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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Schmuck war ein Reiherbusch auf der Kopfbedeckung. Zu den Eigenthümlich¬
keiten ihrer Bewaffnung, die natürlich .mit der Waffeutechnik vom Bogen bis
zum Feuerschloßgewehr fortschritt, gehörten ein langes, im Gürtel steckendes
Messer, der Handschar, und ein kleines Beil.

Rückten die Janitscharen in's Feld, so wurde ihnen auf dem Marsche jede
mögliche Erleichterung gewährt. Für je zehn Mann war zum Fortschaffen
des Gepäcks ein Pferd bestimmt, doch ein solches zu besteigen, durfte nie ein
Janitschar wagen. In ihrer Glanzepoche wurde von den Zeitgenossen die
Mäßigkeit, Ordnung, Ruhe und Reinlichkeit im Lager rühmend hervorgehoben.
Selbst die gesetzlichen, Fasten wurden mit strengster Gewissenhaftigkeit einge¬
halten.

Was endlich noch die taktische Eintheilung des Janitscharenkvrps anbe¬
trifft, so zerfiel dasselbe in allerdings sehr schwache Regimenter, Oreas oder
Odas genannt, deren Zahl zwar auf 194 normirt, die aber selten weder ihrer
Zahl noch ihrer Stärke nach unter den Waffen waren. In den verschiedenen
Kriegen wechselte ihre aktive Gesammtstärke zwischen 12 und 50,000 Mann.
An der Spitze der Janitscharen stand ein Aga, der unter allen Agas der
Pforte den ersten Rang einnahm.

Die Dauer versprechende Tüchtigkeit militärischer Einrichtungen bericht
ganz wesentlich auf moralischen Grundlagen. Daß bei Beurtheilung des In¬
stituts der Janitscharen von diesem Gesichtspunkte aus, demselben schon von
der Stunde der Geburt ab dauernde Gesundheit um so weniger verheißen
werden durfte, als die Starrheit des mosleminischen Gesetzes eine den Anfor¬
derungen der Zeit entsprechende ruhige Entwicklung nicht zuließ, das liegt auf
der Hand. Die ganze Erziehung der Janitscharen war ans den Krieg be¬
rechnet, auf einen Vernichtungskrieg gegen die Ungläubigen. Das fanatische
Buch, das unter dem Namen "Posaune des heiligen Krieges" bekannt gewor¬
den, ein Werk, welches keine Ermunterung, kein Versprechen, kein Gebot, wo¬
durch Gläubige in einen fanatischen Religionskrieg getrieben werden können,
unversucht läßt und die Unterwerfung aller Ungläubigen zur Pflicht macht,
war gewissermaßen der Katechismus der Janitscharen. Ursprünglich galt es
als ihr Recht, nur dann ins Feld ziehen zu müssen, wenn der Großherr sich
an ihre Spitze setzte. Dies Recht wurde ihnen genommen, und als nun eine
Reihe unkriegerischer Sultane kam, die bis zum Augenblick ihres Regierungs¬
antritts im Harem eingesperrt gewesen waren, die es daher nicht verstanden,
Zucht und Gehorsam in den Reihen ihrer Prätoricmer zu erhalten, da trat
unweigerlich der Verfall ein. Mit der schwindenden Disziplin schlichen sich
immer mehr Mißbräuche ein, welche das Siechthum förderten. Wir wollen


Schmuck war ein Reiherbusch auf der Kopfbedeckung. Zu den Eigenthümlich¬
keiten ihrer Bewaffnung, die natürlich .mit der Waffeutechnik vom Bogen bis
zum Feuerschloßgewehr fortschritt, gehörten ein langes, im Gürtel steckendes
Messer, der Handschar, und ein kleines Beil.

Rückten die Janitscharen in's Feld, so wurde ihnen auf dem Marsche jede
mögliche Erleichterung gewährt. Für je zehn Mann war zum Fortschaffen
des Gepäcks ein Pferd bestimmt, doch ein solches zu besteigen, durfte nie ein
Janitschar wagen. In ihrer Glanzepoche wurde von den Zeitgenossen die
Mäßigkeit, Ordnung, Ruhe und Reinlichkeit im Lager rühmend hervorgehoben.
Selbst die gesetzlichen, Fasten wurden mit strengster Gewissenhaftigkeit einge¬
halten.

Was endlich noch die taktische Eintheilung des Janitscharenkvrps anbe¬
trifft, so zerfiel dasselbe in allerdings sehr schwache Regimenter, Oreas oder
Odas genannt, deren Zahl zwar auf 194 normirt, die aber selten weder ihrer
Zahl noch ihrer Stärke nach unter den Waffen waren. In den verschiedenen
Kriegen wechselte ihre aktive Gesammtstärke zwischen 12 und 50,000 Mann.
An der Spitze der Janitscharen stand ein Aga, der unter allen Agas der
Pforte den ersten Rang einnahm.

Die Dauer versprechende Tüchtigkeit militärischer Einrichtungen bericht
ganz wesentlich auf moralischen Grundlagen. Daß bei Beurtheilung des In¬
stituts der Janitscharen von diesem Gesichtspunkte aus, demselben schon von
der Stunde der Geburt ab dauernde Gesundheit um so weniger verheißen
werden durfte, als die Starrheit des mosleminischen Gesetzes eine den Anfor¬
derungen der Zeit entsprechende ruhige Entwicklung nicht zuließ, das liegt auf
der Hand. Die ganze Erziehung der Janitscharen war ans den Krieg be¬
rechnet, auf einen Vernichtungskrieg gegen die Ungläubigen. Das fanatische
Buch, das unter dem Namen „Posaune des heiligen Krieges" bekannt gewor¬
den, ein Werk, welches keine Ermunterung, kein Versprechen, kein Gebot, wo¬
durch Gläubige in einen fanatischen Religionskrieg getrieben werden können,
unversucht läßt und die Unterwerfung aller Ungläubigen zur Pflicht macht,
war gewissermaßen der Katechismus der Janitscharen. Ursprünglich galt es
als ihr Recht, nur dann ins Feld ziehen zu müssen, wenn der Großherr sich
an ihre Spitze setzte. Dies Recht wurde ihnen genommen, und als nun eine
Reihe unkriegerischer Sultane kam, die bis zum Augenblick ihres Regierungs¬
antritts im Harem eingesperrt gewesen waren, die es daher nicht verstanden,
Zucht und Gehorsam in den Reihen ihrer Prätoricmer zu erhalten, da trat
unweigerlich der Verfall ein. Mit der schwindenden Disziplin schlichen sich
immer mehr Mißbräuche ein, welche das Siechthum förderten. Wir wollen


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[0194] Schmuck war ein Reiherbusch auf der Kopfbedeckung. Zu den Eigenthümlich¬ keiten ihrer Bewaffnung, die natürlich .mit der Waffeutechnik vom Bogen bis zum Feuerschloßgewehr fortschritt, gehörten ein langes, im Gürtel steckendes Messer, der Handschar, und ein kleines Beil. Rückten die Janitscharen in's Feld, so wurde ihnen auf dem Marsche jede mögliche Erleichterung gewährt. Für je zehn Mann war zum Fortschaffen des Gepäcks ein Pferd bestimmt, doch ein solches zu besteigen, durfte nie ein Janitschar wagen. In ihrer Glanzepoche wurde von den Zeitgenossen die Mäßigkeit, Ordnung, Ruhe und Reinlichkeit im Lager rühmend hervorgehoben. Selbst die gesetzlichen, Fasten wurden mit strengster Gewissenhaftigkeit einge¬ halten. Was endlich noch die taktische Eintheilung des Janitscharenkvrps anbe¬ trifft, so zerfiel dasselbe in allerdings sehr schwache Regimenter, Oreas oder Odas genannt, deren Zahl zwar auf 194 normirt, die aber selten weder ihrer Zahl noch ihrer Stärke nach unter den Waffen waren. In den verschiedenen Kriegen wechselte ihre aktive Gesammtstärke zwischen 12 und 50,000 Mann. An der Spitze der Janitscharen stand ein Aga, der unter allen Agas der Pforte den ersten Rang einnahm. Die Dauer versprechende Tüchtigkeit militärischer Einrichtungen bericht ganz wesentlich auf moralischen Grundlagen. Daß bei Beurtheilung des In¬ stituts der Janitscharen von diesem Gesichtspunkte aus, demselben schon von der Stunde der Geburt ab dauernde Gesundheit um so weniger verheißen werden durfte, als die Starrheit des mosleminischen Gesetzes eine den Anfor¬ derungen der Zeit entsprechende ruhige Entwicklung nicht zuließ, das liegt auf der Hand. Die ganze Erziehung der Janitscharen war ans den Krieg be¬ rechnet, auf einen Vernichtungskrieg gegen die Ungläubigen. Das fanatische Buch, das unter dem Namen „Posaune des heiligen Krieges" bekannt gewor¬ den, ein Werk, welches keine Ermunterung, kein Versprechen, kein Gebot, wo¬ durch Gläubige in einen fanatischen Religionskrieg getrieben werden können, unversucht läßt und die Unterwerfung aller Ungläubigen zur Pflicht macht, war gewissermaßen der Katechismus der Janitscharen. Ursprünglich galt es als ihr Recht, nur dann ins Feld ziehen zu müssen, wenn der Großherr sich an ihre Spitze setzte. Dies Recht wurde ihnen genommen, und als nun eine Reihe unkriegerischer Sultane kam, die bis zum Augenblick ihres Regierungs¬ antritts im Harem eingesperrt gewesen waren, die es daher nicht verstanden, Zucht und Gehorsam in den Reihen ihrer Prätoricmer zu erhalten, da trat unweigerlich der Verfall ein. Mit der schwindenden Disziplin schlichen sich immer mehr Mißbräuche ein, welche das Siechthum förderten. Wir wollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/194>, abgerufen am 24.08.2024.