Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sich auch das erste publieistische Auftreten des Verfassers bewegt. Er ist mehrfach
für die sozialistische Partei eingetreten, gegen die polizeilichen Verfolgungen,
die sie trafen, gegen die flachen und schroffen Urtheile, welche ihr auch den
letzten fruchtbaren Keim bestritten. Auf diesen Ausgang der politisch-sozialen
Entwickelung des Verfassers ist es zurückzuführen, daß derselbe gewisse Gestalten
der sozialistischen Geschichte, gewisse Prinzipien derselben, noch hente mit einer
Milde und sanften Zuneigung behandelt, welche wir unversöhnlichen Hasser der
Sozialdemokratie seit ihrem Anbeginn nicht zu theilen vermögen.

Aber andrerseits ist die wachsende Klarheit über den eigenen Irrthum,
die Erkenntniß der unumstößlichen Thatsache, daß mit dein Siege der kom¬
munistisch-internationalen Partei Marx-Bebel-Liebknecht über die aus nationalem
Boden heraufgewachsene Partei Lasalle-Schweizer der deutsche Sozialismus
sich dem modernen Staats- und Kulturleben schlechthin feindlich gegenüber¬
stellte, dem Versasser zugleich die beste Führerin gewesen dnrch das Dunkel von
Schleichwegen, das seine Feder nun so deutlich aus Licht gebracht hat. Kein
Schriftsteller noch hat so klar wie er gezeigt, wie wenig Lasalle in seiner glän¬
zenden, aber kurzen Laufbahn als sozialistischer Agitator um positiven Erfolgen
erreicht, wie fest und kraftvoll dagegen der viel verlachte Schweizer die Erb¬
schaft Lasalles angetreten, wie er lange mit größtem Erfolg den Versuchen
Bebel-Liebknechts, die Arbeitermassen an sich zu reißen, widerstanden, wie dann,
als er seiner Führerschaft überdrüssig, die kleinen Geister, die er an seiner
Srelle hinterlassen, sammt ihrem Anhang rasch eine Beute der rothen Inter¬
nationalen wurden, wie Liebknecht, und insonderheit Bebel unter Liebknechts
Einfluß, cillmählig immer entschiedener dem kommunistischen Ideal entgegen
streben, wie die Führer alle, die in diesen vierzehn Jahren genannt werden,
für sich und in ihrem Zusammen- oder Entgegenwirken sich gehaben.

Das etwa ist der Inhalt des historischen Theils des kleinen verdienstvollen
Buchs. Im kritisch-dogmatischen Theile werden mit derselben Klarheit die so¬
cialistischen Theorien, welche zuerst durch Lasalle wieder agitatorische Gestalt
gewannen, bis auf die jüngsten Tage verfolgt und kritisirt. Lasalles Geschichts-
philosophie, seine absurde Theorie vom ehernen Lohngesetz, seine seltsame
Therapie der sozialen Krankheitserscheinungen, das Verlangen nach Prvduktiv-
"ssoziativnen mit Staatskredit, treten leibhaftig vor uns auf. seinen Ideen
gegenüber, die sobald der immerhin genialen Vertretung ihres Schöpfers ent¬
fachen mußten, werden dann die Statuten der Internationalen und nach diesen
^e verschiedenen Programme vorgeführt und beleuchtet, welche die Partei
Vebel-Liebknecht bisher zu Tage gefördert hat -- nur der .Kongreß von Gent
fehlt in diesem duftigen Kranze -- das Chemnitzer, das Eisenacher, das Gothaer
Programm. Sein Urtheil über die sozialistischen Theorien schließt der Verfasser


sich auch das erste publieistische Auftreten des Verfassers bewegt. Er ist mehrfach
für die sozialistische Partei eingetreten, gegen die polizeilichen Verfolgungen,
die sie trafen, gegen die flachen und schroffen Urtheile, welche ihr auch den
letzten fruchtbaren Keim bestritten. Auf diesen Ausgang der politisch-sozialen
Entwickelung des Verfassers ist es zurückzuführen, daß derselbe gewisse Gestalten
der sozialistischen Geschichte, gewisse Prinzipien derselben, noch hente mit einer
Milde und sanften Zuneigung behandelt, welche wir unversöhnlichen Hasser der
Sozialdemokratie seit ihrem Anbeginn nicht zu theilen vermögen.

Aber andrerseits ist die wachsende Klarheit über den eigenen Irrthum,
die Erkenntniß der unumstößlichen Thatsache, daß mit dein Siege der kom¬
munistisch-internationalen Partei Marx-Bebel-Liebknecht über die aus nationalem
Boden heraufgewachsene Partei Lasalle-Schweizer der deutsche Sozialismus
sich dem modernen Staats- und Kulturleben schlechthin feindlich gegenüber¬
stellte, dem Versasser zugleich die beste Führerin gewesen dnrch das Dunkel von
Schleichwegen, das seine Feder nun so deutlich aus Licht gebracht hat. Kein
Schriftsteller noch hat so klar wie er gezeigt, wie wenig Lasalle in seiner glän¬
zenden, aber kurzen Laufbahn als sozialistischer Agitator um positiven Erfolgen
erreicht, wie fest und kraftvoll dagegen der viel verlachte Schweizer die Erb¬
schaft Lasalles angetreten, wie er lange mit größtem Erfolg den Versuchen
Bebel-Liebknechts, die Arbeitermassen an sich zu reißen, widerstanden, wie dann,
als er seiner Führerschaft überdrüssig, die kleinen Geister, die er an seiner
Srelle hinterlassen, sammt ihrem Anhang rasch eine Beute der rothen Inter¬
nationalen wurden, wie Liebknecht, und insonderheit Bebel unter Liebknechts
Einfluß, cillmählig immer entschiedener dem kommunistischen Ideal entgegen
streben, wie die Führer alle, die in diesen vierzehn Jahren genannt werden,
für sich und in ihrem Zusammen- oder Entgegenwirken sich gehaben.

Das etwa ist der Inhalt des historischen Theils des kleinen verdienstvollen
Buchs. Im kritisch-dogmatischen Theile werden mit derselben Klarheit die so¬
cialistischen Theorien, welche zuerst durch Lasalle wieder agitatorische Gestalt
gewannen, bis auf die jüngsten Tage verfolgt und kritisirt. Lasalles Geschichts-
philosophie, seine absurde Theorie vom ehernen Lohngesetz, seine seltsame
Therapie der sozialen Krankheitserscheinungen, das Verlangen nach Prvduktiv-
"ssoziativnen mit Staatskredit, treten leibhaftig vor uns auf. seinen Ideen
gegenüber, die sobald der immerhin genialen Vertretung ihres Schöpfers ent¬
fachen mußten, werden dann die Statuten der Internationalen und nach diesen
^e verschiedenen Programme vorgeführt und beleuchtet, welche die Partei
Vebel-Liebknecht bisher zu Tage gefördert hat — nur der .Kongreß von Gent
fehlt in diesem duftigen Kranze — das Chemnitzer, das Eisenacher, das Gothaer
Programm. Sein Urtheil über die sozialistischen Theorien schließt der Verfasser


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0323" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139082"/>
            <p xml:id="ID_942" prev="#ID_941"> sich auch das erste publieistische Auftreten des Verfassers bewegt. Er ist mehrfach<lb/>
für die sozialistische Partei eingetreten, gegen die polizeilichen Verfolgungen,<lb/>
die sie trafen, gegen die flachen und schroffen Urtheile, welche ihr auch den<lb/>
letzten fruchtbaren Keim bestritten. Auf diesen Ausgang der politisch-sozialen<lb/>
Entwickelung des Verfassers ist es zurückzuführen, daß derselbe gewisse Gestalten<lb/>
der sozialistischen Geschichte, gewisse Prinzipien derselben, noch hente mit einer<lb/>
Milde und sanften Zuneigung behandelt, welche wir unversöhnlichen Hasser der<lb/>
Sozialdemokratie seit ihrem Anbeginn nicht zu theilen vermögen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_943"> Aber andrerseits ist die wachsende Klarheit über den eigenen Irrthum,<lb/>
die Erkenntniß der unumstößlichen Thatsache, daß mit dein Siege der kom¬<lb/>
munistisch-internationalen Partei Marx-Bebel-Liebknecht über die aus nationalem<lb/>
Boden heraufgewachsene Partei Lasalle-Schweizer der deutsche Sozialismus<lb/>
sich dem modernen Staats- und Kulturleben schlechthin feindlich gegenüber¬<lb/>
stellte, dem Versasser zugleich die beste Führerin gewesen dnrch das Dunkel von<lb/>
Schleichwegen, das seine Feder nun so deutlich aus Licht gebracht hat. Kein<lb/>
Schriftsteller noch hat so klar wie er gezeigt, wie wenig Lasalle in seiner glän¬<lb/>
zenden, aber kurzen Laufbahn als sozialistischer Agitator um positiven Erfolgen<lb/>
erreicht, wie fest und kraftvoll dagegen der viel verlachte Schweizer die Erb¬<lb/>
schaft Lasalles angetreten, wie er lange mit größtem Erfolg den Versuchen<lb/>
Bebel-Liebknechts, die Arbeitermassen an sich zu reißen, widerstanden, wie dann,<lb/>
als er seiner Führerschaft überdrüssig, die kleinen Geister, die er an seiner<lb/>
Srelle hinterlassen, sammt ihrem Anhang rasch eine Beute der rothen Inter¬<lb/>
nationalen wurden, wie Liebknecht, und insonderheit Bebel unter Liebknechts<lb/>
Einfluß, cillmählig immer entschiedener dem kommunistischen Ideal entgegen<lb/>
streben, wie die Führer alle, die in diesen vierzehn Jahren genannt werden,<lb/>
für sich und in ihrem Zusammen- oder Entgegenwirken sich gehaben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_944" next="#ID_945"> Das etwa ist der Inhalt des historischen Theils des kleinen verdienstvollen<lb/>
Buchs. Im kritisch-dogmatischen Theile werden mit derselben Klarheit die so¬<lb/>
cialistischen Theorien, welche zuerst durch Lasalle wieder agitatorische Gestalt<lb/>
gewannen, bis auf die jüngsten Tage verfolgt und kritisirt. Lasalles Geschichts-<lb/>
philosophie, seine absurde Theorie vom ehernen Lohngesetz, seine seltsame<lb/>
Therapie der sozialen Krankheitserscheinungen, das Verlangen nach Prvduktiv-<lb/>
"ssoziativnen mit Staatskredit, treten leibhaftig vor uns auf. seinen Ideen<lb/>
gegenüber, die sobald der immerhin genialen Vertretung ihres Schöpfers ent¬<lb/>
fachen mußten, werden dann die Statuten der Internationalen und nach diesen<lb/>
^e verschiedenen Programme vorgeführt und beleuchtet, welche die Partei<lb/>
Vebel-Liebknecht bisher zu Tage gefördert hat &#x2014; nur der .Kongreß von Gent<lb/>
fehlt in diesem duftigen Kranze &#x2014; das Chemnitzer, das Eisenacher, das Gothaer<lb/>
Programm. Sein Urtheil über die sozialistischen Theorien schließt der Verfasser</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0323] sich auch das erste publieistische Auftreten des Verfassers bewegt. Er ist mehrfach für die sozialistische Partei eingetreten, gegen die polizeilichen Verfolgungen, die sie trafen, gegen die flachen und schroffen Urtheile, welche ihr auch den letzten fruchtbaren Keim bestritten. Auf diesen Ausgang der politisch-sozialen Entwickelung des Verfassers ist es zurückzuführen, daß derselbe gewisse Gestalten der sozialistischen Geschichte, gewisse Prinzipien derselben, noch hente mit einer Milde und sanften Zuneigung behandelt, welche wir unversöhnlichen Hasser der Sozialdemokratie seit ihrem Anbeginn nicht zu theilen vermögen. Aber andrerseits ist die wachsende Klarheit über den eigenen Irrthum, die Erkenntniß der unumstößlichen Thatsache, daß mit dein Siege der kom¬ munistisch-internationalen Partei Marx-Bebel-Liebknecht über die aus nationalem Boden heraufgewachsene Partei Lasalle-Schweizer der deutsche Sozialismus sich dem modernen Staats- und Kulturleben schlechthin feindlich gegenüber¬ stellte, dem Versasser zugleich die beste Führerin gewesen dnrch das Dunkel von Schleichwegen, das seine Feder nun so deutlich aus Licht gebracht hat. Kein Schriftsteller noch hat so klar wie er gezeigt, wie wenig Lasalle in seiner glän¬ zenden, aber kurzen Laufbahn als sozialistischer Agitator um positiven Erfolgen erreicht, wie fest und kraftvoll dagegen der viel verlachte Schweizer die Erb¬ schaft Lasalles angetreten, wie er lange mit größtem Erfolg den Versuchen Bebel-Liebknechts, die Arbeitermassen an sich zu reißen, widerstanden, wie dann, als er seiner Führerschaft überdrüssig, die kleinen Geister, die er an seiner Srelle hinterlassen, sammt ihrem Anhang rasch eine Beute der rothen Inter¬ nationalen wurden, wie Liebknecht, und insonderheit Bebel unter Liebknechts Einfluß, cillmählig immer entschiedener dem kommunistischen Ideal entgegen streben, wie die Führer alle, die in diesen vierzehn Jahren genannt werden, für sich und in ihrem Zusammen- oder Entgegenwirken sich gehaben. Das etwa ist der Inhalt des historischen Theils des kleinen verdienstvollen Buchs. Im kritisch-dogmatischen Theile werden mit derselben Klarheit die so¬ cialistischen Theorien, welche zuerst durch Lasalle wieder agitatorische Gestalt gewannen, bis auf die jüngsten Tage verfolgt und kritisirt. Lasalles Geschichts- philosophie, seine absurde Theorie vom ehernen Lohngesetz, seine seltsame Therapie der sozialen Krankheitserscheinungen, das Verlangen nach Prvduktiv- "ssoziativnen mit Staatskredit, treten leibhaftig vor uns auf. seinen Ideen gegenüber, die sobald der immerhin genialen Vertretung ihres Schöpfers ent¬ fachen mußten, werden dann die Statuten der Internationalen und nach diesen ^e verschiedenen Programme vorgeführt und beleuchtet, welche die Partei Vebel-Liebknecht bisher zu Tage gefördert hat — nur der .Kongreß von Gent fehlt in diesem duftigen Kranze — das Chemnitzer, das Eisenacher, das Gothaer Programm. Sein Urtheil über die sozialistischen Theorien schließt der Verfasser

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/323
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/323>, abgerufen am 28.06.2024.