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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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konnte. Dieser Einfluß ging freilich so weit, daß im Lauf der ersten Jahr¬
hunderte große Theile des Heidenthums mit dein Christenthum verschmolzen,
obgleich jenes dein Namen nach aufgehört hatte, zu existiren. Damit vollzog
sich eine Korruption des Christenthums, die wohl im v, Jahrhundert ihren
Gipfel erreicht haben mochte. Doch ist längst nachgewiesen, daß die Spuren
dieser Vermischung fast in allen Theilen des katholischen Glaubens vor.
Handen siud.

So tief die christliche Kirche übrigens in der Zeit bis zum 13. Jahrhun¬
dert hon dein Glauben an stets gegenwärtige Dämonen nud Teufel durchdrungen
war, so kamen in diesem Zeitraum doch verhältnißmäßig wenig Hexeuvcr-
folgnngen vor. Die, Ursache dieser immerhin ausfallenden Erscheinung ist
vielleicht darin zu suchen, daß die Menschen sich ebenso fest wie in den Teufels-
glnuben, in die Ueberzeugung eingelebt hatten, daß der Teufel keinem Christen
etwas anhaben könne, der fest an der Lehre der Kirche hinge und daß die
kirchlichen Bannungsmittel: Weihwasser, Kreuzschlagen :e. den Teufel unfehlbar
aus dem Felde schlüget Dem entsprechend finden wir in den Teufelsge¬
schichten der damaligen Zeit den Teufel immer als den Besiegten, Geprellten
dargestellt, die Furcht vor ihm trat nur untergeordnet auf, da der Zweifel an
der Lehre der Kirche nur vereinzelt und im Verborgenen, überhaupt fehr selten
vorkam. Eine Ausnahme bildeten durch das.Mittelalter (bis ins 17. Jahr¬
hundert) die Kabbalisten, welche als Magier verfolgt wurden. Von ihren
mystischen Lehren wissen wir nicht mehr, als daß sie eine Menge altjüdischer
.Traditionen, gemischt mit der platonischen Dämonenlehre und einem guten
Theil reinem Naturalismus, enthielten, denen sich ein selsam kühner Skepticismus
gesellte. Bedeutende Geister wie Cardan, Paracelsus n. a, gehörten ihnen an.
Die Kabbalisten glaubten an die Existenz von Naturgeistern, Verkörperungen
der vier Elemente in Sylphen, Salamander, Gnomen, Undinen; Wesen von
Weit mehr als menschlicher Herrlichkeit, aber sterblich und nicht frei von mensch¬
lichen Schwächen. Zum Verkehr mit diesen Elementargeistern zu gelangen,
war das höchste Ziel der Kabbalisten. Wer es erreichen wollte,- mußte sich
von der gewöhnlichen Lebensweise losmachen, sich durch Fasten, Ehelosigkeit,
Naturstudium, der Geister würdig machen. Er mußte sich namentlich aus dem
Streit der verschiedenen Bekenntnisse befreien, und in jedem derselben das
Wahre zu erkennen trachten. Diese, im Grunde gut angelegte Lehre, wurde
aber doch wieder von dem Zeitaberglauben verdunkelt, denn die Kabbalisten
glaubten z. B., daß es thuen möglich sei, eine buchstäbliche Ehe mit jenen
Geistern einzugehen, und mit ihnen nicht blos hienieden ein großes Glück zu
genießen, sondern ihnen auch die Unsterblichkeit mitzutheilen. Auf diesen
Punkt waren besonders die Verfolgungen der Rechtgläubigen gerichtet, da sie


konnte. Dieser Einfluß ging freilich so weit, daß im Lauf der ersten Jahr¬
hunderte große Theile des Heidenthums mit dein Christenthum verschmolzen,
obgleich jenes dein Namen nach aufgehört hatte, zu existiren. Damit vollzog
sich eine Korruption des Christenthums, die wohl im v, Jahrhundert ihren
Gipfel erreicht haben mochte. Doch ist längst nachgewiesen, daß die Spuren
dieser Vermischung fast in allen Theilen des katholischen Glaubens vor.
Handen siud.

So tief die christliche Kirche übrigens in der Zeit bis zum 13. Jahrhun¬
dert hon dein Glauben an stets gegenwärtige Dämonen nud Teufel durchdrungen
war, so kamen in diesem Zeitraum doch verhältnißmäßig wenig Hexeuvcr-
folgnngen vor. Die, Ursache dieser immerhin ausfallenden Erscheinung ist
vielleicht darin zu suchen, daß die Menschen sich ebenso fest wie in den Teufels-
glnuben, in die Ueberzeugung eingelebt hatten, daß der Teufel keinem Christen
etwas anhaben könne, der fest an der Lehre der Kirche hinge und daß die
kirchlichen Bannungsmittel: Weihwasser, Kreuzschlagen :e. den Teufel unfehlbar
aus dem Felde schlüget Dem entsprechend finden wir in den Teufelsge¬
schichten der damaligen Zeit den Teufel immer als den Besiegten, Geprellten
dargestellt, die Furcht vor ihm trat nur untergeordnet auf, da der Zweifel an
der Lehre der Kirche nur vereinzelt und im Verborgenen, überhaupt fehr selten
vorkam. Eine Ausnahme bildeten durch das.Mittelalter (bis ins 17. Jahr¬
hundert) die Kabbalisten, welche als Magier verfolgt wurden. Von ihren
mystischen Lehren wissen wir nicht mehr, als daß sie eine Menge altjüdischer
.Traditionen, gemischt mit der platonischen Dämonenlehre und einem guten
Theil reinem Naturalismus, enthielten, denen sich ein selsam kühner Skepticismus
gesellte. Bedeutende Geister wie Cardan, Paracelsus n. a, gehörten ihnen an.
Die Kabbalisten glaubten an die Existenz von Naturgeistern, Verkörperungen
der vier Elemente in Sylphen, Salamander, Gnomen, Undinen; Wesen von
Weit mehr als menschlicher Herrlichkeit, aber sterblich und nicht frei von mensch¬
lichen Schwächen. Zum Verkehr mit diesen Elementargeistern zu gelangen,
war das höchste Ziel der Kabbalisten. Wer es erreichen wollte,- mußte sich
von der gewöhnlichen Lebensweise losmachen, sich durch Fasten, Ehelosigkeit,
Naturstudium, der Geister würdig machen. Er mußte sich namentlich aus dem
Streit der verschiedenen Bekenntnisse befreien, und in jedem derselben das
Wahre zu erkennen trachten. Diese, im Grunde gut angelegte Lehre, wurde
aber doch wieder von dem Zeitaberglauben verdunkelt, denn die Kabbalisten
glaubten z. B., daß es thuen möglich sei, eine buchstäbliche Ehe mit jenen
Geistern einzugehen, und mit ihnen nicht blos hienieden ein großes Glück zu
genießen, sondern ihnen auch die Unsterblichkeit mitzutheilen. Auf diesen
Punkt waren besonders die Verfolgungen der Rechtgläubigen gerichtet, da sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/289>, abgerufen am 27.09.2024.