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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Stellung mit der Würde eines Dr. mea, vereinte, so wurde auch ihm eine Ka-
nonikalpräbende von Se. Nikolai durch den Camminer Bischof verliehen. Man
sieht, daß damals die Beziehungen der medizinischen Fakultät zur Kirche noch
sehr innige waren. Drei Jahre nach Gründung der Universität wird Nikolaus
Degantz als Magister und meciieinae liesuti^of erwähnt; ob er jedoch als
medizinischer Lehrer thätig war, ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Im
fünfzehnten Jahrhundert und bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, also
in einem Zeitraum, welcher die ersten hundert Jahre unserer Universität um¬
faßt, scheint die Zahl der Lehrer der Medizin nicht mehr als zwei betragen zu
haben; daß auch unter diesen Umständen das Lehramt nicht sehr verlockend
war, läßt sich leicht erweisen. Der Paster aus Groeningen, welcher 1478 als
medizinischer Lehrer an unserer Universität eintrat, verließ in Folge von Strei¬
tigkeiten mit seinen Collegen Greifswald, um Stadtarzt in Stralsund zu wer¬
den. Später 1483 heirathete er die Wittwe eines Brauers in Stralsund und
führte deren Geschäft. Noch im Jahre 1540, als die Universität reorganisirt
wurde, erhielt die medizinische Fakultät nur einen einzigen Lehrer. Ein zwei¬
ter Lehrer wurde zwar 1544 angestellt, hielt sich jedoch gewöhnlich als Hofarzt
an dem herzoglichen Hof in Wolgast auf; ein Verhältniß, welches sich auch im
siebzehnten Jahrhundert noch einmal wiederholt. Erst 1571 finden sich in einem
Vorlesungsverzeichniß drei Lehrer in der medizinischen Fakultät angeführt, von
welchen jeder eine Vorlesung ankündigt. Indessen blieb diese Zahl nicht be¬
stehen; denn in einem Vorlesungsverzeichniß von 1609 finden sich nur zwei
Lehrer der Medicin-Fakultät. Von ihnen kündigt der eine eine Vorlesung 6<z
amal über die Seele, der andere eine Vorlesung über die Arten, die Theile,
Unterschiede und Leistungen der Pflanzen, also eine Art von Botanik an.
Berücksichtigt mau, daß diese beiden Vorlesungen nicht nur den medicinischen,
sondern auch den naturwissenschaftlichen Unterricht darstellen, welch' letzterer
erst vor einigen Jahrzehnten von der media. Fakultät getrennt wurde, so muß
wan gestehen, daß man dem Mediein-Studirenden zu Anfang des siebzehnten
Jahrhunderts nicht allzu viel Lehrstoff darbot. Aber schon am Ende des sieb¬
zehnten Jahrhunderts, nachdem die Folgen des dreißigjährigen Kriegs über¬
wunden waren, finden wir Vorlesungen über Anatomie und Physiologie an
unserer Universität. Jedoch blieb die Zahl der Lehrer in der medicinischen
Fakultät immer noch klein, und erst gegen 1760 erhebt sich ihre Zahl zum
regelmäßigen Bestand von drei Lehrern. Es bedarf weiterer 50 Jahre, um die
Zahl auf vier und fünf Lehrer zu steigern; dagegen ist die Zahl der angekün¬
digten Vorlesungen gerade in dieser Zeit bedeutend gewachsen. 1820 kündigen
vier ordentliche und ein außerordentlicher Professor im Wintersemester '27 medi¬
cinische, beziehungsweise naturwissenschaftliche Vorlesungen an und in den beiden


Stellung mit der Würde eines Dr. mea, vereinte, so wurde auch ihm eine Ka-
nonikalpräbende von Se. Nikolai durch den Camminer Bischof verliehen. Man
sieht, daß damals die Beziehungen der medizinischen Fakultät zur Kirche noch
sehr innige waren. Drei Jahre nach Gründung der Universität wird Nikolaus
Degantz als Magister und meciieinae liesuti^of erwähnt; ob er jedoch als
medizinischer Lehrer thätig war, ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Im
fünfzehnten Jahrhundert und bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, also
in einem Zeitraum, welcher die ersten hundert Jahre unserer Universität um¬
faßt, scheint die Zahl der Lehrer der Medizin nicht mehr als zwei betragen zu
haben; daß auch unter diesen Umständen das Lehramt nicht sehr verlockend
war, läßt sich leicht erweisen. Der Paster aus Groeningen, welcher 1478 als
medizinischer Lehrer an unserer Universität eintrat, verließ in Folge von Strei¬
tigkeiten mit seinen Collegen Greifswald, um Stadtarzt in Stralsund zu wer¬
den. Später 1483 heirathete er die Wittwe eines Brauers in Stralsund und
führte deren Geschäft. Noch im Jahre 1540, als die Universität reorganisirt
wurde, erhielt die medizinische Fakultät nur einen einzigen Lehrer. Ein zwei¬
ter Lehrer wurde zwar 1544 angestellt, hielt sich jedoch gewöhnlich als Hofarzt
an dem herzoglichen Hof in Wolgast auf; ein Verhältniß, welches sich auch im
siebzehnten Jahrhundert noch einmal wiederholt. Erst 1571 finden sich in einem
Vorlesungsverzeichniß drei Lehrer in der medizinischen Fakultät angeführt, von
welchen jeder eine Vorlesung ankündigt. Indessen blieb diese Zahl nicht be¬
stehen; denn in einem Vorlesungsverzeichniß von 1609 finden sich nur zwei
Lehrer der Medicin-Fakultät. Von ihnen kündigt der eine eine Vorlesung 6<z
amal über die Seele, der andere eine Vorlesung über die Arten, die Theile,
Unterschiede und Leistungen der Pflanzen, also eine Art von Botanik an.
Berücksichtigt mau, daß diese beiden Vorlesungen nicht nur den medicinischen,
sondern auch den naturwissenschaftlichen Unterricht darstellen, welch' letzterer
erst vor einigen Jahrzehnten von der media. Fakultät getrennt wurde, so muß
wan gestehen, daß man dem Mediein-Studirenden zu Anfang des siebzehnten
Jahrhunderts nicht allzu viel Lehrstoff darbot. Aber schon am Ende des sieb¬
zehnten Jahrhunderts, nachdem die Folgen des dreißigjährigen Kriegs über¬
wunden waren, finden wir Vorlesungen über Anatomie und Physiologie an
unserer Universität. Jedoch blieb die Zahl der Lehrer in der medicinischen
Fakultät immer noch klein, und erst gegen 1760 erhebt sich ihre Zahl zum
regelmäßigen Bestand von drei Lehrern. Es bedarf weiterer 50 Jahre, um die
Zahl auf vier und fünf Lehrer zu steigern; dagegen ist die Zahl der angekün¬
digten Vorlesungen gerade in dieser Zeit bedeutend gewachsen. 1820 kündigen
vier ordentliche und ein außerordentlicher Professor im Wintersemester '27 medi¬
cinische, beziehungsweise naturwissenschaftliche Vorlesungen an und in den beiden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/201>, abgerufen am 27.09.2024.