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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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viel, er schlief auf einem einfachen Feldbette auf einer Elenhaut, deckte sich mit
seinem Mantel zu und liebte vorzüglich alte Umformen, namentlich wenn sie
vom Regen durchnäßt waren; aber er war verschwenderisch, wo es seine Eitel¬
keit erforderte, und wo er dnrch Geschenke glänzen wollte. Solche Hoffeste,
wie sie während der ersten 15 Jahre seiner Regierung in Petersburg gegeben
wurden, sah man an keinem andern europäischen Hofe. Nikolaus I. rivalisirte
in dieser Beziehung nur mit den asiatischen Despoten. Besondere Veranlassung
zu solchen orientalischen Festlichkeiten boten ihm die Vermählungen seiner Tochter,
die übrigens seine Neigung zur Verschwendung in hohem Grade geerbt hatten,
und bei solchen Gelegenheiten wurden kolossale Summen vergeudet.

Fürst Wolkonski bemühte sich nach Kräften, diese Verschwendungssucht zu
zügeln. Er beeilte sich mit keiner Antwort so, wie mit der: "Wir haben kein
Geld". Die Entschiedenheit, mit der er der Verschwendung entgegentrat, machte
ihm Feinde unter den Großwürdenträgern und Hofschranzen; besonders unlieb
war dies dem Finanzminister Grasen Kankri, der von den Ausgaben des
Hofes seine Prozente zu ziehen wußte.

Als Fürst Wolkonski, Feldmarschall des russischen Reiches, das Zeitliche
gesegnet hatte, wurde das vacante Amt eines Ministers des kaiserlichen Hauses
dem Grafen Adlerberg übertragen. Von nun an stieß weder der Kaiser, noch
irgend ein Mitglied der kaiserlichen Familie auf den geringsten Widerspruch
bei ihren verschwenderischen Ausgaben. Wenn andere Minister, wenn auch nur
selten, sich erlaubten, anderer Ansicht zu sein, als Se. Majestät und irgend
eine Reform vorzuschlagen, welche "die bestehende Ordnung bedrohte", war
der General-Director der Posten und Minister des kaiserlichen Hauses immer
ganz der Ansicht seines kaiserlichen Herrn, und konnte diesem alle Tage beim
Rapporte sagen: "'W^o dlkiMpolutselino" (Alles in gutem Zustande) und des¬
halb blieb es auch in den ihm angewiesenen Wirkungskreisen beim Alten. Die
Loyalität dieses unvergleichlichen Staatsmannes war aber so untadelhaft, daß
er selbst mit dem anspruchsvollen "Chef der dritten Abtheilung" (Geheimpolizei
und Gensdarmerie) in Eintracht lebte, trotzdem dieser die Post nach den Be¬
dürfnissen seines Bureaus reguliren wollte, und mit dem Kriegsminister, dessen
Offiziere und Kuriere ihm systematisch die Pferde zu Tode hetzten. Selbst
mit dem unerträglichsten Kollegen, dem General-Director der Wege und öffent¬
lichen Bauten, General Grafen Kleiumichel, lebte Graf Adlerberg in der größten
Harmonie, weil er der Liebling des "angebeteten" Kaisers war, während
Kleinmichel, welchen der böse Genius Alexanders I., der berüchtigte Schöpfer
der Militairkolvnien Araktschejew an den Hof gebracht hat, und der ucich dem
Falle seines Protektors sein Rächer geworden ist, wegen seiner Gesetzwidrig¬
keiten, seiner Brutalität und Bestechlichkeit von seinen andern Collegen gehaßt


viel, er schlief auf einem einfachen Feldbette auf einer Elenhaut, deckte sich mit
seinem Mantel zu und liebte vorzüglich alte Umformen, namentlich wenn sie
vom Regen durchnäßt waren; aber er war verschwenderisch, wo es seine Eitel¬
keit erforderte, und wo er dnrch Geschenke glänzen wollte. Solche Hoffeste,
wie sie während der ersten 15 Jahre seiner Regierung in Petersburg gegeben
wurden, sah man an keinem andern europäischen Hofe. Nikolaus I. rivalisirte
in dieser Beziehung nur mit den asiatischen Despoten. Besondere Veranlassung
zu solchen orientalischen Festlichkeiten boten ihm die Vermählungen seiner Tochter,
die übrigens seine Neigung zur Verschwendung in hohem Grade geerbt hatten,
und bei solchen Gelegenheiten wurden kolossale Summen vergeudet.

Fürst Wolkonski bemühte sich nach Kräften, diese Verschwendungssucht zu
zügeln. Er beeilte sich mit keiner Antwort so, wie mit der: „Wir haben kein
Geld". Die Entschiedenheit, mit der er der Verschwendung entgegentrat, machte
ihm Feinde unter den Großwürdenträgern und Hofschranzen; besonders unlieb
war dies dem Finanzminister Grasen Kankri, der von den Ausgaben des
Hofes seine Prozente zu ziehen wußte.

Als Fürst Wolkonski, Feldmarschall des russischen Reiches, das Zeitliche
gesegnet hatte, wurde das vacante Amt eines Ministers des kaiserlichen Hauses
dem Grafen Adlerberg übertragen. Von nun an stieß weder der Kaiser, noch
irgend ein Mitglied der kaiserlichen Familie auf den geringsten Widerspruch
bei ihren verschwenderischen Ausgaben. Wenn andere Minister, wenn auch nur
selten, sich erlaubten, anderer Ansicht zu sein, als Se. Majestät und irgend
eine Reform vorzuschlagen, welche „die bestehende Ordnung bedrohte", war
der General-Director der Posten und Minister des kaiserlichen Hauses immer
ganz der Ansicht seines kaiserlichen Herrn, und konnte diesem alle Tage beim
Rapporte sagen: „'W^o dlkiMpolutselino" (Alles in gutem Zustande) und des¬
halb blieb es auch in den ihm angewiesenen Wirkungskreisen beim Alten. Die
Loyalität dieses unvergleichlichen Staatsmannes war aber so untadelhaft, daß
er selbst mit dem anspruchsvollen „Chef der dritten Abtheilung" (Geheimpolizei
und Gensdarmerie) in Eintracht lebte, trotzdem dieser die Post nach den Be¬
dürfnissen seines Bureaus reguliren wollte, und mit dem Kriegsminister, dessen
Offiziere und Kuriere ihm systematisch die Pferde zu Tode hetzten. Selbst
mit dem unerträglichsten Kollegen, dem General-Director der Wege und öffent¬
lichen Bauten, General Grafen Kleiumichel, lebte Graf Adlerberg in der größten
Harmonie, weil er der Liebling des „angebeteten" Kaisers war, während
Kleinmichel, welchen der böse Genius Alexanders I., der berüchtigte Schöpfer
der Militairkolvnien Araktschejew an den Hof gebracht hat, und der ucich dem
Falle seines Protektors sein Rächer geworden ist, wegen seiner Gesetzwidrig¬
keiten, seiner Brutalität und Bestechlichkeit von seinen andern Collegen gehaßt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/27>, abgerufen am 29.06.2024.