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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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befand, im übrigen schroffe Felsabhänge waren. In dem Portal, dessen Fu߬
boden vollkommen gut erhalten ist, hat man Spuren eigenthümlicher Vorrich¬
tungen entdeckt. Der Boden ist nämlich auf eine ziemliche Strecke bis zu der
Stelle, wo die massiven Thorflügel waren, bis zu 16 Zoll ansteigend, und es
Ziehen sich durch diese geneigte Fläche tiefe Rinnen, von dem Beginne der
Steigung bis zur Stelle der Thorflügel, sodaß hier sicher eine Art Maschinerie
gewesen ist, deren Rollen sich in den Rinnen bewegten. War man nun durch
dieses Thor hineingeführt, so befand man sich in einem weiten freien Raume,
in dessen Mitte der außerordentlich große mystische Demetertempel lag; der
Eingang desselben war indeß nicht auf der dem beschriebenen Portal gegen¬
überliegenden, sondern an der linken Seite. Das ursprüngliche Gebäude, wie
es unter Perikles aufgeführt war, hatte außen keine Säulen, sondern überall
glatte Mauern, die bei einer Dicke von 6 Fuß auswendig auf beiden Seiten
aus einer Bekleidung von grauem eleusinischen Kalkstein, inwendig aber aus
einer porösen Steinart bestanden; erst gegen Ende des folgenden Jahrhunderts
wurde auf der Eingangsseite eine von zwölf Säulen getragene Vorhalle ange¬
baut. Der innere Tempelraum bildete ein Quadrat zu 166 Fuß, und war
der Quere von vier Säulenstellungen durchzogen; darüber waren, ähnlich
wie im Parthenon, kleinere Säulen, welche das mit Ziegeln ans weißem
Marmor bekleidete Dach trugen. Unter dem Fußboden war eine Krypta, die
irgendwelchen Maschinenvorrichtnngen benutzt sein wird. Leider sind gerade
über den mystischen Tempel die Ergebnisse der Ausgrabungen am unvollstän¬
digsten, indem die hier gelegenen Hütten des modernen Dorfes Lepsina ein¬
gehendere Nachforschungen unmöglich machten. Die angegebene Größe, sonst
für einen griechischen Tempel unerhört, erklärt sich aus der einzigartigen Be¬
stimmung des Gebäudes, indem es nicht nur das Wohnhaus der Göttin, son¬
dern auch, ähnlich unsern Gotteshäusern, der Versammlungsort für die Gemeinde
der Eingeweihten war; dazu ließ es sich auch, der Schaustellungen wegen, mit
einem Theater vergleichen, und hatte eben darum, wie der Geograph Strabo
s"ge, die Ausdehnung eines solchen.

Es fand nun übrigens keineswegs die ganze eleusinische Feier innerhalb dieses
Tempelbezirks statt, sondern ein großer Theil auch außerhalb, auf den Wiesen und
Auren, die sich zumMeere hin erstreckten, auf denen nach attischer Sage Persephone
die Blumen gesammelt hatte, als sie von Pluton geraubt wurde. Wir werden
Uns nicht wundern, daß über alles, was in Eleusis erfolgte, uns vollends sehr
spärliche Nachrichten zugekommen sind; denn so groß war die Scheu vor dein
Mysterium und den beiden Göttinnen, daß man auch das, was gar nicht Geheimniß
'var, zu verschweigen vorzog, ja daß Pausanias in seiner Beschreibung von Griechen¬
land sogar über die Gebäude reinen Mund halten zu müssen glaubt, gemahnt wie er


Grenzboten IV. 1"77. ^

befand, im übrigen schroffe Felsabhänge waren. In dem Portal, dessen Fu߬
boden vollkommen gut erhalten ist, hat man Spuren eigenthümlicher Vorrich¬
tungen entdeckt. Der Boden ist nämlich auf eine ziemliche Strecke bis zu der
Stelle, wo die massiven Thorflügel waren, bis zu 16 Zoll ansteigend, und es
Ziehen sich durch diese geneigte Fläche tiefe Rinnen, von dem Beginne der
Steigung bis zur Stelle der Thorflügel, sodaß hier sicher eine Art Maschinerie
gewesen ist, deren Rollen sich in den Rinnen bewegten. War man nun durch
dieses Thor hineingeführt, so befand man sich in einem weiten freien Raume,
in dessen Mitte der außerordentlich große mystische Demetertempel lag; der
Eingang desselben war indeß nicht auf der dem beschriebenen Portal gegen¬
überliegenden, sondern an der linken Seite. Das ursprüngliche Gebäude, wie
es unter Perikles aufgeführt war, hatte außen keine Säulen, sondern überall
glatte Mauern, die bei einer Dicke von 6 Fuß auswendig auf beiden Seiten
aus einer Bekleidung von grauem eleusinischen Kalkstein, inwendig aber aus
einer porösen Steinart bestanden; erst gegen Ende des folgenden Jahrhunderts
wurde auf der Eingangsseite eine von zwölf Säulen getragene Vorhalle ange¬
baut. Der innere Tempelraum bildete ein Quadrat zu 166 Fuß, und war
der Quere von vier Säulenstellungen durchzogen; darüber waren, ähnlich
wie im Parthenon, kleinere Säulen, welche das mit Ziegeln ans weißem
Marmor bekleidete Dach trugen. Unter dem Fußboden war eine Krypta, die
irgendwelchen Maschinenvorrichtnngen benutzt sein wird. Leider sind gerade
über den mystischen Tempel die Ergebnisse der Ausgrabungen am unvollstän¬
digsten, indem die hier gelegenen Hütten des modernen Dorfes Lepsina ein¬
gehendere Nachforschungen unmöglich machten. Die angegebene Größe, sonst
für einen griechischen Tempel unerhört, erklärt sich aus der einzigartigen Be¬
stimmung des Gebäudes, indem es nicht nur das Wohnhaus der Göttin, son¬
dern auch, ähnlich unsern Gotteshäusern, der Versammlungsort für die Gemeinde
der Eingeweihten war; dazu ließ es sich auch, der Schaustellungen wegen, mit
einem Theater vergleichen, und hatte eben darum, wie der Geograph Strabo
s"ge, die Ausdehnung eines solchen.

Es fand nun übrigens keineswegs die ganze eleusinische Feier innerhalb dieses
Tempelbezirks statt, sondern ein großer Theil auch außerhalb, auf den Wiesen und
Auren, die sich zumMeere hin erstreckten, auf denen nach attischer Sage Persephone
die Blumen gesammelt hatte, als sie von Pluton geraubt wurde. Wir werden
Uns nicht wundern, daß über alles, was in Eleusis erfolgte, uns vollends sehr
spärliche Nachrichten zugekommen sind; denn so groß war die Scheu vor dein
Mysterium und den beiden Göttinnen, daß man auch das, was gar nicht Geheimniß
'var, zu verschweigen vorzog, ja daß Pausanias in seiner Beschreibung von Griechen¬
land sogar über die Gebäude reinen Mund halten zu müssen glaubt, gemahnt wie er


Grenzboten IV. 1»77. ^
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[0373] befand, im übrigen schroffe Felsabhänge waren. In dem Portal, dessen Fu߬ boden vollkommen gut erhalten ist, hat man Spuren eigenthümlicher Vorrich¬ tungen entdeckt. Der Boden ist nämlich auf eine ziemliche Strecke bis zu der Stelle, wo die massiven Thorflügel waren, bis zu 16 Zoll ansteigend, und es Ziehen sich durch diese geneigte Fläche tiefe Rinnen, von dem Beginne der Steigung bis zur Stelle der Thorflügel, sodaß hier sicher eine Art Maschinerie gewesen ist, deren Rollen sich in den Rinnen bewegten. War man nun durch dieses Thor hineingeführt, so befand man sich in einem weiten freien Raume, in dessen Mitte der außerordentlich große mystische Demetertempel lag; der Eingang desselben war indeß nicht auf der dem beschriebenen Portal gegen¬ überliegenden, sondern an der linken Seite. Das ursprüngliche Gebäude, wie es unter Perikles aufgeführt war, hatte außen keine Säulen, sondern überall glatte Mauern, die bei einer Dicke von 6 Fuß auswendig auf beiden Seiten aus einer Bekleidung von grauem eleusinischen Kalkstein, inwendig aber aus einer porösen Steinart bestanden; erst gegen Ende des folgenden Jahrhunderts wurde auf der Eingangsseite eine von zwölf Säulen getragene Vorhalle ange¬ baut. Der innere Tempelraum bildete ein Quadrat zu 166 Fuß, und war der Quere von vier Säulenstellungen durchzogen; darüber waren, ähnlich wie im Parthenon, kleinere Säulen, welche das mit Ziegeln ans weißem Marmor bekleidete Dach trugen. Unter dem Fußboden war eine Krypta, die irgendwelchen Maschinenvorrichtnngen benutzt sein wird. Leider sind gerade über den mystischen Tempel die Ergebnisse der Ausgrabungen am unvollstän¬ digsten, indem die hier gelegenen Hütten des modernen Dorfes Lepsina ein¬ gehendere Nachforschungen unmöglich machten. Die angegebene Größe, sonst für einen griechischen Tempel unerhört, erklärt sich aus der einzigartigen Be¬ stimmung des Gebäudes, indem es nicht nur das Wohnhaus der Göttin, son¬ dern auch, ähnlich unsern Gotteshäusern, der Versammlungsort für die Gemeinde der Eingeweihten war; dazu ließ es sich auch, der Schaustellungen wegen, mit einem Theater vergleichen, und hatte eben darum, wie der Geograph Strabo s"ge, die Ausdehnung eines solchen. Es fand nun übrigens keineswegs die ganze eleusinische Feier innerhalb dieses Tempelbezirks statt, sondern ein großer Theil auch außerhalb, auf den Wiesen und Auren, die sich zumMeere hin erstreckten, auf denen nach attischer Sage Persephone die Blumen gesammelt hatte, als sie von Pluton geraubt wurde. Wir werden Uns nicht wundern, daß über alles, was in Eleusis erfolgte, uns vollends sehr spärliche Nachrichten zugekommen sind; denn so groß war die Scheu vor dein Mysterium und den beiden Göttinnen, daß man auch das, was gar nicht Geheimniß 'var, zu verschweigen vorzog, ja daß Pausanias in seiner Beschreibung von Griechen¬ land sogar über die Gebäude reinen Mund halten zu müssen glaubt, gemahnt wie er Grenzboten IV. 1»77. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/373>, abgerufen am 25.08.2024.