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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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bar hat die Verlagshandlung diesem Unternehmen ihre besondere Neigung zugewendet.
Die Zeichnungen von Klimsch gehören zu dem Besten, was wir in dieser Art
gesehen. Große Sorgfalt ist auf die Darstellung des Kostüms und der Archi¬
tektur in den vorgeführten Scenen verwendet. Die Art der Farbengebung da¬
gegen befremdet den deutschen Beschauer anfangs. Nur wer die englischen
Originale kennt, die hier in der Farbenwirkung nachgeahmt sind, wird ein-
räumen müssen, daß der deutsche Künstler die schreiende Farbenpracht der
Originale immerhin wesentlich gemildert und dem Auge wohlthuend gedämpft
hat. Aber nach unsrer Empfindung kann auf diesem Wege noch mancher
Schritt weiter gegangen werden, ohne daß dem anerkennenswerther Streben,
durch diese Märchenbücher schon in der Jugend den in unseren Tagen so stief¬
mütterlich behandelten Farbensinn, die Frende an bunter Harmonie, die ehe
dem so lebendig in unserem Volke sich regte, wieder zu wecken. Weniger
zustimmend können wir uns dagegen über den gereimten Text dieser
Märchen äußern. Der Text soll doch unbedingt für ein kindliches Alter
bestimmt sein, nicht etwa für Erwachsene, welche im Stande sind zu
prüfen, ob der ^Dichter seine Aufgabe geschmackvoll gelöst hat. Da ist
nun aber schwer zu glauben, daß irgendwer sich einbilden könne, es sei möglich
die deutschen Volksmärchen naiver und poetischer zu erzählen, als die ehr¬
würdigen Gebrüder Grimm dies gethan haben. Und wir wüßten absolut keinen
Grund -- außer etwa die Rücksicht auf das Autorrecht der Grimm'schen Erben
oder Verleger -- anzugeben, warum man nicht diesen Text und diesen allein
-- der selbst dem vermeintlichen "Original" L. Bechsteins bei weitem vorzu¬
ziehen ist -- einer so schönen Ausgabe deutscher Märchen, wie der vorliegenden,
zu Grunde legen sollte.


Ueber Geschlechtsfreih eit, ein philosophischer Versuch zur Erhöhung des menschlichen
Glückes, von Dr. Noderich Hellmann. Verlag von Elwin Staude, Berlin.

Das unanständigste Buch, welches uus je eingesendet worden ist. Als
Wilhelm Röscher die "schimpfliche Sachkenntniß" verurtheilte, mit welcher s. Z.
Bvrberg die geschlechtlichen Ausschweifungen der sinkenden römischen Kaiserzeit
behaglich aufzählte, hatte er keine Ahnung von dem Gipfelpunkt von Frivolität
und Roheit, welcher sich in diesem und ähnlichen Werken des genannten Ver¬
lags offenbart. Natürlich muß die Beschönigung aller Laster vom Standpunkt
der "Philosophie zur Erhöhung des menschlichen Glückes" aus gerechtfertigt
werde", um sich wenigstens äußerlich von den widerlichsten Erzeugnissen der
Diruenliteratur zu unterscheiden. Aber wir lassen uns durch dieses plumpe
Manöver nicht beirren, diese Schrift und ihre Vorgänger desselben Verlags der
recht aufmerksamen Lektüre der deutschen -- Staatsanwälte angelegentlich zu
empfehlen.




Verantwortlicher Redakteur: I>i. Hans Vlum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthrl Hrrrmliun in Leipzig.

bar hat die Verlagshandlung diesem Unternehmen ihre besondere Neigung zugewendet.
Die Zeichnungen von Klimsch gehören zu dem Besten, was wir in dieser Art
gesehen. Große Sorgfalt ist auf die Darstellung des Kostüms und der Archi¬
tektur in den vorgeführten Scenen verwendet. Die Art der Farbengebung da¬
gegen befremdet den deutschen Beschauer anfangs. Nur wer die englischen
Originale kennt, die hier in der Farbenwirkung nachgeahmt sind, wird ein-
räumen müssen, daß der deutsche Künstler die schreiende Farbenpracht der
Originale immerhin wesentlich gemildert und dem Auge wohlthuend gedämpft
hat. Aber nach unsrer Empfindung kann auf diesem Wege noch mancher
Schritt weiter gegangen werden, ohne daß dem anerkennenswerther Streben,
durch diese Märchenbücher schon in der Jugend den in unseren Tagen so stief¬
mütterlich behandelten Farbensinn, die Frende an bunter Harmonie, die ehe
dem so lebendig in unserem Volke sich regte, wieder zu wecken. Weniger
zustimmend können wir uns dagegen über den gereimten Text dieser
Märchen äußern. Der Text soll doch unbedingt für ein kindliches Alter
bestimmt sein, nicht etwa für Erwachsene, welche im Stande sind zu
prüfen, ob der ^Dichter seine Aufgabe geschmackvoll gelöst hat. Da ist
nun aber schwer zu glauben, daß irgendwer sich einbilden könne, es sei möglich
die deutschen Volksmärchen naiver und poetischer zu erzählen, als die ehr¬
würdigen Gebrüder Grimm dies gethan haben. Und wir wüßten absolut keinen
Grund — außer etwa die Rücksicht auf das Autorrecht der Grimm'schen Erben
oder Verleger — anzugeben, warum man nicht diesen Text und diesen allein
— der selbst dem vermeintlichen „Original" L. Bechsteins bei weitem vorzu¬
ziehen ist — einer so schönen Ausgabe deutscher Märchen, wie der vorliegenden,
zu Grunde legen sollte.


Ueber Geschlechtsfreih eit, ein philosophischer Versuch zur Erhöhung des menschlichen
Glückes, von Dr. Noderich Hellmann. Verlag von Elwin Staude, Berlin.

Das unanständigste Buch, welches uus je eingesendet worden ist. Als
Wilhelm Röscher die „schimpfliche Sachkenntniß" verurtheilte, mit welcher s. Z.
Bvrberg die geschlechtlichen Ausschweifungen der sinkenden römischen Kaiserzeit
behaglich aufzählte, hatte er keine Ahnung von dem Gipfelpunkt von Frivolität
und Roheit, welcher sich in diesem und ähnlichen Werken des genannten Ver¬
lags offenbart. Natürlich muß die Beschönigung aller Laster vom Standpunkt
der „Philosophie zur Erhöhung des menschlichen Glückes" aus gerechtfertigt
werde», um sich wenigstens äußerlich von den widerlichsten Erzeugnissen der
Diruenliteratur zu unterscheiden. Aber wir lassen uns durch dieses plumpe
Manöver nicht beirren, diese Schrift und ihre Vorgänger desselben Verlags der
recht aufmerksamen Lektüre der deutschen — Staatsanwälte angelegentlich zu
empfehlen.




Verantwortlicher Redakteur: I>i. Hans Vlum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthrl Hrrrmliun in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/284>, abgerufen am 02.10.2024.