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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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nachdem ihre Lehre voll einem Konzil verdammt war, durch heldenmüthige
Ausdauer von einem andern Konzile Anerkennung erlangten. Nächst den
tapferen Kriegsthaten der Hussiten hatte zu diesem Resultate Nichts so sehr
beigetragen, als die Vermittlung des Kurfürsten Friedrich I. und das ernste
Bemühen des Konzils zu Basel, welches unstreitig den besten Willen zur Her¬
stellung der Einheit der Kirche bewiesen hat.*)

Der fernere Verlauf der Geschichte des Baseler Konzils ist bekannt. Es
gerieth bald nach Beilegung der Hussitischen Streitigkeiten in heftigen Streit
mit dem Papste Eugen IV. und dieser Kampf, der sogar zur Aufstellung eines
Gegenpapstes von Seiten des Konzils führte, zog sich bis zum Jahre 1449 hin.
Der Kampf endigte mit der Auflösung des Konzils und dem Siege des Papstes.
Der letztere war jedoch genöthigt gewesen, den Fürsten, dnrch deren Zustimmung
und Hülfe er die Auflösung des Konzils durchzusetzen wußte, dafür bedeutende
Konzessionen zu macheu. Sehr bedeutende Bewilligungen erhielten namentlich
die Könige von England und Frankreich; weit weniger erlangte der schwache
Kaiser Friedrich III. der seit dem Jahre 1440 in Deutschland regierte. Dagegen
gelang es dem Sohne Friedrich I., dem Kurfürsten Friedrich II., der seit 1440
die Mark Brandenburg besaß, vom Papste die Befugniß der Wahl und Be¬
stätigung seiner Landesbischöfe zu erhalten. Es ist dies ein Beweis, wie groß
schon damals die Macht der Deutschen Fürsten, insbesondere auch des Kur¬
fürsten von Brandenburg gegenüber dem Kaiser war. Während der Papst in
England und Frankreich blos die Könige für sich zu gewinnen brauchte, hielt
er es in Deuschland für nöthig, nicht blos dem Kaiser, sondern auch einzelnen
Fürsten Bewilligungen zu macheu.

Nichts hat übrigens während des fünfzehnten Jahrhunderts mehr dazu beige¬
tragen, den Einfluß der Brandenburgischen Kurfürsten auf ihre Stände und daher
ihr Ansehn in ihrem Lande zu erhöhe, als gerade der Einfluß, den die Kur¬
fürsten auf die Landes-Geistlichkeit durch die Bewilligungen des Papstes



Das Konzil hat in dieser Beziehung mehr thun können, als dem Papste möglich
war. Der Papst konnte, ohne seinem eignen Ansehn den schwersten Stoß zu geben, die BcschlM
seines Vorgängers und des Konzils zu Konstanz nicht aufheben. Das Konzil, das damals
ein größeres Ansehn hatte, als der Papst, war in der Lage, dies zu thun und hat e"
gethan. --, .
d, Dem Andenken der Hussiten hat übrigens Nichts so sehr geschadet, als der Umstan
daß ihre Geschichte uns fast blos von ihren Feinden überliefert ist und daß man in neuerer
Zeit begonnen hat, ihre Bewegung nicht sowohl als eine religiöse und theilweise sozial
wie als eine national-tschechische, antideutsche zu betrachte". Das letztere ist entschieden u"^
richtig; das nationale Element hat bei der ganzen Hussitischen Bewegung nur eine unterg^
ordnete Rolle gespielt. Bei den Verhandlungen der Hussiten mit dem Kaiser und dem Papst
ist von nationalen Forderungen nie die Rede gewesen. Auch hat immer ein großer The'
der Tschechen am Katholicismus festgehalten-

nachdem ihre Lehre voll einem Konzil verdammt war, durch heldenmüthige
Ausdauer von einem andern Konzile Anerkennung erlangten. Nächst den
tapferen Kriegsthaten der Hussiten hatte zu diesem Resultate Nichts so sehr
beigetragen, als die Vermittlung des Kurfürsten Friedrich I. und das ernste
Bemühen des Konzils zu Basel, welches unstreitig den besten Willen zur Her¬
stellung der Einheit der Kirche bewiesen hat.*)

Der fernere Verlauf der Geschichte des Baseler Konzils ist bekannt. Es
gerieth bald nach Beilegung der Hussitischen Streitigkeiten in heftigen Streit
mit dem Papste Eugen IV. und dieser Kampf, der sogar zur Aufstellung eines
Gegenpapstes von Seiten des Konzils führte, zog sich bis zum Jahre 1449 hin.
Der Kampf endigte mit der Auflösung des Konzils und dem Siege des Papstes.
Der letztere war jedoch genöthigt gewesen, den Fürsten, dnrch deren Zustimmung
und Hülfe er die Auflösung des Konzils durchzusetzen wußte, dafür bedeutende
Konzessionen zu macheu. Sehr bedeutende Bewilligungen erhielten namentlich
die Könige von England und Frankreich; weit weniger erlangte der schwache
Kaiser Friedrich III. der seit dem Jahre 1440 in Deutschland regierte. Dagegen
gelang es dem Sohne Friedrich I., dem Kurfürsten Friedrich II., der seit 1440
die Mark Brandenburg besaß, vom Papste die Befugniß der Wahl und Be¬
stätigung seiner Landesbischöfe zu erhalten. Es ist dies ein Beweis, wie groß
schon damals die Macht der Deutschen Fürsten, insbesondere auch des Kur¬
fürsten von Brandenburg gegenüber dem Kaiser war. Während der Papst in
England und Frankreich blos die Könige für sich zu gewinnen brauchte, hielt
er es in Deuschland für nöthig, nicht blos dem Kaiser, sondern auch einzelnen
Fürsten Bewilligungen zu macheu.

Nichts hat übrigens während des fünfzehnten Jahrhunderts mehr dazu beige¬
tragen, den Einfluß der Brandenburgischen Kurfürsten auf ihre Stände und daher
ihr Ansehn in ihrem Lande zu erhöhe, als gerade der Einfluß, den die Kur¬
fürsten auf die Landes-Geistlichkeit durch die Bewilligungen des Papstes



Das Konzil hat in dieser Beziehung mehr thun können, als dem Papste möglich
war. Der Papst konnte, ohne seinem eignen Ansehn den schwersten Stoß zu geben, die BcschlM
seines Vorgängers und des Konzils zu Konstanz nicht aufheben. Das Konzil, das damals
ein größeres Ansehn hatte, als der Papst, war in der Lage, dies zu thun und hat e»
gethan. —, .
d, Dem Andenken der Hussiten hat übrigens Nichts so sehr geschadet, als der Umstan
daß ihre Geschichte uns fast blos von ihren Feinden überliefert ist und daß man in neuerer
Zeit begonnen hat, ihre Bewegung nicht sowohl als eine religiöse und theilweise sozial
wie als eine national-tschechische, antideutsche zu betrachte». Das letztere ist entschieden u"^
richtig; das nationale Element hat bei der ganzen Hussitischen Bewegung nur eine unterg^
ordnete Rolle gespielt. Bei den Verhandlungen der Hussiten mit dem Kaiser und dem Papst
ist von nationalen Forderungen nie die Rede gewesen. Auch hat immer ein großer The'
der Tschechen am Katholicismus festgehalten-
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[0388] nachdem ihre Lehre voll einem Konzil verdammt war, durch heldenmüthige Ausdauer von einem andern Konzile Anerkennung erlangten. Nächst den tapferen Kriegsthaten der Hussiten hatte zu diesem Resultate Nichts so sehr beigetragen, als die Vermittlung des Kurfürsten Friedrich I. und das ernste Bemühen des Konzils zu Basel, welches unstreitig den besten Willen zur Her¬ stellung der Einheit der Kirche bewiesen hat.*) Der fernere Verlauf der Geschichte des Baseler Konzils ist bekannt. Es gerieth bald nach Beilegung der Hussitischen Streitigkeiten in heftigen Streit mit dem Papste Eugen IV. und dieser Kampf, der sogar zur Aufstellung eines Gegenpapstes von Seiten des Konzils führte, zog sich bis zum Jahre 1449 hin. Der Kampf endigte mit der Auflösung des Konzils und dem Siege des Papstes. Der letztere war jedoch genöthigt gewesen, den Fürsten, dnrch deren Zustimmung und Hülfe er die Auflösung des Konzils durchzusetzen wußte, dafür bedeutende Konzessionen zu macheu. Sehr bedeutende Bewilligungen erhielten namentlich die Könige von England und Frankreich; weit weniger erlangte der schwache Kaiser Friedrich III. der seit dem Jahre 1440 in Deutschland regierte. Dagegen gelang es dem Sohne Friedrich I., dem Kurfürsten Friedrich II., der seit 1440 die Mark Brandenburg besaß, vom Papste die Befugniß der Wahl und Be¬ stätigung seiner Landesbischöfe zu erhalten. Es ist dies ein Beweis, wie groß schon damals die Macht der Deutschen Fürsten, insbesondere auch des Kur¬ fürsten von Brandenburg gegenüber dem Kaiser war. Während der Papst in England und Frankreich blos die Könige für sich zu gewinnen brauchte, hielt er es in Deuschland für nöthig, nicht blos dem Kaiser, sondern auch einzelnen Fürsten Bewilligungen zu macheu. Nichts hat übrigens während des fünfzehnten Jahrhunderts mehr dazu beige¬ tragen, den Einfluß der Brandenburgischen Kurfürsten auf ihre Stände und daher ihr Ansehn in ihrem Lande zu erhöhe, als gerade der Einfluß, den die Kur¬ fürsten auf die Landes-Geistlichkeit durch die Bewilligungen des Papstes Das Konzil hat in dieser Beziehung mehr thun können, als dem Papste möglich war. Der Papst konnte, ohne seinem eignen Ansehn den schwersten Stoß zu geben, die BcschlM seines Vorgängers und des Konzils zu Konstanz nicht aufheben. Das Konzil, das damals ein größeres Ansehn hatte, als der Papst, war in der Lage, dies zu thun und hat e» gethan. —, . d, Dem Andenken der Hussiten hat übrigens Nichts so sehr geschadet, als der Umstan daß ihre Geschichte uns fast blos von ihren Feinden überliefert ist und daß man in neuerer Zeit begonnen hat, ihre Bewegung nicht sowohl als eine religiöse und theilweise sozial wie als eine national-tschechische, antideutsche zu betrachte». Das letztere ist entschieden u"^ richtig; das nationale Element hat bei der ganzen Hussitischen Bewegung nur eine unterg^ ordnete Rolle gespielt. Bei den Verhandlungen der Hussiten mit dem Kaiser und dem Papst ist von nationalen Forderungen nie die Rede gewesen. Auch hat immer ein großer The' der Tschechen am Katholicismus festgehalten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/388>, abgerufen am 22.07.2024.