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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Gesichter zu schminken. Diese Geister suchten nun in jeder Weise die Ziele
des Allmächtigen zu durchkreuzen, und fänden eine besondere Freude daran,
die ihm allein gebührende Ehre auf sich zu leiten. Die sämmtlichen Heiden¬
götter waren, nach ihm, solche Teufel, ebenso die unter dem Namen verstorbener
Heroen verehrten Geister, wie auch die dichterischen Phantasieschöpfungen der
Nymphen, Dryaden, Sylphen und Faune, welche letzteren unter dieser Gestalt
häufig unter Menschen erschienen wären und den Umgang rin Frauen gesucht
hätten. Diese Thatsache würde so vielfach bezeugt, daß sie unläugbar dastünde.
Auch Augustinus folgte dieser Lehre. Man nannte die Teufel, besonders
wenn sie in männlicher Gestalt erschienen: menti, und glaubte, sie hätten eine
besondere Vorliebe für Frauen mit schönen Haaren. Luther glaubte fest an
solchen Umgang der Teufel mit Frauen, und viele wurde" grade wegen dieses
Vergehens verbraunt. Die Besessenen wurden gewöhnlich durch Christen be¬
freit, in den Katakomben entdeckte man Grüber der Geisterbanner. Wied ein
Christ vom rechten Pfade, so erschreckte ihn der Teufel zuweilen durch sichtbare
Kundgebung. So ging z. B. eine Christin ins Theater und wurde dort vom
Teufel besessen. Der Exoreist stritt mit diesem, und der Teufel erwiderte, er
habe die Frau ja in seinem Hanse gefunden, sprach also ganz im Sinne der
damaligen christlichen Denkweise. Einen ganz ähnlichen Fall erzählt Gregor der ,
Große von einer Nonne, welche im Garten spazieren ging und dabei etwas Lattich
aß, ohne das Zeichen des Kreuzes zu machen; sie verschluckte dabei einen
Teufel, der ihr viel zu schaffen machte, bis sie ihn wieder los wurde. (I)ia-
lugi lip. I, e. 4.) Mann kann sich denken, daß diese Vorstellungen Schrecken
und stete Furcht Unter den Christen erzeugten, die sich stets und überall von
deu Legionen Satans umgeben fühlten.

Als unter den christlichen Kaisern das Christenthum Staatsreligion geworden
war, wurden die Magier und ihre Künste natürlich mehr oder minder hart
verfolgt, doch würde es der Kirche vielleicht schwer geworden sein, das Volk
von diesen geheimnißvollen Gebieten loszulösen, welche so ganz mit ihrem
Leben und Denken verwachsen waren, Hütte sie nicht ein verwandtes Element
in sich aufgenommen, das dem heidnischen Zauber mit seinen eigenen Waffen
entgegentrat. Wir meinen die talismanischen Wirkungen, welche von dem
Weihwasser, von Reliquien, Amuletten?c. ausgehen sollten, und deren sich die
Geistlichkeit in ausgedehntem Maaße bediente. Es ist nicht zu leugnen, daß
die Kirche damit etwas von dem Fetischismus des Heidenthums in sich auf- ,
nahm, während jedoch andrerseits konstatirt werden muß, daß kein Beispiel
vorliegt, wo sie sich auf Weissagungen und Orakelsprüche eingelassen Hütte, was
wohl ein Beweis sejn kaun, daß sie sich von bewußtem Betrüge noch frei er¬
halten hatte, wenn sie auch dem Geist ihrer Zeit nicht allen Einfluß versagen


Gesichter zu schminken. Diese Geister suchten nun in jeder Weise die Ziele
des Allmächtigen zu durchkreuzen, und fänden eine besondere Freude daran,
die ihm allein gebührende Ehre auf sich zu leiten. Die sämmtlichen Heiden¬
götter waren, nach ihm, solche Teufel, ebenso die unter dem Namen verstorbener
Heroen verehrten Geister, wie auch die dichterischen Phantasieschöpfungen der
Nymphen, Dryaden, Sylphen und Faune, welche letzteren unter dieser Gestalt
häufig unter Menschen erschienen wären und den Umgang rin Frauen gesucht
hätten. Diese Thatsache würde so vielfach bezeugt, daß sie unläugbar dastünde.
Auch Augustinus folgte dieser Lehre. Man nannte die Teufel, besonders
wenn sie in männlicher Gestalt erschienen: menti, und glaubte, sie hätten eine
besondere Vorliebe für Frauen mit schönen Haaren. Luther glaubte fest an
solchen Umgang der Teufel mit Frauen, und viele wurde» grade wegen dieses
Vergehens verbraunt. Die Besessenen wurden gewöhnlich durch Christen be¬
freit, in den Katakomben entdeckte man Grüber der Geisterbanner. Wied ein
Christ vom rechten Pfade, so erschreckte ihn der Teufel zuweilen durch sichtbare
Kundgebung. So ging z. B. eine Christin ins Theater und wurde dort vom
Teufel besessen. Der Exoreist stritt mit diesem, und der Teufel erwiderte, er
habe die Frau ja in seinem Hanse gefunden, sprach also ganz im Sinne der
damaligen christlichen Denkweise. Einen ganz ähnlichen Fall erzählt Gregor der ,
Große von einer Nonne, welche im Garten spazieren ging und dabei etwas Lattich
aß, ohne das Zeichen des Kreuzes zu machen; sie verschluckte dabei einen
Teufel, der ihr viel zu schaffen machte, bis sie ihn wieder los wurde. (I)ia-
lugi lip. I, e. 4.) Mann kann sich denken, daß diese Vorstellungen Schrecken
und stete Furcht Unter den Christen erzeugten, die sich stets und überall von
deu Legionen Satans umgeben fühlten.

Als unter den christlichen Kaisern das Christenthum Staatsreligion geworden
war, wurden die Magier und ihre Künste natürlich mehr oder minder hart
verfolgt, doch würde es der Kirche vielleicht schwer geworden sein, das Volk
von diesen geheimnißvollen Gebieten loszulösen, welche so ganz mit ihrem
Leben und Denken verwachsen waren, Hütte sie nicht ein verwandtes Element
in sich aufgenommen, das dem heidnischen Zauber mit seinen eigenen Waffen
entgegentrat. Wir meinen die talismanischen Wirkungen, welche von dem
Weihwasser, von Reliquien, Amuletten?c. ausgehen sollten, und deren sich die
Geistlichkeit in ausgedehntem Maaße bediente. Es ist nicht zu leugnen, daß
die Kirche damit etwas von dem Fetischismus des Heidenthums in sich auf- ,
nahm, während jedoch andrerseits konstatirt werden muß, daß kein Beispiel
vorliegt, wo sie sich auf Weissagungen und Orakelsprüche eingelassen Hütte, was
wohl ein Beweis sejn kaun, daß sie sich von bewußtem Betrüge noch frei er¬
halten hatte, wenn sie auch dem Geist ihrer Zeit nicht allen Einfluß versagen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/288>, abgerufen am 27.09.2024.