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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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"Garten der ewigen Wohnung" kam der Koran, und wer daran zweifelt, dem
wird geantwortet: Mohammed hat es gesagt, und wer es dann noch immer
nicht glaubt, dem sagt man, was einmal ein ägyptischer Scheich gesagt: "Wie
kannst du an Mohammed zweifeln, da doch sein Name über der Pforte des
Paradieses geschrieben steht."

Freilich muß man nicht vermeinen, daß der Engel Gabriel das Religions-
buch, so wie es jetzt in seiner Vollendung vor uns liegt, vom Himmel herab¬
gebracht. Das glaubt nicht einmal der an keinem Wunder Mohammeds
zweifelnde Muslim. Der Koran ward bekanntlich erst nach des großen Pro¬
pheten Tod zusammengestellt und zwar unter dem Khalifen Abu-betr, als nach
dem Kriege mit dein falschen Propheten Museilama besonders viele Koranleser,
die ihn am besten im Gedächtnisse hatten, erschlagen wurden, so daß sich der
kluge Omar, des Khalifen erster Feldherr, zu der Aeußerung veranlaßt fühlte:
er fürchte, diese Gelehrten mochten am Ende alle aussterben und rathe daher
daß man den Koran sammle. Auf Abu-bekrs Befehl suchte Zeit Ihe Thabit,
ein Sekretär Mohammeds, alle Koransfragmente zusammen, die sich in ver¬
schiedenen Händen, in verschiedenen Köpfen befanden, d. h. theils auf Perga¬
ment, Leder, theils sogar auf Palmblätter, auf Knochen und Steine geschrieben
waren oder in dem Gedächtniß der Zeitgenossen des Propheten, von denen
noch viele am Leben waren, steckten. So läßt sich auch begreifen, wie der
Koran dnrch seine fast unausstehlichen Wiederholungen für den Ungläubigen
zu einer höchst unerquicklichen Kost wurde. Zeit, statt das Beste und Aus¬
führlichste zu wählen, nahm Alles auf, was der Eine oder der Andere aufge¬
zeichnet oder auswendig gelernt, vielleicht auch mißverstanden hatte. Daher,
die vielen Wiederholungen, die fast unglaublichen Widersprüche in dem Reli¬
gionsbuche der Muslimen.

Was den Ramadan heiligte, war, daß in diesem Monat Mohammed seine
erste Vision hatte, in welcher der Engel Gabriel ihm als Ueberbringer der
ersten göttlichen Offenbarung nahte, im Namen des Herrn und Schöpfers der
Welt. Auf einem seidenen Tuch, das ihm der Engel vorhielt, sollen nach
mnselmännischer Tradition die ihm zuerst geoffenbarten Verse geschrieben ge¬
wesen sein. Sie lauten: Lies, im Namen Deines Herrn, der Alles erschaffen
und der den Menschen geschaffen aus geronnenem Blute. Lies, bei deinem
Herrn, dem glorreichsten, der da gelehrt den Gebrauch der Feder, und so da
lehret den Menschen, was er nicht gewußt. Wahrlich, der Mensch, übernimmt
sich frevelhaft, wenn er sich in großem Reichthum sieht.... Weiß er denn
uicht, daß Gott Alles sieht? Wahrlich so er uicht ablässet, so wollen nur ihn
bei seinen Haaren ergreifen, bei seinen lügen- und sündhaften Haaren. Mag
er dann rufen seine Freunde und Gönner; aber auch wir wollen rufen die


„Garten der ewigen Wohnung" kam der Koran, und wer daran zweifelt, dem
wird geantwortet: Mohammed hat es gesagt, und wer es dann noch immer
nicht glaubt, dem sagt man, was einmal ein ägyptischer Scheich gesagt: „Wie
kannst du an Mohammed zweifeln, da doch sein Name über der Pforte des
Paradieses geschrieben steht."

Freilich muß man nicht vermeinen, daß der Engel Gabriel das Religions-
buch, so wie es jetzt in seiner Vollendung vor uns liegt, vom Himmel herab¬
gebracht. Das glaubt nicht einmal der an keinem Wunder Mohammeds
zweifelnde Muslim. Der Koran ward bekanntlich erst nach des großen Pro¬
pheten Tod zusammengestellt und zwar unter dem Khalifen Abu-betr, als nach
dem Kriege mit dein falschen Propheten Museilama besonders viele Koranleser,
die ihn am besten im Gedächtnisse hatten, erschlagen wurden, so daß sich der
kluge Omar, des Khalifen erster Feldherr, zu der Aeußerung veranlaßt fühlte:
er fürchte, diese Gelehrten mochten am Ende alle aussterben und rathe daher
daß man den Koran sammle. Auf Abu-bekrs Befehl suchte Zeit Ihe Thabit,
ein Sekretär Mohammeds, alle Koransfragmente zusammen, die sich in ver¬
schiedenen Händen, in verschiedenen Köpfen befanden, d. h. theils auf Perga¬
ment, Leder, theils sogar auf Palmblätter, auf Knochen und Steine geschrieben
waren oder in dem Gedächtniß der Zeitgenossen des Propheten, von denen
noch viele am Leben waren, steckten. So läßt sich auch begreifen, wie der
Koran dnrch seine fast unausstehlichen Wiederholungen für den Ungläubigen
zu einer höchst unerquicklichen Kost wurde. Zeit, statt das Beste und Aus¬
führlichste zu wählen, nahm Alles auf, was der Eine oder der Andere aufge¬
zeichnet oder auswendig gelernt, vielleicht auch mißverstanden hatte. Daher,
die vielen Wiederholungen, die fast unglaublichen Widersprüche in dem Reli¬
gionsbuche der Muslimen.

Was den Ramadan heiligte, war, daß in diesem Monat Mohammed seine
erste Vision hatte, in welcher der Engel Gabriel ihm als Ueberbringer der
ersten göttlichen Offenbarung nahte, im Namen des Herrn und Schöpfers der
Welt. Auf einem seidenen Tuch, das ihm der Engel vorhielt, sollen nach
mnselmännischer Tradition die ihm zuerst geoffenbarten Verse geschrieben ge¬
wesen sein. Sie lauten: Lies, im Namen Deines Herrn, der Alles erschaffen
und der den Menschen geschaffen aus geronnenem Blute. Lies, bei deinem
Herrn, dem glorreichsten, der da gelehrt den Gebrauch der Feder, und so da
lehret den Menschen, was er nicht gewußt. Wahrlich, der Mensch, übernimmt
sich frevelhaft, wenn er sich in großem Reichthum sieht.... Weiß er denn
uicht, daß Gott Alles sieht? Wahrlich so er uicht ablässet, so wollen nur ihn
bei seinen Haaren ergreifen, bei seinen lügen- und sündhaften Haaren. Mag
er dann rufen seine Freunde und Gönner; aber auch wir wollen rufen die


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[0232] „Garten der ewigen Wohnung" kam der Koran, und wer daran zweifelt, dem wird geantwortet: Mohammed hat es gesagt, und wer es dann noch immer nicht glaubt, dem sagt man, was einmal ein ägyptischer Scheich gesagt: „Wie kannst du an Mohammed zweifeln, da doch sein Name über der Pforte des Paradieses geschrieben steht." Freilich muß man nicht vermeinen, daß der Engel Gabriel das Religions- buch, so wie es jetzt in seiner Vollendung vor uns liegt, vom Himmel herab¬ gebracht. Das glaubt nicht einmal der an keinem Wunder Mohammeds zweifelnde Muslim. Der Koran ward bekanntlich erst nach des großen Pro¬ pheten Tod zusammengestellt und zwar unter dem Khalifen Abu-betr, als nach dem Kriege mit dein falschen Propheten Museilama besonders viele Koranleser, die ihn am besten im Gedächtnisse hatten, erschlagen wurden, so daß sich der kluge Omar, des Khalifen erster Feldherr, zu der Aeußerung veranlaßt fühlte: er fürchte, diese Gelehrten mochten am Ende alle aussterben und rathe daher daß man den Koran sammle. Auf Abu-bekrs Befehl suchte Zeit Ihe Thabit, ein Sekretär Mohammeds, alle Koransfragmente zusammen, die sich in ver¬ schiedenen Händen, in verschiedenen Köpfen befanden, d. h. theils auf Perga¬ ment, Leder, theils sogar auf Palmblätter, auf Knochen und Steine geschrieben waren oder in dem Gedächtniß der Zeitgenossen des Propheten, von denen noch viele am Leben waren, steckten. So läßt sich auch begreifen, wie der Koran dnrch seine fast unausstehlichen Wiederholungen für den Ungläubigen zu einer höchst unerquicklichen Kost wurde. Zeit, statt das Beste und Aus¬ führlichste zu wählen, nahm Alles auf, was der Eine oder der Andere aufge¬ zeichnet oder auswendig gelernt, vielleicht auch mißverstanden hatte. Daher, die vielen Wiederholungen, die fast unglaublichen Widersprüche in dem Reli¬ gionsbuche der Muslimen. Was den Ramadan heiligte, war, daß in diesem Monat Mohammed seine erste Vision hatte, in welcher der Engel Gabriel ihm als Ueberbringer der ersten göttlichen Offenbarung nahte, im Namen des Herrn und Schöpfers der Welt. Auf einem seidenen Tuch, das ihm der Engel vorhielt, sollen nach mnselmännischer Tradition die ihm zuerst geoffenbarten Verse geschrieben ge¬ wesen sein. Sie lauten: Lies, im Namen Deines Herrn, der Alles erschaffen und der den Menschen geschaffen aus geronnenem Blute. Lies, bei deinem Herrn, dem glorreichsten, der da gelehrt den Gebrauch der Feder, und so da lehret den Menschen, was er nicht gewußt. Wahrlich, der Mensch, übernimmt sich frevelhaft, wenn er sich in großem Reichthum sieht.... Weiß er denn uicht, daß Gott Alles sieht? Wahrlich so er uicht ablässet, so wollen nur ihn bei seinen Haaren ergreifen, bei seinen lügen- und sündhaften Haaren. Mag er dann rufen seine Freunde und Gönner; aber auch wir wollen rufen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/232>, abgerufen am 22.07.2024.