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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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licht wissen wollte. Clausewitz' hinterlassene Werke waren geradezu epoche¬
machend in der Militärliteratur.

Nimmt nun der Schriftsteller Clausewitz schon unser ganzes Interesse in
Anspruch, so nicht weniger der Mensch und der Soldat in seinem Denken,
Schaffen und Wirken. Er war eine hohe sittliche Erscheinung, ein seltener
Kopf, ein edles Gemüth, jeder Zoll ein Ritter, kurz ein ganzer Mann. Mag
sich auch sein Ruhm zunächst auf jene Werke gründen: seine ganze und volle
Bedeutung für die Armee, ja für das ganze deutsche Volk lernt man doch erst
würdigen in Betrachtung seines edlen Charakters, seiner patriotischen Gesinnung
und Wirksamkeit in großer, schwerer Zeit, so wie seines ganzen inhaltreichen
Lebens.

Der Verfasser des unter angezeigten Werkes*) hat es unternommen, eine
patriotische Schuld abzutragen und ein Lebensbild jenes Mannes zu veröffent¬
lichen, das nicht nur in militärischen, sondern in allen Kreisen, die sich noch
für echten Patriotismus, für die Höhen eines edlen Geistes, kurz für die Ideale
des Lebens erwärmen können, die dankbarste Aufnahme finden wird. Will
man Clausewitz als ganzen Menschen in der Tiefe seines Gemüthes erfassen,
baun bedarf es einer ganz besonderen Würdigung des Verhältnisses zu seiner
Gattin. Was er als Mann bedeutete, das war sie als Frau; sie war ein
Theil seines Wesens und eine der Edelsten ihres Geschlechts. Der Verfasser
hat denn auch in der Biographie dem zweiten Ich des Helden die berechtigte
Stellung angewiesen und wir erhalten auch von Frau von Clausewitz ein
volles Lebensbild.

Ehe wir jedoch in eine nähere Besprechung des Werkes eingehen, sei es
uns gestattet, einen kurzen Lebensnbriß von Clausewitz zu geben. Sein Vater,
früher Offizier in der Friedericicmischen Armee, hatte in Folge einer Verwun¬
dung früh den Abschied nehmen müssen und war als Accise-Einnehmer mit
einem Gehalt von 300 Thalern in Burg angestellt. Dort wurde Carl von
Clausewitz, als der jüngste von vier Brüdern, am 1. Juni 1780 geboren. Bis
zu seinem 12. Lebensjahre besuchte er die Stadtschule seines Heimathsortes
und trat dann in das Infanterie-Regiment Prinz Ferdinand zu Potsdam als
Junker ein. Nach Jahresfrist zum Fähnrich avcmcirt, erhielt er in der Rhein
kcunpagne 1793 und 1794 die Feuertaufe. Im noch nicht vollendeten 1l>>
Lebensjahre erfolgte seine Ernennung zum Lieutenant. Nach dem Frieden von
Basel kostete er bis 1801 in Neu-Ruppin die Leiden und Freuden einer kleinen



*) Leben des Generals Carl von Clausewitz und der Frau Maria von Clausewitz,
geb. Gräfin von Brühl mit Briefen, Aufsätzen, Tagebüchern und anderen Schriftstücken von
Karl Schwartz, in zwei Bünden. Berlin, Ferd. Dünunlers Verlagsbuchhandlung, 1K7S.
Jeder Band enthält ein Portrait, das des Generals und der Frau von Clausewitz.

licht wissen wollte. Clausewitz' hinterlassene Werke waren geradezu epoche¬
machend in der Militärliteratur.

Nimmt nun der Schriftsteller Clausewitz schon unser ganzes Interesse in
Anspruch, so nicht weniger der Mensch und der Soldat in seinem Denken,
Schaffen und Wirken. Er war eine hohe sittliche Erscheinung, ein seltener
Kopf, ein edles Gemüth, jeder Zoll ein Ritter, kurz ein ganzer Mann. Mag
sich auch sein Ruhm zunächst auf jene Werke gründen: seine ganze und volle
Bedeutung für die Armee, ja für das ganze deutsche Volk lernt man doch erst
würdigen in Betrachtung seines edlen Charakters, seiner patriotischen Gesinnung
und Wirksamkeit in großer, schwerer Zeit, so wie seines ganzen inhaltreichen
Lebens.

Der Verfasser des unter angezeigten Werkes*) hat es unternommen, eine
patriotische Schuld abzutragen und ein Lebensbild jenes Mannes zu veröffent¬
lichen, das nicht nur in militärischen, sondern in allen Kreisen, die sich noch
für echten Patriotismus, für die Höhen eines edlen Geistes, kurz für die Ideale
des Lebens erwärmen können, die dankbarste Aufnahme finden wird. Will
man Clausewitz als ganzen Menschen in der Tiefe seines Gemüthes erfassen,
baun bedarf es einer ganz besonderen Würdigung des Verhältnisses zu seiner
Gattin. Was er als Mann bedeutete, das war sie als Frau; sie war ein
Theil seines Wesens und eine der Edelsten ihres Geschlechts. Der Verfasser
hat denn auch in der Biographie dem zweiten Ich des Helden die berechtigte
Stellung angewiesen und wir erhalten auch von Frau von Clausewitz ein
volles Lebensbild.

Ehe wir jedoch in eine nähere Besprechung des Werkes eingehen, sei es
uns gestattet, einen kurzen Lebensnbriß von Clausewitz zu geben. Sein Vater,
früher Offizier in der Friedericicmischen Armee, hatte in Folge einer Verwun¬
dung früh den Abschied nehmen müssen und war als Accise-Einnehmer mit
einem Gehalt von 300 Thalern in Burg angestellt. Dort wurde Carl von
Clausewitz, als der jüngste von vier Brüdern, am 1. Juni 1780 geboren. Bis
zu seinem 12. Lebensjahre besuchte er die Stadtschule seines Heimathsortes
und trat dann in das Infanterie-Regiment Prinz Ferdinand zu Potsdam als
Junker ein. Nach Jahresfrist zum Fähnrich avcmcirt, erhielt er in der Rhein
kcunpagne 1793 und 1794 die Feuertaufe. Im noch nicht vollendeten 1l>>
Lebensjahre erfolgte seine Ernennung zum Lieutenant. Nach dem Frieden von
Basel kostete er bis 1801 in Neu-Ruppin die Leiden und Freuden einer kleinen



*) Leben des Generals Carl von Clausewitz und der Frau Maria von Clausewitz,
geb. Gräfin von Brühl mit Briefen, Aufsätzen, Tagebüchern und anderen Schriftstücken von
Karl Schwartz, in zwei Bünden. Berlin, Ferd. Dünunlers Verlagsbuchhandlung, 1K7S.
Jeder Band enthält ein Portrait, das des Generals und der Frau von Clausewitz.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/406>, abgerufen am 22.07.2024.