bcinnerherru und
Edlen und sonderlich der Probst, ein Graf von Witchenstein mit ihm Kund¬
schaft machten", auch der Fürst von Bergen ihn besuchte und ihn mit Geleits¬
und Empfehlungsbriefen für die Weiterreise versah. —

„Zu Köln hatten etliche gesagt, es wäre dem ganzen Adel eine Schande,
daß keiner im Lande wäre, der da vermochte oder dürfte mir mit dem langen
Spieß Widerstand thun. Aus dieser Rede etlicher Bürger wurden die Edeln
zum Theil gereizt und schickte zu mir einer von Adel, Arnold von Willingen
genannt, in trunkener Weise, zwei andere anch trunkene Edelleute und ließ mir
ansagen, ob ich morgen mit ihm mit dem langen Spieß stechen wollte um
guter Gesellschaft willen, da wollte er zu bereit sein, wollte mir auch Sattel
und andere Nothdurft geben und mich dazu anlegen. Als ich aber aus ihren
Reden spüren und abnehmen konnte, verstünden sie gewißlich nicht, was zu
solchen ritterlichen Spielen gehöret. Doch gab ich ihnen zu Antwort: Ich
wäre nicht allhier als ein Stecher; hätte er aber Lust zu mir und gefiele ihm,
daß ich ein Kleinod gewinne, wann er dasselbe aufsetzte, wollt ich schon, daß
er einen guten Bescheid von mir erlangte, ich wäre zwar seinethalben nicht
hergekommen, weder um gute Gesellschaft oder anderer Ursachen halber mich
in solch Spiel einzulassen, begehret er aber meiner und legt sein Kleinod neben
meines, wie in Ritterspielen überall Brauch, soll er dann finden, was er ge¬
sucht hat. Des andern Tages hatte ich gute Ruhe, und ward der Sachen
nimmer gedacht, machte mich also des vierten Tages darauf auf und zog
davon."

„Als ich gen Brüssel kam, war eben der Fürst**) in der Pfalz zu Hen-




Hermann, Landgraf von Hessen.
Erzherzog Maximilian nach dem Tode Marias von Burgund Regent des wemg
gehorsamen Landes.
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[0432] Person zum Mittagmal und fragte mich um mancherlei neue Zeitung. Nach dem Essen begehrte ich einen gnädigen Abschied, da gab er mir Briefe mit, daß ich im Hin- und Herwege in allen seinen Städten, Schlössern und Zöllen, zu Wasser und zu Lande sicher und frei ziehen möchte, lösete mich auch mit den Meinigen ans der Herberge. Von bannen fuhr ich weiter auf dem Rheine und kam geu Bonn, da fand ich den Bischof von Köln*), welcher mich gnädig und freundlich annahm, für dem that ich meine Werbung mit deutscher Sprache, deun ich zuvor vou andern verstanden, daß ihm die lateinische Sprache fast unbekannt wäre. Der begehrete an mich, ich wollte die Fastnacht bei ihm bleiben, das er mich mit dem langen Spieß sehen möchte, dargegen ich mich entschuldigte mit Fürwendnng, ich hätte dem Herzog von Burgund zugesagt auf diese Fastnacht bei ihm zu sein." — Darauf fuhr der Ritter nach Köln, wo „die Grafen, Bcinnerherru und Edlen und sonderlich der Probst, ein Graf von Witchenstein mit ihm Kund¬ schaft machten", auch der Fürst von Bergen ihn besuchte und ihn mit Geleits¬ und Empfehlungsbriefen für die Weiterreise versah. — „Zu Köln hatten etliche gesagt, es wäre dem ganzen Adel eine Schande, daß keiner im Lande wäre, der da vermochte oder dürfte mir mit dem langen Spieß Widerstand thun. Aus dieser Rede etlicher Bürger wurden die Edeln zum Theil gereizt und schickte zu mir einer von Adel, Arnold von Willingen genannt, in trunkener Weise, zwei andere anch trunkene Edelleute und ließ mir ansagen, ob ich morgen mit ihm mit dem langen Spieß stechen wollte um guter Gesellschaft willen, da wollte er zu bereit sein, wollte mir auch Sattel und andere Nothdurft geben und mich dazu anlegen. Als ich aber aus ihren Reden spüren und abnehmen konnte, verstünden sie gewißlich nicht, was zu solchen ritterlichen Spielen gehöret. Doch gab ich ihnen zu Antwort: Ich wäre nicht allhier als ein Stecher; hätte er aber Lust zu mir und gefiele ihm, daß ich ein Kleinod gewinne, wann er dasselbe aufsetzte, wollt ich schon, daß er einen guten Bescheid von mir erlangte, ich wäre zwar seinethalben nicht hergekommen, weder um gute Gesellschaft oder anderer Ursachen halber mich in solch Spiel einzulassen, begehret er aber meiner und legt sein Kleinod neben meines, wie in Ritterspielen überall Brauch, soll er dann finden, was er ge¬ sucht hat. Des andern Tages hatte ich gute Ruhe, und ward der Sachen nimmer gedacht, machte mich also des vierten Tages darauf auf und zog davon." „Als ich gen Brüssel kam, war eben der Fürst**) in der Pfalz zu Hen- Hermann, Landgraf von Hessen. Erzherzog Maximilian nach dem Tode Marias von Burgund Regent des wemg gehorsamen Landes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/432>, abgerufen am 24.08.2024.