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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Rindfleisch und Vormund seiner minderjährigen Kinder, und noch andere
Rathsherren, die wohl Anspruch machten auf reiche Bewirthung und die nicht
unwürdig die Stadt vertreten hätten, soweit es ans Pracht des Auftretens und
gediegenen Reichthum ankam. Aber andere, ernstere Dinge lagen den Herren
im Sinn; sie lehnten ab. "Wir wollten Euer fürstlichen Gnaden in gar viel
Größerem gerne zu unverdrossenen Diensten werden, wo die Zeit unserer ge¬
wöhnlichen Küre itzunder nicht einfiele, derowegen wir gemeiner Stadt Sachen
halben auf diesmal nicht abkommen mögen demüthig bittende, Euer fürstlichen
Gnaden wollen uns daran entschuldigt haben. Damit wir aber nicht also gar
ausbleiben, schicken wir Euer fürstlichen Gnaden hierbei zwei grüne Lachse,
eine Lägel Malvasier und eine Lägel mit Landwein."

Am Aschermittwoch war der Tag der städtischen Wahlen, bei denen dieses
Jahr aufs neue der Versuch gemacht werden sollte, Herrn Christoph Rindfleisch
zu öffentlichen Aemtern und Würden zu bringen, und man mochte von Seiten
des Raths, dem die Wahl zustand, hoffen, daß eine Wahl zur städtischen
Schöffeubank nicht den Widerspruch finden werde, den vor sechs Jahren die
Wahl zur Hofebcmk bei der allzeit den Städtern aufsäßigen Ritterschaft gefunden
hatte. Leider täuschte der Rath sich hierin gewaltig, denn schon während des
Fastnachtstrubels waren die alten Schwätzereien wieder laut geworden, und
nachdem nun die Wahl vollzogen war und die Einführung in's Amt nahe
bevorstand, da trat die Abneigung der Bevölkerung dagegen in bedrohlicher
Weise zu Tage, noch besonders scharf deshalb, weil die Hetzer jetzt darauf hin¬
wiesen, man dürfe die Schösfenbank nicht schlechter machen lassen als die Hofe-
bcmk, wer den Mannen zu gering sei, der sei es auch für die Schöffen und die
Ritterschaft würde ob dieser Wahl die Bürgerschaft verhöhnen. Und nicht allein
in den Handwerksstüben und Schenken hörte man solche Ansichten, auch die
Kaufmannschaft und sogar die andern neu gewähltem Schöffen fürchteten, wie
die Sachen nun einmal lagen, eine Schädigung der Würde des Gerichts durch
die Wahl, ja diese erklärten schließlich, ganz wie vor Jahren die Mannen, und
Christoph Rindfleisch nicht zusammen auf der Bank sitzen zu wollen. Die
Menge, immer zum Aufruhr geneigt, wurde durch diese Haltung der Besseren
vollends ermuthigt und der Rath besorgte das Aergste, wenn er an der Wahl
festhielt. Es scheint, daß Christoph Rindfleisch um der Stadt Ruhe willen
freiwillig zurückgetreten sei, aber positive Belege dafür fehlen, urkundlich ste^
nur fest, daß uicht er, sondern ganz gegen Recht und Gewohnheit Herr Hans
Pvpplau vereidet und ans die Schöffenbank gesetzt wurde, und daß dann die
Unruhe in der Stadt sich legte. Jedoch die nach unseren reichen Quellen ganz
deutlich erkennbare Haltung Christophs nach wie vor dieser Kränkung, das
Verhältniß, in dem er und die Seinen zu Rath und Bürgerschaft unausgesetzt


Rindfleisch und Vormund seiner minderjährigen Kinder, und noch andere
Rathsherren, die wohl Anspruch machten auf reiche Bewirthung und die nicht
unwürdig die Stadt vertreten hätten, soweit es ans Pracht des Auftretens und
gediegenen Reichthum ankam. Aber andere, ernstere Dinge lagen den Herren
im Sinn; sie lehnten ab. „Wir wollten Euer fürstlichen Gnaden in gar viel
Größerem gerne zu unverdrossenen Diensten werden, wo die Zeit unserer ge¬
wöhnlichen Küre itzunder nicht einfiele, derowegen wir gemeiner Stadt Sachen
halben auf diesmal nicht abkommen mögen demüthig bittende, Euer fürstlichen
Gnaden wollen uns daran entschuldigt haben. Damit wir aber nicht also gar
ausbleiben, schicken wir Euer fürstlichen Gnaden hierbei zwei grüne Lachse,
eine Lägel Malvasier und eine Lägel mit Landwein."

Am Aschermittwoch war der Tag der städtischen Wahlen, bei denen dieses
Jahr aufs neue der Versuch gemacht werden sollte, Herrn Christoph Rindfleisch
zu öffentlichen Aemtern und Würden zu bringen, und man mochte von Seiten
des Raths, dem die Wahl zustand, hoffen, daß eine Wahl zur städtischen
Schöffeubank nicht den Widerspruch finden werde, den vor sechs Jahren die
Wahl zur Hofebcmk bei der allzeit den Städtern aufsäßigen Ritterschaft gefunden
hatte. Leider täuschte der Rath sich hierin gewaltig, denn schon während des
Fastnachtstrubels waren die alten Schwätzereien wieder laut geworden, und
nachdem nun die Wahl vollzogen war und die Einführung in's Amt nahe
bevorstand, da trat die Abneigung der Bevölkerung dagegen in bedrohlicher
Weise zu Tage, noch besonders scharf deshalb, weil die Hetzer jetzt darauf hin¬
wiesen, man dürfe die Schösfenbank nicht schlechter machen lassen als die Hofe-
bcmk, wer den Mannen zu gering sei, der sei es auch für die Schöffen und die
Ritterschaft würde ob dieser Wahl die Bürgerschaft verhöhnen. Und nicht allein
in den Handwerksstüben und Schenken hörte man solche Ansichten, auch die
Kaufmannschaft und sogar die andern neu gewähltem Schöffen fürchteten, wie
die Sachen nun einmal lagen, eine Schädigung der Würde des Gerichts durch
die Wahl, ja diese erklärten schließlich, ganz wie vor Jahren die Mannen, und
Christoph Rindfleisch nicht zusammen auf der Bank sitzen zu wollen. Die
Menge, immer zum Aufruhr geneigt, wurde durch diese Haltung der Besseren
vollends ermuthigt und der Rath besorgte das Aergste, wenn er an der Wahl
festhielt. Es scheint, daß Christoph Rindfleisch um der Stadt Ruhe willen
freiwillig zurückgetreten sei, aber positive Belege dafür fehlen, urkundlich ste^
nur fest, daß uicht er, sondern ganz gegen Recht und Gewohnheit Herr Hans
Pvpplau vereidet und ans die Schöffenbank gesetzt wurde, und daß dann die
Unruhe in der Stadt sich legte. Jedoch die nach unseren reichen Quellen ganz
deutlich erkennbare Haltung Christophs nach wie vor dieser Kränkung, das
Verhältniß, in dem er und die Seinen zu Rath und Bürgerschaft unausgesetzt


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[0132] Rindfleisch und Vormund seiner minderjährigen Kinder, und noch andere Rathsherren, die wohl Anspruch machten auf reiche Bewirthung und die nicht unwürdig die Stadt vertreten hätten, soweit es ans Pracht des Auftretens und gediegenen Reichthum ankam. Aber andere, ernstere Dinge lagen den Herren im Sinn; sie lehnten ab. „Wir wollten Euer fürstlichen Gnaden in gar viel Größerem gerne zu unverdrossenen Diensten werden, wo die Zeit unserer ge¬ wöhnlichen Küre itzunder nicht einfiele, derowegen wir gemeiner Stadt Sachen halben auf diesmal nicht abkommen mögen demüthig bittende, Euer fürstlichen Gnaden wollen uns daran entschuldigt haben. Damit wir aber nicht also gar ausbleiben, schicken wir Euer fürstlichen Gnaden hierbei zwei grüne Lachse, eine Lägel Malvasier und eine Lägel mit Landwein." Am Aschermittwoch war der Tag der städtischen Wahlen, bei denen dieses Jahr aufs neue der Versuch gemacht werden sollte, Herrn Christoph Rindfleisch zu öffentlichen Aemtern und Würden zu bringen, und man mochte von Seiten des Raths, dem die Wahl zustand, hoffen, daß eine Wahl zur städtischen Schöffeubank nicht den Widerspruch finden werde, den vor sechs Jahren die Wahl zur Hofebcmk bei der allzeit den Städtern aufsäßigen Ritterschaft gefunden hatte. Leider täuschte der Rath sich hierin gewaltig, denn schon während des Fastnachtstrubels waren die alten Schwätzereien wieder laut geworden, und nachdem nun die Wahl vollzogen war und die Einführung in's Amt nahe bevorstand, da trat die Abneigung der Bevölkerung dagegen in bedrohlicher Weise zu Tage, noch besonders scharf deshalb, weil die Hetzer jetzt darauf hin¬ wiesen, man dürfe die Schösfenbank nicht schlechter machen lassen als die Hofe- bcmk, wer den Mannen zu gering sei, der sei es auch für die Schöffen und die Ritterschaft würde ob dieser Wahl die Bürgerschaft verhöhnen. Und nicht allein in den Handwerksstüben und Schenken hörte man solche Ansichten, auch die Kaufmannschaft und sogar die andern neu gewähltem Schöffen fürchteten, wie die Sachen nun einmal lagen, eine Schädigung der Würde des Gerichts durch die Wahl, ja diese erklärten schließlich, ganz wie vor Jahren die Mannen, und Christoph Rindfleisch nicht zusammen auf der Bank sitzen zu wollen. Die Menge, immer zum Aufruhr geneigt, wurde durch diese Haltung der Besseren vollends ermuthigt und der Rath besorgte das Aergste, wenn er an der Wahl festhielt. Es scheint, daß Christoph Rindfleisch um der Stadt Ruhe willen freiwillig zurückgetreten sei, aber positive Belege dafür fehlen, urkundlich ste^ nur fest, daß uicht er, sondern ganz gegen Recht und Gewohnheit Herr Hans Pvpplau vereidet und ans die Schöffenbank gesetzt wurde, und daß dann die Unruhe in der Stadt sich legte. Jedoch die nach unseren reichen Quellen ganz deutlich erkennbare Haltung Christophs nach wie vor dieser Kränkung, das Verhältniß, in dem er und die Seinen zu Rath und Bürgerschaft unausgesetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/132>, abgerufen am 25.08.2024.