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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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die Vertheidigung erleichterte, sondern auch die national-liberalen Redner bewog,
der Wahrheit die Ehre gebend, für die Verwaltung einzutreten. Im Allgemeinen
stellte die Debatte hinreichend klar, daß die heutige ungünstigere Lage nicht
einem administrativen Verhältnisse, sondern den bestehenden Verhältnissen
entsprungen ist.

Schwerer mußte die andere Frage ins Gewicht fallen, wie den im Gefolge
dieser ungünstigeren Lage für die Zukunft drohenden Gefahren vorzubeugen
sei. Und doch lag es in der Natur der Sache, daß gerade auf diese Frage die
gegenwärtige Verhandlung noch keine klare Antwort geben konnte. Die große
Angelegenheit der Steuerreform kann nur vom Reiche aus in Angriff genommen
werden; darum ist den betreffenden Diskussionen im preußischen Landtage zur
Zeit wenigstens, von vornherein ein akademischer Charakter aufgeprägt. Be¬
merkenswerth ist indeß, daß grade die entschieden oppositionellen Parteien an
positiven Reformvorschlägen gar nichts einbrachten. Herrn Richter wenigstens
würde es geziemt haben, nach der rein negativen Kritik nun auch seinerseits
den Weg des Bessermachens anzugeben. Darauf läßt er indeß seine Zuhörer
seit vielen Jahren vergebens warten. Seine starke Seite ist, aus den ver¬
stecktesten Winkeln des Etats die kleinen Unebenheiten zusammenzukehren und
sie in geschickter Gruppirung zu einem System zusammenzustellen, gegen welches
er seine Angriffe richten kann. Darum wird man ihn am richtigsten, wie wir
oben gethan, als "Etatskünstler", bezeichnen, damit aber anch zugleich Alles
gesagt haben, was sich über seine Operationsmethode sowie über seine finanz-
männische Bedeutung bemerken ließe.

Rückhaltlos und fröhlichen Muthes trugen die Konservativen ihre Steuer¬
reformpläne in die Debatte hinein. Vermehrung der indirekten Steuern, Be¬
seitigung der Matrikularbeiträge, Uebertragung eines Theils der direkten Steuern
an die Kommune -- das ungefähr ist die Quintessenz dieser Projekte. Daß
sie in der Richtung des praktisch allein Möglichen liegen, wird kaum bestritten
werden können. An eine Vermehrung bezw. Erhöhung der direkten Steuern
wagt Niemand zu denken, also kann die Angesichts der wachsenden Bedürfnisse,
Angesichts des in den Einzelstaaten immer drohender heranrückenden Defizits
unerläßliche Hülfe nur auf dem Gebiete der indirekten Steuern gesucht werdeu.
Ueber die Modalitäten aber wird noch gar heiß gestritten werden, und wer
die Schwierigkeiten in ihrer ganzen Ausdehnung ermißt, wird schwerlich mit
dem heiteren Selbstbewußtsein der konservativen Reformer an die Aufgabe heran¬
treten. In eine vollständige Beseitigung der Matrikularbeiträge, welche be¬
kanntlich den einzigen Punkt im Reichsbudget bilden, an welchem der Reichstag
ein wirkliches Eiimahinebewilligungsrecht übt, werden die liberalen Parteien


die Vertheidigung erleichterte, sondern auch die national-liberalen Redner bewog,
der Wahrheit die Ehre gebend, für die Verwaltung einzutreten. Im Allgemeinen
stellte die Debatte hinreichend klar, daß die heutige ungünstigere Lage nicht
einem administrativen Verhältnisse, sondern den bestehenden Verhältnissen
entsprungen ist.

Schwerer mußte die andere Frage ins Gewicht fallen, wie den im Gefolge
dieser ungünstigeren Lage für die Zukunft drohenden Gefahren vorzubeugen
sei. Und doch lag es in der Natur der Sache, daß gerade auf diese Frage die
gegenwärtige Verhandlung noch keine klare Antwort geben konnte. Die große
Angelegenheit der Steuerreform kann nur vom Reiche aus in Angriff genommen
werden; darum ist den betreffenden Diskussionen im preußischen Landtage zur
Zeit wenigstens, von vornherein ein akademischer Charakter aufgeprägt. Be¬
merkenswerth ist indeß, daß grade die entschieden oppositionellen Parteien an
positiven Reformvorschlägen gar nichts einbrachten. Herrn Richter wenigstens
würde es geziemt haben, nach der rein negativen Kritik nun auch seinerseits
den Weg des Bessermachens anzugeben. Darauf läßt er indeß seine Zuhörer
seit vielen Jahren vergebens warten. Seine starke Seite ist, aus den ver¬
stecktesten Winkeln des Etats die kleinen Unebenheiten zusammenzukehren und
sie in geschickter Gruppirung zu einem System zusammenzustellen, gegen welches
er seine Angriffe richten kann. Darum wird man ihn am richtigsten, wie wir
oben gethan, als „Etatskünstler", bezeichnen, damit aber anch zugleich Alles
gesagt haben, was sich über seine Operationsmethode sowie über seine finanz-
männische Bedeutung bemerken ließe.

Rückhaltlos und fröhlichen Muthes trugen die Konservativen ihre Steuer¬
reformpläne in die Debatte hinein. Vermehrung der indirekten Steuern, Be¬
seitigung der Matrikularbeiträge, Uebertragung eines Theils der direkten Steuern
an die Kommune — das ungefähr ist die Quintessenz dieser Projekte. Daß
sie in der Richtung des praktisch allein Möglichen liegen, wird kaum bestritten
werden können. An eine Vermehrung bezw. Erhöhung der direkten Steuern
wagt Niemand zu denken, also kann die Angesichts der wachsenden Bedürfnisse,
Angesichts des in den Einzelstaaten immer drohender heranrückenden Defizits
unerläßliche Hülfe nur auf dem Gebiete der indirekten Steuern gesucht werdeu.
Ueber die Modalitäten aber wird noch gar heiß gestritten werden, und wer
die Schwierigkeiten in ihrer ganzen Ausdehnung ermißt, wird schwerlich mit
dem heiteren Selbstbewußtsein der konservativen Reformer an die Aufgabe heran¬
treten. In eine vollständige Beseitigung der Matrikularbeiträge, welche be¬
kanntlich den einzigen Punkt im Reichsbudget bilden, an welchem der Reichstag
ein wirkliches Eiimahinebewilligungsrecht übt, werden die liberalen Parteien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/282>, abgerufen am 26.09.2024.