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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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beispielsweise die Schilderung von der Aussicht, die Weilenmann auf dem
Bietschhorn (3953 M.) genoß.

"Gelungener hätte geradezu die Fahrt uicht ausfalle" können. Die Luft
war still, die Temperatur mild, der Himmel von vollendeter Klarheit. Die
Isolirtheit, die günstige Lage des Bietschhorns -- in Mitte zwischen Beruer-
und Walliseralpen -- seine rasche Abtiefung, nicht bloß nach öden, unwirthlichen
Hochthälern, sondern nach dem farbenwarmen, reichbewohnten Tiefland, das
nicht erdrückt würd vom Gebirge und ausgeschlossen von der Rundschau, son¬
dern harmonisch sich verflicht mit dem endlos ragenden Zackenheer, mit den
blinkenden Firubreiteu -- Alles das bedingt einen Ausblick von seltener Er¬
habenheit und wohlthuendsten Gesamiuteffekt, wie er vielleicht ohne Gleichen
in deu Alpe". Klar liegt vor uns die ganze Bernerkette -- ihr östliches
weites Hauptkvmplex nur zu gedrüugt, nicht im Stande zur Geltung zu kommen.
Ganz entfaltet tritt nnr das Aletschhvrn uns entgegen, seinen Rivalen, das
Finsteraarhorn, wie neidisch verdeckend bis ans seinen schmalen, nördlichen Saum.
Um so vollendeter in ihrer Entfaltung -- ein Anblick von wunderbarer Pracht
- sieht mau von den Hohen des Gotthard bis zum Mont Blaue die Walliser-
kette prangen, jede ihrer Gruppen voll der andern getrennt, gedrungen, in iiu-
pouireuder Selbständigkeit auftretend -- uicht das unschöne Gewirre, das sie
bietet, von manchen ihrer eigenen Höhen aus gesehen. An Schönheit unüber¬
troffen steht das Weißdorn da, während das Matterhorn hinter ihm Ver-
steckens spielt. Bis Martiguy liegt das Nhouethal weit erschlossen zu Füßen,
alle seine Einzelheiten scharf hervortretend in der grellen Mittagsbeleuchtung.
Nur hinter der Bernerkette, über dem nördlichen Tiefland sieht man Wollen
schweben."

Der Blick von: Matterhorn, als Weileniuanu zum dritten Mal, das erste
Mal erfolgreich, am 6. August 1873, in Gesellschaft eines Verwandten des
kläglichen Lyvners vom Vorjahr,, dem hohen Gebirgsaltar zupilgertewird also
beschrieben: "Unsagbar schön prangt in den Gluthen der Abendsonne dieMonterosa-
Grnpve. Wie neidisch auf das Praugeu, wirft breit das Matterhorn seinen
blauvioletten Schatten über die purpnrgetrnnkten Firnhänge. Zerklüftete, glatte,
Sanftwellige Partien wechseln mannigfach an ihnen, schimmern in zauberischen
Schatten- und Lichtreflexen. Vou Gold in Rosa, dann in Violet, und wie
frostig das Zwielicht zu grauen beginnt, in kaltes Azur hat sich der Himmel
abgestuft. Ein wunderbares phosphvreszirendes Leuchten liegt auf den Schnee¬
geländen des Mvutervsa und Breithorns .... dann steigt die Mondnacht
herauf, zu neuem Glänze das Bild erweckend, es umwebend mit ihrem ergeisti-
genden Zauber. Bewunderung, Entzücken hielten stumm uns gebannt, während
die Szene dieser Wandelungen unterging. Da plötzlich leidet es meinen Ge-


beispielsweise die Schilderung von der Aussicht, die Weilenmann auf dem
Bietschhorn (3953 M.) genoß.

„Gelungener hätte geradezu die Fahrt uicht ausfalle» können. Die Luft
war still, die Temperatur mild, der Himmel von vollendeter Klarheit. Die
Isolirtheit, die günstige Lage des Bietschhorns — in Mitte zwischen Beruer-
und Walliseralpen — seine rasche Abtiefung, nicht bloß nach öden, unwirthlichen
Hochthälern, sondern nach dem farbenwarmen, reichbewohnten Tiefland, das
nicht erdrückt würd vom Gebirge und ausgeschlossen von der Rundschau, son¬
dern harmonisch sich verflicht mit dem endlos ragenden Zackenheer, mit den
blinkenden Firubreiteu — Alles das bedingt einen Ausblick von seltener Er¬
habenheit und wohlthuendsten Gesamiuteffekt, wie er vielleicht ohne Gleichen
in deu Alpe«. Klar liegt vor uns die ganze Bernerkette — ihr östliches
weites Hauptkvmplex nur zu gedrüugt, nicht im Stande zur Geltung zu kommen.
Ganz entfaltet tritt nnr das Aletschhvrn uns entgegen, seinen Rivalen, das
Finsteraarhorn, wie neidisch verdeckend bis ans seinen schmalen, nördlichen Saum.
Um so vollendeter in ihrer Entfaltung — ein Anblick von wunderbarer Pracht
- sieht mau von den Hohen des Gotthard bis zum Mont Blaue die Walliser-
kette prangen, jede ihrer Gruppen voll der andern getrennt, gedrungen, in iiu-
pouireuder Selbständigkeit auftretend — uicht das unschöne Gewirre, das sie
bietet, von manchen ihrer eigenen Höhen aus gesehen. An Schönheit unüber¬
troffen steht das Weißdorn da, während das Matterhorn hinter ihm Ver-
steckens spielt. Bis Martiguy liegt das Nhouethal weit erschlossen zu Füßen,
alle seine Einzelheiten scharf hervortretend in der grellen Mittagsbeleuchtung.
Nur hinter der Bernerkette, über dem nördlichen Tiefland sieht man Wollen
schweben."

Der Blick von: Matterhorn, als Weileniuanu zum dritten Mal, das erste
Mal erfolgreich, am 6. August 1873, in Gesellschaft eines Verwandten des
kläglichen Lyvners vom Vorjahr,, dem hohen Gebirgsaltar zupilgertewird also
beschrieben: „Unsagbar schön prangt in den Gluthen der Abendsonne dieMonterosa-
Grnpve. Wie neidisch auf das Praugeu, wirft breit das Matterhorn seinen
blauvioletten Schatten über die purpnrgetrnnkten Firnhänge. Zerklüftete, glatte,
Sanftwellige Partien wechseln mannigfach an ihnen, schimmern in zauberischen
Schatten- und Lichtreflexen. Vou Gold in Rosa, dann in Violet, und wie
frostig das Zwielicht zu grauen beginnt, in kaltes Azur hat sich der Himmel
abgestuft. Ein wunderbares phosphvreszirendes Leuchten liegt auf den Schnee¬
geländen des Mvutervsa und Breithorns .... dann steigt die Mondnacht
herauf, zu neuem Glänze das Bild erweckend, es umwebend mit ihrem ergeisti-
genden Zauber. Bewunderung, Entzücken hielten stumm uns gebannt, während
die Szene dieser Wandelungen unterging. Da plötzlich leidet es meinen Ge-


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[0314] beispielsweise die Schilderung von der Aussicht, die Weilenmann auf dem Bietschhorn (3953 M.) genoß. „Gelungener hätte geradezu die Fahrt uicht ausfalle» können. Die Luft war still, die Temperatur mild, der Himmel von vollendeter Klarheit. Die Isolirtheit, die günstige Lage des Bietschhorns — in Mitte zwischen Beruer- und Walliseralpen — seine rasche Abtiefung, nicht bloß nach öden, unwirthlichen Hochthälern, sondern nach dem farbenwarmen, reichbewohnten Tiefland, das nicht erdrückt würd vom Gebirge und ausgeschlossen von der Rundschau, son¬ dern harmonisch sich verflicht mit dem endlos ragenden Zackenheer, mit den blinkenden Firubreiteu — Alles das bedingt einen Ausblick von seltener Er¬ habenheit und wohlthuendsten Gesamiuteffekt, wie er vielleicht ohne Gleichen in deu Alpe«. Klar liegt vor uns die ganze Bernerkette — ihr östliches weites Hauptkvmplex nur zu gedrüugt, nicht im Stande zur Geltung zu kommen. Ganz entfaltet tritt nnr das Aletschhvrn uns entgegen, seinen Rivalen, das Finsteraarhorn, wie neidisch verdeckend bis ans seinen schmalen, nördlichen Saum. Um so vollendeter in ihrer Entfaltung — ein Anblick von wunderbarer Pracht - sieht mau von den Hohen des Gotthard bis zum Mont Blaue die Walliser- kette prangen, jede ihrer Gruppen voll der andern getrennt, gedrungen, in iiu- pouireuder Selbständigkeit auftretend — uicht das unschöne Gewirre, das sie bietet, von manchen ihrer eigenen Höhen aus gesehen. An Schönheit unüber¬ troffen steht das Weißdorn da, während das Matterhorn hinter ihm Ver- steckens spielt. Bis Martiguy liegt das Nhouethal weit erschlossen zu Füßen, alle seine Einzelheiten scharf hervortretend in der grellen Mittagsbeleuchtung. Nur hinter der Bernerkette, über dem nördlichen Tiefland sieht man Wollen schweben." Der Blick von: Matterhorn, als Weileniuanu zum dritten Mal, das erste Mal erfolgreich, am 6. August 1873, in Gesellschaft eines Verwandten des kläglichen Lyvners vom Vorjahr,, dem hohen Gebirgsaltar zupilgertewird also beschrieben: „Unsagbar schön prangt in den Gluthen der Abendsonne dieMonterosa- Grnpve. Wie neidisch auf das Praugeu, wirft breit das Matterhorn seinen blauvioletten Schatten über die purpnrgetrnnkten Firnhänge. Zerklüftete, glatte, Sanftwellige Partien wechseln mannigfach an ihnen, schimmern in zauberischen Schatten- und Lichtreflexen. Vou Gold in Rosa, dann in Violet, und wie frostig das Zwielicht zu grauen beginnt, in kaltes Azur hat sich der Himmel abgestuft. Ein wunderbares phosphvreszirendes Leuchten liegt auf den Schnee¬ geländen des Mvutervsa und Breithorns .... dann steigt die Mondnacht herauf, zu neuem Glänze das Bild erweckend, es umwebend mit ihrem ergeisti- genden Zauber. Bewunderung, Entzücken hielten stumm uns gebannt, während die Szene dieser Wandelungen unterging. Da plötzlich leidet es meinen Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/314>, abgerufen am 25.08.2024.