Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.treffliche Buchbinderei von G. Fritzsche in Leipzig das Ganze in einen ge¬ In den weiteren Kreisen des Publikums wird das Album, deß sind wir Es ist dies eine Befürchtung, der man sich, wenn man unser Album mit treffliche Buchbinderei von G. Fritzsche in Leipzig das Ganze in einen ge¬ In den weiteren Kreisen des Publikums wird das Album, deß sind wir Es ist dies eine Befürchtung, der man sich, wenn man unser Album mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139181"/> <p xml:id="ID_1225" prev="#ID_1224"> treffliche Buchbinderei von G. Fritzsche in Leipzig das Ganze in einen ge¬<lb/> schmackvollen Einband gekleidet hat, dessen Deckel von reichverschlungenem<lb/> Flachornament in Gold und Schwarz umrahmt in der Mitte die bekrönte<lb/> Chiffre des Albertvereins zeigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1226"> In den weiteren Kreisen des Publikums wird das Album, deß sind wir<lb/> sicher, überall, wohin es gelangen wird, Anregung, Freude und Genuß be¬<lb/> reiten; es ist ein „Bilderbuch", so schön und werthvoll, so reich und mannich-<lb/> faltig, wie es der deutsche Buchhandel selten produzirt haben dürfte. Alle an<lb/> der Buchillustration betheiligten Kreise aber — Verlagsbuchhändler, Xylogra¬<lb/> phen und Zeichner — werden überdies daraus reiche Belehrung schöpfen<lb/> können. In erster Linie die Künstler, die Zeichner selbst, die es freilich auch<lb/> in erster Linie nöthig haben, denn in ihre Hand ist die Zukunft des deutschen<lb/> Holzschnittes gelegt, in ihrer Hand ruht die Entscheidung darüber, ob der<lb/> Holzschnitt auf seiner künstlerischen Höhe und in seinen künstlerischen Schranken<lb/> erhalten werden oder ob er einerseits in Virtuosenthum ausarten, andererseits<lb/> in Stümperei verwildern soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_1227" next="#ID_1228"> Es ist dies eine Befürchtung, der man sich, wenn man unser Album mit<lb/> der heutigen, fabrikmäßigen Massenproduktion des Holzschnitts vergleicht,<lb/> schlechterdings nicht erwehren kann. Unser Bilderalbum führt Leistungen vor,<lb/> die auf der Höhe des heutigen Holzschnittes stehen; auf dieser Höhe steht aber<lb/> leider nur ein kleiner Theil desselben. Es wird so massenhaft hier gepfuscht,<lb/> wie auf irgeud einem anderen Kunstgebiete. Das Jllnstrationsbedürfniß der<lb/> großen Menge ist in den letzten Jahren in einer Weise gewachsen, daß die vorhan¬<lb/> denen brauchbaren künstlerischen Kräfte zu seiner Befriedigung entschieden nicht<lb/> mehr ausreichen, oder vielmehr, es ist dnrch den buchhändlerischen Spekulations¬<lb/> geist fort und fort künstlich aufgestachelt wordeu. Zu den massenhaften illu-<lb/> strirten Zeitungen, deren Bedarf gedeckt sein will, ist in den letzten Jahren<lb/> eine förmlich krankhafte Manie gekommen, illustrirte Klassikeransgaben zu<lb/> fabriziren. „Weh dir, daß du ein Klassiker bist!" möchte man schon nicht mehr<lb/> bloß von Lessing, Goethe, Schiller, Shakespeare, sondern auch von vielen an¬<lb/> deren sagen, „weh dir — denn dn wirst ohne Gnade illustrirt!" Und was<lb/> für Leistungen haben wir uns da in den letzten Jahren müssen bieten lasse»<lb/> und lassen sie uns zum Theil noch heute bieten! Man begreift die Naivität<lb/> kaum, mit der sich da irgend ein beliebiger bleistiftbewehrter Hinz oder Kunz<lb/> herausnimmt, sich mit seinen kümmerlichen Bildchen zwischen den Dichter und<lb/> mich drängen zu wollen, mir vorschreiben zu wollen, in welcher Richtung sich<lb/> meine Phantasie bewegen soll, ja meiner Phantasie die Flügel binden ZU<lb/> wollen. Denn hundertmal illustriren die Herren Dinge, die schlechterdings<lb/> nicht zu illustriren sind, wenn man nicht die Grenzen zwischen Poesie und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0422]
treffliche Buchbinderei von G. Fritzsche in Leipzig das Ganze in einen ge¬
schmackvollen Einband gekleidet hat, dessen Deckel von reichverschlungenem
Flachornament in Gold und Schwarz umrahmt in der Mitte die bekrönte
Chiffre des Albertvereins zeigt.
In den weiteren Kreisen des Publikums wird das Album, deß sind wir
sicher, überall, wohin es gelangen wird, Anregung, Freude und Genuß be¬
reiten; es ist ein „Bilderbuch", so schön und werthvoll, so reich und mannich-
faltig, wie es der deutsche Buchhandel selten produzirt haben dürfte. Alle an
der Buchillustration betheiligten Kreise aber — Verlagsbuchhändler, Xylogra¬
phen und Zeichner — werden überdies daraus reiche Belehrung schöpfen
können. In erster Linie die Künstler, die Zeichner selbst, die es freilich auch
in erster Linie nöthig haben, denn in ihre Hand ist die Zukunft des deutschen
Holzschnittes gelegt, in ihrer Hand ruht die Entscheidung darüber, ob der
Holzschnitt auf seiner künstlerischen Höhe und in seinen künstlerischen Schranken
erhalten werden oder ob er einerseits in Virtuosenthum ausarten, andererseits
in Stümperei verwildern soll.
Es ist dies eine Befürchtung, der man sich, wenn man unser Album mit
der heutigen, fabrikmäßigen Massenproduktion des Holzschnitts vergleicht,
schlechterdings nicht erwehren kann. Unser Bilderalbum führt Leistungen vor,
die auf der Höhe des heutigen Holzschnittes stehen; auf dieser Höhe steht aber
leider nur ein kleiner Theil desselben. Es wird so massenhaft hier gepfuscht,
wie auf irgeud einem anderen Kunstgebiete. Das Jllnstrationsbedürfniß der
großen Menge ist in den letzten Jahren in einer Weise gewachsen, daß die vorhan¬
denen brauchbaren künstlerischen Kräfte zu seiner Befriedigung entschieden nicht
mehr ausreichen, oder vielmehr, es ist dnrch den buchhändlerischen Spekulations¬
geist fort und fort künstlich aufgestachelt wordeu. Zu den massenhaften illu-
strirten Zeitungen, deren Bedarf gedeckt sein will, ist in den letzten Jahren
eine förmlich krankhafte Manie gekommen, illustrirte Klassikeransgaben zu
fabriziren. „Weh dir, daß du ein Klassiker bist!" möchte man schon nicht mehr
bloß von Lessing, Goethe, Schiller, Shakespeare, sondern auch von vielen an¬
deren sagen, „weh dir — denn dn wirst ohne Gnade illustrirt!" Und was
für Leistungen haben wir uns da in den letzten Jahren müssen bieten lasse»
und lassen sie uns zum Theil noch heute bieten! Man begreift die Naivität
kaum, mit der sich da irgend ein beliebiger bleistiftbewehrter Hinz oder Kunz
herausnimmt, sich mit seinen kümmerlichen Bildchen zwischen den Dichter und
mich drängen zu wollen, mir vorschreiben zu wollen, in welcher Richtung sich
meine Phantasie bewegen soll, ja meiner Phantasie die Flügel binden ZU
wollen. Denn hundertmal illustriren die Herren Dinge, die schlechterdings
nicht zu illustriren sind, wenn man nicht die Grenzen zwischen Poesie und
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