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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Programmabhandlung erschienenen Aufsatzes --^ "die Anfänge der Branden-
burgischen Marine von Dr. Heinrich Peter, Oberlehrer am Sophien-Gymnasium
zu Berlin. Berlin 1877." -- Ihr sind die nachfolgenden Mittheilungen
entnommen. Wenn ich überhaupt bei dem Leserkreise dieses Blattes Interesse
für die deutsche Marine mit Sicherheit voraussetze, und dies Interesse anch
auf jene Brandenburgischen Anfänge ausgedehnt glaube, so verleiht außerdem
der Umstand, daß or. Peter seine Darstellung durchaus auf höchst werthvolles
Quellenmaterial stützt, welches ihm, -- bisher meist unbekannt -- im Königlichen
Staatsarchive zu Berlin zur Verfügung gestellt wurde, der vorliegenden Arbeit
gegenüber den älteren Darstellungen ähnlichen Inhalts ein besonderes Interesse,
zumal da durch reichliche Mittheilungen aus den Quellen selbst ein um so
lebendigeres Bild von den Zuständen der Zeit gegeben wird.

"Die Zeit, in welche diese Anfänge fallen, schien die denkbar ungünstigste
für die Schaffung einer deutschen Seemacht/' -- Es fehlte damals und nicht
am wenigsten im kurfürstlich brandenburgischen Staate, an Geld, man durfte
froh sein, auf dem Lande nothdürftig die Schäden, die der dreißigjährige
Krieg geschlagen, zu repariren und so mußte denn fremdes und zwar niederländisches
Geld und niederländischer Unternehmungsgeist den Wünschen des Großen Kurfürsten
entgegen kommen, um die Ausführung seines Lieblingsgedankens in den
Bereich der Möglichkeit zu bringen. -- "Einige Liebhabers" machten dem
brandenburgischen Gesandten im Haag das Anerbieten, während des Krieges
gegen Frankreich und Schweden "in der Ostsee oder sonsten auf kurfürstliche
Kvmmissionspatenten auf die Kaperei zu fahren." Der Kurfürst sollte sechs
Prozent der Beute haben. Am 15. Februar 1675 ertheilt er auch wirklich
folgendes Kommissionspatent: "Demnach Wir von den beiden Kronen Frankreich
und Schweden ohne einzige gegebene Ursache feindlich angegriffen und über¬
fallen worden und demnach billig darauf bedacht sein, wie Wir solchen unsern
Feinden allen möglichen Abbruch und Widerstand thuen mögen, tragen Wir
N. N. (Name des Schiffes)-Kommission auf, wider gedachte unsere Feinde,
Frankreich und Schweden, deren Unterthanen und Angehörige auszulaufen, zu
Wasser zu agiren, derselben Schiffe zu befechten und sich ihrer zu bemächtigen
und solche zu Unser und Unserer Gekommitirten Judikatur zu bringen." ^
Der Hauptunternehmer war Benjamin Raute, Schöffe und Rath der Stadt
Middelburg in Seeland. Er wollte hauptsächlich durch den Erlös der zu
machenden Prisen aus gedrückter Finanzlage kommen, ließ sich dadurch verleiten
zu früh die Kaperei anzufangen und wäre beinahe als Seeräuber vor Gericht
gezogen worden, hätte ihm nicht der brandenburgische Gesandte herausgeholfen.
Trotzdem aber und obgleich die Staaten sich scharf gegen die Kaperei, als auch
ihren Handel störend, erklärten, den Verkauf der eingebrachten Prisen hinderten


Programmabhandlung erschienenen Aufsatzes —^ „die Anfänge der Branden-
burgischen Marine von Dr. Heinrich Peter, Oberlehrer am Sophien-Gymnasium
zu Berlin. Berlin 1877." — Ihr sind die nachfolgenden Mittheilungen
entnommen. Wenn ich überhaupt bei dem Leserkreise dieses Blattes Interesse
für die deutsche Marine mit Sicherheit voraussetze, und dies Interesse anch
auf jene Brandenburgischen Anfänge ausgedehnt glaube, so verleiht außerdem
der Umstand, daß or. Peter seine Darstellung durchaus auf höchst werthvolles
Quellenmaterial stützt, welches ihm, — bisher meist unbekannt — im Königlichen
Staatsarchive zu Berlin zur Verfügung gestellt wurde, der vorliegenden Arbeit
gegenüber den älteren Darstellungen ähnlichen Inhalts ein besonderes Interesse,
zumal da durch reichliche Mittheilungen aus den Quellen selbst ein um so
lebendigeres Bild von den Zuständen der Zeit gegeben wird.

„Die Zeit, in welche diese Anfänge fallen, schien die denkbar ungünstigste
für die Schaffung einer deutschen Seemacht/' — Es fehlte damals und nicht
am wenigsten im kurfürstlich brandenburgischen Staate, an Geld, man durfte
froh sein, auf dem Lande nothdürftig die Schäden, die der dreißigjährige
Krieg geschlagen, zu repariren und so mußte denn fremdes und zwar niederländisches
Geld und niederländischer Unternehmungsgeist den Wünschen des Großen Kurfürsten
entgegen kommen, um die Ausführung seines Lieblingsgedankens in den
Bereich der Möglichkeit zu bringen. — „Einige Liebhabers" machten dem
brandenburgischen Gesandten im Haag das Anerbieten, während des Krieges
gegen Frankreich und Schweden „in der Ostsee oder sonsten auf kurfürstliche
Kvmmissionspatenten auf die Kaperei zu fahren." Der Kurfürst sollte sechs
Prozent der Beute haben. Am 15. Februar 1675 ertheilt er auch wirklich
folgendes Kommissionspatent: „Demnach Wir von den beiden Kronen Frankreich
und Schweden ohne einzige gegebene Ursache feindlich angegriffen und über¬
fallen worden und demnach billig darauf bedacht sein, wie Wir solchen unsern
Feinden allen möglichen Abbruch und Widerstand thuen mögen, tragen Wir
N. N. (Name des Schiffes)-Kommission auf, wider gedachte unsere Feinde,
Frankreich und Schweden, deren Unterthanen und Angehörige auszulaufen, zu
Wasser zu agiren, derselben Schiffe zu befechten und sich ihrer zu bemächtigen
und solche zu Unser und Unserer Gekommitirten Judikatur zu bringen." ^
Der Hauptunternehmer war Benjamin Raute, Schöffe und Rath der Stadt
Middelburg in Seeland. Er wollte hauptsächlich durch den Erlös der zu
machenden Prisen aus gedrückter Finanzlage kommen, ließ sich dadurch verleiten
zu früh die Kaperei anzufangen und wäre beinahe als Seeräuber vor Gericht
gezogen worden, hätte ihm nicht der brandenburgische Gesandte herausgeholfen.
Trotzdem aber und obgleich die Staaten sich scharf gegen die Kaperei, als auch
ihren Handel störend, erklärten, den Verkauf der eingebrachten Prisen hinderten


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[0206] Programmabhandlung erschienenen Aufsatzes —^ „die Anfänge der Branden- burgischen Marine von Dr. Heinrich Peter, Oberlehrer am Sophien-Gymnasium zu Berlin. Berlin 1877." — Ihr sind die nachfolgenden Mittheilungen entnommen. Wenn ich überhaupt bei dem Leserkreise dieses Blattes Interesse für die deutsche Marine mit Sicherheit voraussetze, und dies Interesse anch auf jene Brandenburgischen Anfänge ausgedehnt glaube, so verleiht außerdem der Umstand, daß or. Peter seine Darstellung durchaus auf höchst werthvolles Quellenmaterial stützt, welches ihm, — bisher meist unbekannt — im Königlichen Staatsarchive zu Berlin zur Verfügung gestellt wurde, der vorliegenden Arbeit gegenüber den älteren Darstellungen ähnlichen Inhalts ein besonderes Interesse, zumal da durch reichliche Mittheilungen aus den Quellen selbst ein um so lebendigeres Bild von den Zuständen der Zeit gegeben wird. „Die Zeit, in welche diese Anfänge fallen, schien die denkbar ungünstigste für die Schaffung einer deutschen Seemacht/' — Es fehlte damals und nicht am wenigsten im kurfürstlich brandenburgischen Staate, an Geld, man durfte froh sein, auf dem Lande nothdürftig die Schäden, die der dreißigjährige Krieg geschlagen, zu repariren und so mußte denn fremdes und zwar niederländisches Geld und niederländischer Unternehmungsgeist den Wünschen des Großen Kurfürsten entgegen kommen, um die Ausführung seines Lieblingsgedankens in den Bereich der Möglichkeit zu bringen. — „Einige Liebhabers" machten dem brandenburgischen Gesandten im Haag das Anerbieten, während des Krieges gegen Frankreich und Schweden „in der Ostsee oder sonsten auf kurfürstliche Kvmmissionspatenten auf die Kaperei zu fahren." Der Kurfürst sollte sechs Prozent der Beute haben. Am 15. Februar 1675 ertheilt er auch wirklich folgendes Kommissionspatent: „Demnach Wir von den beiden Kronen Frankreich und Schweden ohne einzige gegebene Ursache feindlich angegriffen und über¬ fallen worden und demnach billig darauf bedacht sein, wie Wir solchen unsern Feinden allen möglichen Abbruch und Widerstand thuen mögen, tragen Wir N. N. (Name des Schiffes)-Kommission auf, wider gedachte unsere Feinde, Frankreich und Schweden, deren Unterthanen und Angehörige auszulaufen, zu Wasser zu agiren, derselben Schiffe zu befechten und sich ihrer zu bemächtigen und solche zu Unser und Unserer Gekommitirten Judikatur zu bringen." ^ Der Hauptunternehmer war Benjamin Raute, Schöffe und Rath der Stadt Middelburg in Seeland. Er wollte hauptsächlich durch den Erlös der zu machenden Prisen aus gedrückter Finanzlage kommen, ließ sich dadurch verleiten zu früh die Kaperei anzufangen und wäre beinahe als Seeräuber vor Gericht gezogen worden, hätte ihm nicht der brandenburgische Gesandte herausgeholfen. Trotzdem aber und obgleich die Staaten sich scharf gegen die Kaperei, als auch ihren Handel störend, erklärten, den Verkauf der eingebrachten Prisen hinderten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/206>, abgerufen am 22.07.2024.