Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

deutenden Flüssen, der Kuban und Terek; der erstere fällt, nachdem er neun
bedeutende Nebenflüsse und zahlreiche Bäche aufgenommen, ins Schwarze Meer,
der letztere, verstärkt durch zwei Nebenflüsse und zahlreiche Bäche, ins Kaspische
Meer. Im Süden des Gebirges finden wir den Fluß Kura, mit mehreren
Nebenflüssen dem Kaspischen Meere zueilend, während sich die Kadora und der
Riciu ins Schwarze Meer ergießen. Nur eine geringe Anzahl dieser Flüsse,
und zwar diejenigen, welche von dem an die Schneeregion reichende" Hanpt-
rücken kommen, sind schiffbar; die meisten schrumpfen während des Sommers
zu unbedeutenden Bächen zusammen, ja manche verschwinden gänzlich. Alle
aber stürzen von steilen Bergen oder schroffen Felsenwänden herab, in Folge
dessen sie während eines Regens plötzlich anschwellen, häufig aus ihren Ufern
treten, aber eben so schnell wieder versiechen.

Eine wenn anch nur in großen Zügen gehaltene topographische Kenntniß
des Landes ist zum Verständnisse der Ereignisse auf dem asiatischen Kriegs¬
schauplatze durchaus nothwendig, da von der topographischen Beschaffenheit des
Landes die Bewegung der Armeen abhängt. In den Ebenen, besonders in
der kaukasischen Steppe, existiren schou lauge einige Wege von: Schwarzen
zum Kaspischen Meere; hier hatte der Mensch keine natürlichen Hindernisse zu
überwinden, um sich einen Weg zu bahnen. Auch im waldigen Vorgebirge'
waren die Hindernisse nicht allzu bedeutend, denn hier brauchten nur Bäume
niedergehauen, Felsen gesprengt, Schluchten gefüllt und Brücken gebaut zu
werden, aber im Hochgebirge, in dem mit Schnee bedeckten Hauptrücken waren
andere Schwierigkeiten zu überwältige", denn hier ist die ganze Natur eine
andere. Hier dienten dem Menschen seit uralten Zeiten Schluchten, trockene
Flußbetten als einzige Pfade und diese Wege sind im Winter mit Eis und
Schneebergen bedeckt, im Frühling in reißende Ströme verwandelt und, wenn
das Wasser verschwunden ist, von riesigen Felsen, die es mit sich gerissen, ver¬
sperrt. Deshalb ist es bis jetzt nur gelungen, zwei Wege über deu Gebirgs¬
rücken herzustellen; einer führt von Wladikawkas (Gebieter des Kaukasus) aw
Terek entlang mit einem Zweigwege nach Alagiosk, der zweite dnrch den Eng¬
paß von Narsk von Achrow nach Nncka, durch das Lesgistan. Wer diese
beiden Wege beherrscht, ist Herr des Kaukasus und Kaukasiers; zu ihrer Be¬
herrschung ist aber eine verhältnißmäßig geringe Macht genügend.

Wenden wir uns nnn speziell zu den Bewohnern Kaukasiers. Einer der
Hauptstämme ist, wie wir schon sagten, der grusische. Er ist vielleicht der
schönste Menschenschlag ans Erden. Die Männer sind groß und stark; die
Frauen schlank und höchst symmetrisch gebaut; man kann sich keine edleren Mg^
keine schöneren Angen als die einer Grusierin denken. Das heißt: so lange
man sie von ferne sieht -- ich sage dies ans eigener Erfahrung. Wenn man sich


deutenden Flüssen, der Kuban und Terek; der erstere fällt, nachdem er neun
bedeutende Nebenflüsse und zahlreiche Bäche aufgenommen, ins Schwarze Meer,
der letztere, verstärkt durch zwei Nebenflüsse und zahlreiche Bäche, ins Kaspische
Meer. Im Süden des Gebirges finden wir den Fluß Kura, mit mehreren
Nebenflüssen dem Kaspischen Meere zueilend, während sich die Kadora und der
Riciu ins Schwarze Meer ergießen. Nur eine geringe Anzahl dieser Flüsse,
und zwar diejenigen, welche von dem an die Schneeregion reichende» Hanpt-
rücken kommen, sind schiffbar; die meisten schrumpfen während des Sommers
zu unbedeutenden Bächen zusammen, ja manche verschwinden gänzlich. Alle
aber stürzen von steilen Bergen oder schroffen Felsenwänden herab, in Folge
dessen sie während eines Regens plötzlich anschwellen, häufig aus ihren Ufern
treten, aber eben so schnell wieder versiechen.

Eine wenn anch nur in großen Zügen gehaltene topographische Kenntniß
des Landes ist zum Verständnisse der Ereignisse auf dem asiatischen Kriegs¬
schauplatze durchaus nothwendig, da von der topographischen Beschaffenheit des
Landes die Bewegung der Armeen abhängt. In den Ebenen, besonders in
der kaukasischen Steppe, existiren schou lauge einige Wege von: Schwarzen
zum Kaspischen Meere; hier hatte der Mensch keine natürlichen Hindernisse zu
überwinden, um sich einen Weg zu bahnen. Auch im waldigen Vorgebirge'
waren die Hindernisse nicht allzu bedeutend, denn hier brauchten nur Bäume
niedergehauen, Felsen gesprengt, Schluchten gefüllt und Brücken gebaut zu
werden, aber im Hochgebirge, in dem mit Schnee bedeckten Hauptrücken waren
andere Schwierigkeiten zu überwältige», denn hier ist die ganze Natur eine
andere. Hier dienten dem Menschen seit uralten Zeiten Schluchten, trockene
Flußbetten als einzige Pfade und diese Wege sind im Winter mit Eis und
Schneebergen bedeckt, im Frühling in reißende Ströme verwandelt und, wenn
das Wasser verschwunden ist, von riesigen Felsen, die es mit sich gerissen, ver¬
sperrt. Deshalb ist es bis jetzt nur gelungen, zwei Wege über deu Gebirgs¬
rücken herzustellen; einer führt von Wladikawkas (Gebieter des Kaukasus) aw
Terek entlang mit einem Zweigwege nach Alagiosk, der zweite dnrch den Eng¬
paß von Narsk von Achrow nach Nncka, durch das Lesgistan. Wer diese
beiden Wege beherrscht, ist Herr des Kaukasus und Kaukasiers; zu ihrer Be¬
herrschung ist aber eine verhältnißmäßig geringe Macht genügend.

Wenden wir uns nnn speziell zu den Bewohnern Kaukasiers. Einer der
Hauptstämme ist, wie wir schon sagten, der grusische. Er ist vielleicht der
schönste Menschenschlag ans Erden. Die Männer sind groß und stark; die
Frauen schlank und höchst symmetrisch gebaut; man kann sich keine edleren Mg^
keine schöneren Angen als die einer Grusierin denken. Das heißt: so lange
man sie von ferne sieht — ich sage dies ans eigener Erfahrung. Wenn man sich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139151"/>
          <p xml:id="ID_1143" prev="#ID_1142"> deutenden Flüssen, der Kuban und Terek; der erstere fällt, nachdem er neun<lb/>
bedeutende Nebenflüsse und zahlreiche Bäche aufgenommen, ins Schwarze Meer,<lb/>
der letztere, verstärkt durch zwei Nebenflüsse und zahlreiche Bäche, ins Kaspische<lb/>
Meer. Im Süden des Gebirges finden wir den Fluß Kura, mit mehreren<lb/>
Nebenflüssen dem Kaspischen Meere zueilend, während sich die Kadora und der<lb/>
Riciu ins Schwarze Meer ergießen. Nur eine geringe Anzahl dieser Flüsse,<lb/>
und zwar diejenigen, welche von dem an die Schneeregion reichende» Hanpt-<lb/>
rücken kommen, sind schiffbar; die meisten schrumpfen während des Sommers<lb/>
zu unbedeutenden Bächen zusammen, ja manche verschwinden gänzlich. Alle<lb/>
aber stürzen von steilen Bergen oder schroffen Felsenwänden herab, in Folge<lb/>
dessen sie während eines Regens plötzlich anschwellen, häufig aus ihren Ufern<lb/>
treten, aber eben so schnell wieder versiechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1144"> Eine wenn anch nur in großen Zügen gehaltene topographische Kenntniß<lb/>
des Landes ist zum Verständnisse der Ereignisse auf dem asiatischen Kriegs¬<lb/>
schauplatze durchaus nothwendig, da von der topographischen Beschaffenheit des<lb/>
Landes die Bewegung der Armeen abhängt. In den Ebenen, besonders in<lb/>
der kaukasischen Steppe, existiren schou lauge einige Wege von: Schwarzen<lb/>
zum Kaspischen Meere; hier hatte der Mensch keine natürlichen Hindernisse zu<lb/>
überwinden, um sich einen Weg zu bahnen. Auch im waldigen Vorgebirge'<lb/>
waren die Hindernisse nicht allzu bedeutend, denn hier brauchten nur Bäume<lb/>
niedergehauen, Felsen gesprengt, Schluchten gefüllt und Brücken gebaut zu<lb/>
werden, aber im Hochgebirge, in dem mit Schnee bedeckten Hauptrücken waren<lb/>
andere Schwierigkeiten zu überwältige», denn hier ist die ganze Natur eine<lb/>
andere. Hier dienten dem Menschen seit uralten Zeiten Schluchten, trockene<lb/>
Flußbetten als einzige Pfade und diese Wege sind im Winter mit Eis und<lb/>
Schneebergen bedeckt, im Frühling in reißende Ströme verwandelt und, wenn<lb/>
das Wasser verschwunden ist, von riesigen Felsen, die es mit sich gerissen, ver¬<lb/>
sperrt. Deshalb ist es bis jetzt nur gelungen, zwei Wege über deu Gebirgs¬<lb/>
rücken herzustellen; einer führt von Wladikawkas (Gebieter des Kaukasus) aw<lb/>
Terek entlang mit einem Zweigwege nach Alagiosk, der zweite dnrch den Eng¬<lb/>
paß von Narsk von Achrow nach Nncka, durch das Lesgistan. Wer diese<lb/>
beiden Wege beherrscht, ist Herr des Kaukasus und Kaukasiers; zu ihrer Be¬<lb/>
herrschung ist aber eine verhältnißmäßig geringe Macht genügend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1145" next="#ID_1146"> Wenden wir uns nnn speziell zu den Bewohnern Kaukasiers. Einer der<lb/>
Hauptstämme ist, wie wir schon sagten, der grusische. Er ist vielleicht der<lb/>
schönste Menschenschlag ans Erden. Die Männer sind groß und stark; die<lb/>
Frauen schlank und höchst symmetrisch gebaut; man kann sich keine edleren Mg^<lb/>
keine schöneren Angen als die einer Grusierin denken. Das heißt: so lange<lb/>
man sie von ferne sieht &#x2014; ich sage dies ans eigener Erfahrung. Wenn man sich</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0392] deutenden Flüssen, der Kuban und Terek; der erstere fällt, nachdem er neun bedeutende Nebenflüsse und zahlreiche Bäche aufgenommen, ins Schwarze Meer, der letztere, verstärkt durch zwei Nebenflüsse und zahlreiche Bäche, ins Kaspische Meer. Im Süden des Gebirges finden wir den Fluß Kura, mit mehreren Nebenflüssen dem Kaspischen Meere zueilend, während sich die Kadora und der Riciu ins Schwarze Meer ergießen. Nur eine geringe Anzahl dieser Flüsse, und zwar diejenigen, welche von dem an die Schneeregion reichende» Hanpt- rücken kommen, sind schiffbar; die meisten schrumpfen während des Sommers zu unbedeutenden Bächen zusammen, ja manche verschwinden gänzlich. Alle aber stürzen von steilen Bergen oder schroffen Felsenwänden herab, in Folge dessen sie während eines Regens plötzlich anschwellen, häufig aus ihren Ufern treten, aber eben so schnell wieder versiechen. Eine wenn anch nur in großen Zügen gehaltene topographische Kenntniß des Landes ist zum Verständnisse der Ereignisse auf dem asiatischen Kriegs¬ schauplatze durchaus nothwendig, da von der topographischen Beschaffenheit des Landes die Bewegung der Armeen abhängt. In den Ebenen, besonders in der kaukasischen Steppe, existiren schou lauge einige Wege von: Schwarzen zum Kaspischen Meere; hier hatte der Mensch keine natürlichen Hindernisse zu überwinden, um sich einen Weg zu bahnen. Auch im waldigen Vorgebirge' waren die Hindernisse nicht allzu bedeutend, denn hier brauchten nur Bäume niedergehauen, Felsen gesprengt, Schluchten gefüllt und Brücken gebaut zu werden, aber im Hochgebirge, in dem mit Schnee bedeckten Hauptrücken waren andere Schwierigkeiten zu überwältige», denn hier ist die ganze Natur eine andere. Hier dienten dem Menschen seit uralten Zeiten Schluchten, trockene Flußbetten als einzige Pfade und diese Wege sind im Winter mit Eis und Schneebergen bedeckt, im Frühling in reißende Ströme verwandelt und, wenn das Wasser verschwunden ist, von riesigen Felsen, die es mit sich gerissen, ver¬ sperrt. Deshalb ist es bis jetzt nur gelungen, zwei Wege über deu Gebirgs¬ rücken herzustellen; einer führt von Wladikawkas (Gebieter des Kaukasus) aw Terek entlang mit einem Zweigwege nach Alagiosk, der zweite dnrch den Eng¬ paß von Narsk von Achrow nach Nncka, durch das Lesgistan. Wer diese beiden Wege beherrscht, ist Herr des Kaukasus und Kaukasiers; zu ihrer Be¬ herrschung ist aber eine verhältnißmäßig geringe Macht genügend. Wenden wir uns nnn speziell zu den Bewohnern Kaukasiers. Einer der Hauptstämme ist, wie wir schon sagten, der grusische. Er ist vielleicht der schönste Menschenschlag ans Erden. Die Männer sind groß und stark; die Frauen schlank und höchst symmetrisch gebaut; man kann sich keine edleren Mg^ keine schöneren Angen als die einer Grusierin denken. Das heißt: so lange man sie von ferne sieht — ich sage dies ans eigener Erfahrung. Wenn man sich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/392
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/392>, abgerufen am 24.08.2024.