Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zusammenzutreten, welche den Zweck hatte, alle telegraphischen Neuigkeiten ihren
Theilnehmern auf gemeinschaftliche Kosten zugänglich zu machen.

Das Zeitungswesen in Amerika zeigt von allen öffentlichen Erscheinungen
daselbst die raschesten Fortschritte auf. Zeitungen werden hier eben von aller
Welt gelesen. Viele Männer und Frauen lesen kaum etwas Anderes. Einst
ein Gegenstand des Luxus, sind die Erscheinungen der periodischen Presse heut¬
zutage für alle, die lesen können, so nothwendig wie das tägliche Brot; einst
ein Mittel zur Befriedigung der Neugier, find sie jetzt ein unentbehrliches
Bildungsmittel. Alle Stände und Berufsarten bedürfen ihrer. Der Politiker
hat sie zur Ausbreitung und Vertheidigung seiner Grundsätze nöthig, die Parteien
brauchen sie zur Beeinflussung und Gewinnung der öffentlichen Meinung, die
Kirchen und Sekten machen mit ihnen für ihre Dogmen Propaganda, Gewerbe¬
treibende, Kaufleute und Genossenschaften von solchen lassen sich von ihnen
anzeigen und empfehlen, und alles das geschieht in Amerika in viel energischerer
und ausgedehnterer Weise als bei uus.

Der Vertrieb der Zeitungen geschieht großentheils durch Kolportage, und
die Zahl der Knaben, welche dieß besorgen (Xevsoo^s) ist Legion. Jeder
Omnibus, jedes Trottoir, jedes Vergnügungslokal wimmelt von ihnen. Die
Streetears sind wandernde Lesekabinete. Keine Zeitung kaufen zu können, gilt
als Gipfel der Armuth und Entbehrung. In jedem bedeutenderen Bahnhofe,
jedem Hotel liegen Massen von Zeitungen zum Verkaufe auf. Von größeren
Blättern erscheinen an einem Tage oft vier bis fünf Auflagen, die unter
Wiedergabe des Inhalts der ersten zuletzt die soeben eingetroffenen Neuigkeiten
bringen. Am Tage der Präsidentenwahl bilden die Redaktionen und Druckereien
der leitenden Parteiblätter einen Versammlungsort, der Hunderte von Politikern
die Nacht hindurch festhält, welche von den Parteigenossen aus allen Orten des
Landes Telegramme über deu Verlauf der Wahlen erhalten.

Man nimmt meist an, daß der Werth der Anzeigespalten der Größe der
Auflage entspreche, und das ist zwar richtig, aber es kommen auch andere Momente
in Betracht. Anzeigen und Zeitungen mit starker Auflage kosten, wenn jene
Tagesblätter sind, pro Zeile einen halben, wenn sie Wochenblätter find, einen
ganzen Cent für jedes Tausend von Exemplaren, so daß man z. B. für eine
Anzeige in einem täglich erscheinenden Blatte mit einer Auflage von viertausend
Exemplaren pro Zeile zwei, bei einem solchen mit einer Auflage von zwanzig¬
tausend Exemplaren zehn Cent zu entrichten haben würde. In Zeitungen mit
geringerer Auflage müssen die Herausgeber für Anzeigen, die nur ein paar
Mal eingerückt werden, einen größeren Preis verlangen. Die Ansicht, daß die
englischen Zeitungen mehr mit Anzeigen unterstützt würden, als die amerikanischen,
ist ein Irrthum. Die letzteren haben nicht nur mehr Anzeigen als die englischen


zusammenzutreten, welche den Zweck hatte, alle telegraphischen Neuigkeiten ihren
Theilnehmern auf gemeinschaftliche Kosten zugänglich zu machen.

Das Zeitungswesen in Amerika zeigt von allen öffentlichen Erscheinungen
daselbst die raschesten Fortschritte auf. Zeitungen werden hier eben von aller
Welt gelesen. Viele Männer und Frauen lesen kaum etwas Anderes. Einst
ein Gegenstand des Luxus, sind die Erscheinungen der periodischen Presse heut¬
zutage für alle, die lesen können, so nothwendig wie das tägliche Brot; einst
ein Mittel zur Befriedigung der Neugier, find sie jetzt ein unentbehrliches
Bildungsmittel. Alle Stände und Berufsarten bedürfen ihrer. Der Politiker
hat sie zur Ausbreitung und Vertheidigung seiner Grundsätze nöthig, die Parteien
brauchen sie zur Beeinflussung und Gewinnung der öffentlichen Meinung, die
Kirchen und Sekten machen mit ihnen für ihre Dogmen Propaganda, Gewerbe¬
treibende, Kaufleute und Genossenschaften von solchen lassen sich von ihnen
anzeigen und empfehlen, und alles das geschieht in Amerika in viel energischerer
und ausgedehnterer Weise als bei uus.

Der Vertrieb der Zeitungen geschieht großentheils durch Kolportage, und
die Zahl der Knaben, welche dieß besorgen (Xevsoo^s) ist Legion. Jeder
Omnibus, jedes Trottoir, jedes Vergnügungslokal wimmelt von ihnen. Die
Streetears sind wandernde Lesekabinete. Keine Zeitung kaufen zu können, gilt
als Gipfel der Armuth und Entbehrung. In jedem bedeutenderen Bahnhofe,
jedem Hotel liegen Massen von Zeitungen zum Verkaufe auf. Von größeren
Blättern erscheinen an einem Tage oft vier bis fünf Auflagen, die unter
Wiedergabe des Inhalts der ersten zuletzt die soeben eingetroffenen Neuigkeiten
bringen. Am Tage der Präsidentenwahl bilden die Redaktionen und Druckereien
der leitenden Parteiblätter einen Versammlungsort, der Hunderte von Politikern
die Nacht hindurch festhält, welche von den Parteigenossen aus allen Orten des
Landes Telegramme über deu Verlauf der Wahlen erhalten.

Man nimmt meist an, daß der Werth der Anzeigespalten der Größe der
Auflage entspreche, und das ist zwar richtig, aber es kommen auch andere Momente
in Betracht. Anzeigen und Zeitungen mit starker Auflage kosten, wenn jene
Tagesblätter sind, pro Zeile einen halben, wenn sie Wochenblätter find, einen
ganzen Cent für jedes Tausend von Exemplaren, so daß man z. B. für eine
Anzeige in einem täglich erscheinenden Blatte mit einer Auflage von viertausend
Exemplaren pro Zeile zwei, bei einem solchen mit einer Auflage von zwanzig¬
tausend Exemplaren zehn Cent zu entrichten haben würde. In Zeitungen mit
geringerer Auflage müssen die Herausgeber für Anzeigen, die nur ein paar
Mal eingerückt werden, einen größeren Preis verlangen. Die Ansicht, daß die
englischen Zeitungen mehr mit Anzeigen unterstützt würden, als die amerikanischen,
ist ein Irrthum. Die letzteren haben nicht nur mehr Anzeigen als die englischen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138794"/>
          <p xml:id="ID_85" prev="#ID_84"> zusammenzutreten, welche den Zweck hatte, alle telegraphischen Neuigkeiten ihren<lb/>
Theilnehmern auf gemeinschaftliche Kosten zugänglich zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_86"> Das Zeitungswesen in Amerika zeigt von allen öffentlichen Erscheinungen<lb/>
daselbst die raschesten Fortschritte auf. Zeitungen werden hier eben von aller<lb/>
Welt gelesen. Viele Männer und Frauen lesen kaum etwas Anderes. Einst<lb/>
ein Gegenstand des Luxus, sind die Erscheinungen der periodischen Presse heut¬<lb/>
zutage für alle, die lesen können, so nothwendig wie das tägliche Brot; einst<lb/>
ein Mittel zur Befriedigung der Neugier, find sie jetzt ein unentbehrliches<lb/>
Bildungsmittel. Alle Stände und Berufsarten bedürfen ihrer. Der Politiker<lb/>
hat sie zur Ausbreitung und Vertheidigung seiner Grundsätze nöthig, die Parteien<lb/>
brauchen sie zur Beeinflussung und Gewinnung der öffentlichen Meinung, die<lb/>
Kirchen und Sekten machen mit ihnen für ihre Dogmen Propaganda, Gewerbe¬<lb/>
treibende, Kaufleute und Genossenschaften von solchen lassen sich von ihnen<lb/>
anzeigen und empfehlen, und alles das geschieht in Amerika in viel energischerer<lb/>
und ausgedehnterer Weise als bei uus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_87"> Der Vertrieb der Zeitungen geschieht großentheils durch Kolportage, und<lb/>
die Zahl der Knaben, welche dieß besorgen (Xevsoo^s) ist Legion. Jeder<lb/>
Omnibus, jedes Trottoir, jedes Vergnügungslokal wimmelt von ihnen. Die<lb/>
Streetears sind wandernde Lesekabinete. Keine Zeitung kaufen zu können, gilt<lb/>
als Gipfel der Armuth und Entbehrung. In jedem bedeutenderen Bahnhofe,<lb/>
jedem Hotel liegen Massen von Zeitungen zum Verkaufe auf. Von größeren<lb/>
Blättern erscheinen an einem Tage oft vier bis fünf Auflagen, die unter<lb/>
Wiedergabe des Inhalts der ersten zuletzt die soeben eingetroffenen Neuigkeiten<lb/>
bringen. Am Tage der Präsidentenwahl bilden die Redaktionen und Druckereien<lb/>
der leitenden Parteiblätter einen Versammlungsort, der Hunderte von Politikern<lb/>
die Nacht hindurch festhält, welche von den Parteigenossen aus allen Orten des<lb/>
Landes Telegramme über deu Verlauf der Wahlen erhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_88" next="#ID_89"> Man nimmt meist an, daß der Werth der Anzeigespalten der Größe der<lb/>
Auflage entspreche, und das ist zwar richtig, aber es kommen auch andere Momente<lb/>
in Betracht. Anzeigen und Zeitungen mit starker Auflage kosten, wenn jene<lb/>
Tagesblätter sind, pro Zeile einen halben, wenn sie Wochenblätter find, einen<lb/>
ganzen Cent für jedes Tausend von Exemplaren, so daß man z. B. für eine<lb/>
Anzeige in einem täglich erscheinenden Blatte mit einer Auflage von viertausend<lb/>
Exemplaren pro Zeile zwei, bei einem solchen mit einer Auflage von zwanzig¬<lb/>
tausend Exemplaren zehn Cent zu entrichten haben würde. In Zeitungen mit<lb/>
geringerer Auflage müssen die Herausgeber für Anzeigen, die nur ein paar<lb/>
Mal eingerückt werden, einen größeren Preis verlangen. Die Ansicht, daß die<lb/>
englischen Zeitungen mehr mit Anzeigen unterstützt würden, als die amerikanischen,<lb/>
ist ein Irrthum. Die letzteren haben nicht nur mehr Anzeigen als die englischen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] zusammenzutreten, welche den Zweck hatte, alle telegraphischen Neuigkeiten ihren Theilnehmern auf gemeinschaftliche Kosten zugänglich zu machen. Das Zeitungswesen in Amerika zeigt von allen öffentlichen Erscheinungen daselbst die raschesten Fortschritte auf. Zeitungen werden hier eben von aller Welt gelesen. Viele Männer und Frauen lesen kaum etwas Anderes. Einst ein Gegenstand des Luxus, sind die Erscheinungen der periodischen Presse heut¬ zutage für alle, die lesen können, so nothwendig wie das tägliche Brot; einst ein Mittel zur Befriedigung der Neugier, find sie jetzt ein unentbehrliches Bildungsmittel. Alle Stände und Berufsarten bedürfen ihrer. Der Politiker hat sie zur Ausbreitung und Vertheidigung seiner Grundsätze nöthig, die Parteien brauchen sie zur Beeinflussung und Gewinnung der öffentlichen Meinung, die Kirchen und Sekten machen mit ihnen für ihre Dogmen Propaganda, Gewerbe¬ treibende, Kaufleute und Genossenschaften von solchen lassen sich von ihnen anzeigen und empfehlen, und alles das geschieht in Amerika in viel energischerer und ausgedehnterer Weise als bei uus. Der Vertrieb der Zeitungen geschieht großentheils durch Kolportage, und die Zahl der Knaben, welche dieß besorgen (Xevsoo^s) ist Legion. Jeder Omnibus, jedes Trottoir, jedes Vergnügungslokal wimmelt von ihnen. Die Streetears sind wandernde Lesekabinete. Keine Zeitung kaufen zu können, gilt als Gipfel der Armuth und Entbehrung. In jedem bedeutenderen Bahnhofe, jedem Hotel liegen Massen von Zeitungen zum Verkaufe auf. Von größeren Blättern erscheinen an einem Tage oft vier bis fünf Auflagen, die unter Wiedergabe des Inhalts der ersten zuletzt die soeben eingetroffenen Neuigkeiten bringen. Am Tage der Präsidentenwahl bilden die Redaktionen und Druckereien der leitenden Parteiblätter einen Versammlungsort, der Hunderte von Politikern die Nacht hindurch festhält, welche von den Parteigenossen aus allen Orten des Landes Telegramme über deu Verlauf der Wahlen erhalten. Man nimmt meist an, daß der Werth der Anzeigespalten der Größe der Auflage entspreche, und das ist zwar richtig, aber es kommen auch andere Momente in Betracht. Anzeigen und Zeitungen mit starker Auflage kosten, wenn jene Tagesblätter sind, pro Zeile einen halben, wenn sie Wochenblätter find, einen ganzen Cent für jedes Tausend von Exemplaren, so daß man z. B. für eine Anzeige in einem täglich erscheinenden Blatte mit einer Auflage von viertausend Exemplaren pro Zeile zwei, bei einem solchen mit einer Auflage von zwanzig¬ tausend Exemplaren zehn Cent zu entrichten haben würde. In Zeitungen mit geringerer Auflage müssen die Herausgeber für Anzeigen, die nur ein paar Mal eingerückt werden, einen größeren Preis verlangen. Die Ansicht, daß die englischen Zeitungen mehr mit Anzeigen unterstützt würden, als die amerikanischen, ist ein Irrthum. Die letzteren haben nicht nur mehr Anzeigen als die englischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/35
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/35>, abgerufen am 22.07.2024.