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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Musaios und seines Sohnes Eumolpos, des mythischen Ahnherrn der eleusini-
schen Eumolpiden, war nach Platon's Bericht geschildert, wie die Frommen in
der Unterwelt bekränzt beim Zechgelage säßen und in einer solchen Beschäfti¬
gung und dem entsprechenden Zustande alle Zeit verblieben, als sei, fügt
Platon hinzu, das der schönste Lohn der Tugend, ewige Trunkenheit. Nach
Orpheus aber wohnten die Geweihten nach dem Tode bei den Göttern, während
die Unreinen und Ungerechten ewig im Schlamm und Kothe lagen. Und so
stellt es anch Aristophanes in den Fröschen dar: im Schlamme liegen die,
welche sich gegen einen Gast vergangen, oder gegen ihre Eltern gefrevelt
oder eidbrüchig geworden sind; dagegen die Chöre der Eingeweihten wohnen
unmittelbar bei Pluton's Herrscherpalast in ewiger Wonne:


"Laßt gehn uns in die blumigen
Von Rosen erfüllten Auen,
In unserer Weise dort
In lieblichsten Reigentanz
Zu scherzen, zu dem uns führt
Ein seliges Schicksal.
Denn uns allein ist Sonnenglanz
Und heiteres Licht beschieden,
Dieweil wir geweihet sind
Und fromm in dem Leben uns
Gezeigt gegen Fremdlinge
Und eigene Bürger."

Sie leben da unter Myrtenhainen in frommem Scherz und Spiel, sie
setzen in ungetrübterer Weise fort, was sie einstmals ans den Fluren von
Eleusis gethan, und man muß gestehen, daß diese Schilderung für eine Komödie
ideal genug ist. Aber gibt sie uns die in Eleusis herrschenden Anschauungen
wieder? Sehr wahrscheinlich, was die einzelnen Züge des Bildes betrifft,
den Schlamm mit den Sündern und andrerseits die blumige Wiese bei Plutons
Palast mit den Chören der Geweihten; aber die Deutung dieses Bildes machte
sich eben jeder selbst, und eine authentische gab es nicht. Es wurde bei den
Mysterien nicht gepredigt und nicht gelehrt, sondern hauptsächlich gezeigt,
wovon eben der Hierophant seinen Namen hat, und was dabei gesprochen oder
gesungen wurde, war nicht minder symbolisch als die gezeigten Bilder. So
faßte denn die große Masse alles gröber, äußerlicher, wörtlicher auf, und doch
war auch uoch ein tieferer Sinn darin, den tiefere Gemüther erfassen konnten.
Wer da meinte, daß ein wirklicher Schlcnumpfuhl die Strafe dessen wäre, der
sich nicht habe einweihen lassen, stak in einem verwerflichen Aberglauben, der
ihn weder erhob noch besser machte; und die entsprechende Hoffnung auf ein
vergnügliches Leben im Jenseits, zur Belohnung für sein Fasten und seine
sonstige Theilnahme an der Weihe, die ihm ein Privileginm verschaffte, hatte


Musaios und seines Sohnes Eumolpos, des mythischen Ahnherrn der eleusini-
schen Eumolpiden, war nach Platon's Bericht geschildert, wie die Frommen in
der Unterwelt bekränzt beim Zechgelage säßen und in einer solchen Beschäfti¬
gung und dem entsprechenden Zustande alle Zeit verblieben, als sei, fügt
Platon hinzu, das der schönste Lohn der Tugend, ewige Trunkenheit. Nach
Orpheus aber wohnten die Geweihten nach dem Tode bei den Göttern, während
die Unreinen und Ungerechten ewig im Schlamm und Kothe lagen. Und so
stellt es anch Aristophanes in den Fröschen dar: im Schlamme liegen die,
welche sich gegen einen Gast vergangen, oder gegen ihre Eltern gefrevelt
oder eidbrüchig geworden sind; dagegen die Chöre der Eingeweihten wohnen
unmittelbar bei Pluton's Herrscherpalast in ewiger Wonne:


„Laßt gehn uns in die blumigen
Von Rosen erfüllten Auen,
In unserer Weise dort
In lieblichsten Reigentanz
Zu scherzen, zu dem uns führt
Ein seliges Schicksal.
Denn uns allein ist Sonnenglanz
Und heiteres Licht beschieden,
Dieweil wir geweihet sind
Und fromm in dem Leben uns
Gezeigt gegen Fremdlinge
Und eigene Bürger."

Sie leben da unter Myrtenhainen in frommem Scherz und Spiel, sie
setzen in ungetrübterer Weise fort, was sie einstmals ans den Fluren von
Eleusis gethan, und man muß gestehen, daß diese Schilderung für eine Komödie
ideal genug ist. Aber gibt sie uns die in Eleusis herrschenden Anschauungen
wieder? Sehr wahrscheinlich, was die einzelnen Züge des Bildes betrifft,
den Schlamm mit den Sündern und andrerseits die blumige Wiese bei Plutons
Palast mit den Chören der Geweihten; aber die Deutung dieses Bildes machte
sich eben jeder selbst, und eine authentische gab es nicht. Es wurde bei den
Mysterien nicht gepredigt und nicht gelehrt, sondern hauptsächlich gezeigt,
wovon eben der Hierophant seinen Namen hat, und was dabei gesprochen oder
gesungen wurde, war nicht minder symbolisch als die gezeigten Bilder. So
faßte denn die große Masse alles gröber, äußerlicher, wörtlicher auf, und doch
war auch uoch ein tieferer Sinn darin, den tiefere Gemüther erfassen konnten.
Wer da meinte, daß ein wirklicher Schlcnumpfuhl die Strafe dessen wäre, der
sich nicht habe einweihen lassen, stak in einem verwerflichen Aberglauben, der
ihn weder erhob noch besser machte; und die entsprechende Hoffnung auf ein
vergnügliches Leben im Jenseits, zur Belohnung für sein Fasten und seine
sonstige Theilnahme an der Weihe, die ihm ein Privileginm verschaffte, hatte


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[0378] Musaios und seines Sohnes Eumolpos, des mythischen Ahnherrn der eleusini- schen Eumolpiden, war nach Platon's Bericht geschildert, wie die Frommen in der Unterwelt bekränzt beim Zechgelage säßen und in einer solchen Beschäfti¬ gung und dem entsprechenden Zustande alle Zeit verblieben, als sei, fügt Platon hinzu, das der schönste Lohn der Tugend, ewige Trunkenheit. Nach Orpheus aber wohnten die Geweihten nach dem Tode bei den Göttern, während die Unreinen und Ungerechten ewig im Schlamm und Kothe lagen. Und so stellt es anch Aristophanes in den Fröschen dar: im Schlamme liegen die, welche sich gegen einen Gast vergangen, oder gegen ihre Eltern gefrevelt oder eidbrüchig geworden sind; dagegen die Chöre der Eingeweihten wohnen unmittelbar bei Pluton's Herrscherpalast in ewiger Wonne: „Laßt gehn uns in die blumigen Von Rosen erfüllten Auen, In unserer Weise dort In lieblichsten Reigentanz Zu scherzen, zu dem uns führt Ein seliges Schicksal. Denn uns allein ist Sonnenglanz Und heiteres Licht beschieden, Dieweil wir geweihet sind Und fromm in dem Leben uns Gezeigt gegen Fremdlinge Und eigene Bürger." Sie leben da unter Myrtenhainen in frommem Scherz und Spiel, sie setzen in ungetrübterer Weise fort, was sie einstmals ans den Fluren von Eleusis gethan, und man muß gestehen, daß diese Schilderung für eine Komödie ideal genug ist. Aber gibt sie uns die in Eleusis herrschenden Anschauungen wieder? Sehr wahrscheinlich, was die einzelnen Züge des Bildes betrifft, den Schlamm mit den Sündern und andrerseits die blumige Wiese bei Plutons Palast mit den Chören der Geweihten; aber die Deutung dieses Bildes machte sich eben jeder selbst, und eine authentische gab es nicht. Es wurde bei den Mysterien nicht gepredigt und nicht gelehrt, sondern hauptsächlich gezeigt, wovon eben der Hierophant seinen Namen hat, und was dabei gesprochen oder gesungen wurde, war nicht minder symbolisch als die gezeigten Bilder. So faßte denn die große Masse alles gröber, äußerlicher, wörtlicher auf, und doch war auch uoch ein tieferer Sinn darin, den tiefere Gemüther erfassen konnten. Wer da meinte, daß ein wirklicher Schlcnumpfuhl die Strafe dessen wäre, der sich nicht habe einweihen lassen, stak in einem verwerflichen Aberglauben, der ihn weder erhob noch besser machte; und die entsprechende Hoffnung auf ein vergnügliches Leben im Jenseits, zur Belohnung für sein Fasten und seine sonstige Theilnahme an der Weihe, die ihm ein Privileginm verschaffte, hatte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/378>, abgerufen am 25.08.2024.