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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Hebel jedenfalls für sein Trachte" nach öffentlicher Würde. Herr Hans Rndi-
gersdorf, Herr Hans Eßlinger und Herr Hans Hübner, der reiche Besitzer der
Schmelzbutter in Reichenstein, Herr Paul Hornig, Herr Hans Hemmerdey und
Herr Valentin Scheuerlein, ein etwas lebeuslnstiger Herr, der gleich nach der
Hochzeit in Strafe kam, weil er gegen eines ehrbaren Raths strenge Hochzeits¬
ordnung verstoßen, aber der nahe Verwandte hochgelehrter Herren und wohl¬
angesehener Schöffen und Rathsfrennde. Wer die Denkmäler in Breslaus
Kirchen betrachtet, dem wird die Bedeutung dieser Namen unschwer klar, und
die Bücher der Stadt sowie die vielen Genealogien der folgenden Jahrhunderte
und die Stammbäume mancher heute der Kaufmannschaft weit entfremdeter
Adelsfamilien sind voll davon. --

Dies war der Kreis nah verwandter Häuser, der der Wahl Herrn
Christophs auf die Hofebank an Fastnacht 1501 mit banger Erwartung
entgegensah. Nicht daß die Wahl an sich unsicher gewesen wäre, aber sie
hatte ein übles Reden wieder wachgerufen über einen dunkeln Vorgang in och
alten Herrn Hans Rindfleisch Leben und die Familie fürchtete nur zu sehr
un't Recht, daß der Versuch Christophs aus der angesehenen Privatstellung
heraus in öffentliche Ehren und Aemter einzutreten, dies unheildrohende
Gewitter zum Ausbruch bringen möchte.

Die Befürchtung war wie gesagt nur zu begründet; denn wenn man
"und das bisherige Geschwätz der Leute, auf das der intelligentere Theil der
Stadtbevölkerung doch nichts gab, ignoriren konnte, -- so erklärten nun offiziell
und in einer für das ganze Fürstenthum fühlbaren Weise die vier von dem
Landadel gekorenen Rechtssitzer --, sie würden mit Herrn Christoph im
Hofgericht nicht zusammen sitzen, weil sein Vater durch eigenhändig geleisteten
Henkerdienst sich und sein ganzes Geschlecht unehrlich gemacht habe. Das war
ein Eklat, der bei den herrschenden Vorurtheilen alle die genannten Familien
"uff Tiefste erschüttern mußte; da ließ sich nichts mehr verschweigen, nichts
'"ehr vertuschen. Und das Schlimmste war, daß. an der Thatsache selbst
"icht gezweifelt werden konnte, es stand fest, Herr Hans Rindfleisch hatte vor
etwa 30 Jahren einen Dieb mit seiner eignen Hand durch den Strang vom
Leben zum Tode gebracht; nur die näheren Umstände, die diese unleugbare
Thatsache begleiteten, waren geeignet die Folgen des geleisteten Henkerdienstes
für seine und seiner Nachkommen Ehre auszuschließen. --

Der Nachweis und die Anerkennung dieser Umstände mußten sofort mit
aller Energie betrieben werden. Herr Christoph Rindfleisch reiste schleunigst
an das Hoflager König Wladislaws, eine Untersuchung und einen Sentenzbrief
on erbitten, mit reichen Ehrungen bis an höchste Stelle sich den Weg ehrend,
es ihm in einer Zeit, in der die Bestechung selbst des Feigenblatts ent-


Hebel jedenfalls für sein Trachte» nach öffentlicher Würde. Herr Hans Rndi-
gersdorf, Herr Hans Eßlinger und Herr Hans Hübner, der reiche Besitzer der
Schmelzbutter in Reichenstein, Herr Paul Hornig, Herr Hans Hemmerdey und
Herr Valentin Scheuerlein, ein etwas lebeuslnstiger Herr, der gleich nach der
Hochzeit in Strafe kam, weil er gegen eines ehrbaren Raths strenge Hochzeits¬
ordnung verstoßen, aber der nahe Verwandte hochgelehrter Herren und wohl¬
angesehener Schöffen und Rathsfrennde. Wer die Denkmäler in Breslaus
Kirchen betrachtet, dem wird die Bedeutung dieser Namen unschwer klar, und
die Bücher der Stadt sowie die vielen Genealogien der folgenden Jahrhunderte
und die Stammbäume mancher heute der Kaufmannschaft weit entfremdeter
Adelsfamilien sind voll davon. —

Dies war der Kreis nah verwandter Häuser, der der Wahl Herrn
Christophs auf die Hofebank an Fastnacht 1501 mit banger Erwartung
entgegensah. Nicht daß die Wahl an sich unsicher gewesen wäre, aber sie
hatte ein übles Reden wieder wachgerufen über einen dunkeln Vorgang in och
alten Herrn Hans Rindfleisch Leben und die Familie fürchtete nur zu sehr
un't Recht, daß der Versuch Christophs aus der angesehenen Privatstellung
heraus in öffentliche Ehren und Aemter einzutreten, dies unheildrohende
Gewitter zum Ausbruch bringen möchte.

Die Befürchtung war wie gesagt nur zu begründet; denn wenn man
"und das bisherige Geschwätz der Leute, auf das der intelligentere Theil der
Stadtbevölkerung doch nichts gab, ignoriren konnte, — so erklärten nun offiziell
und in einer für das ganze Fürstenthum fühlbaren Weise die vier von dem
Landadel gekorenen Rechtssitzer —, sie würden mit Herrn Christoph im
Hofgericht nicht zusammen sitzen, weil sein Vater durch eigenhändig geleisteten
Henkerdienst sich und sein ganzes Geschlecht unehrlich gemacht habe. Das war
ein Eklat, der bei den herrschenden Vorurtheilen alle die genannten Familien
"uff Tiefste erschüttern mußte; da ließ sich nichts mehr verschweigen, nichts
'"ehr vertuschen. Und das Schlimmste war, daß. an der Thatsache selbst
"icht gezweifelt werden konnte, es stand fest, Herr Hans Rindfleisch hatte vor
etwa 30 Jahren einen Dieb mit seiner eignen Hand durch den Strang vom
Leben zum Tode gebracht; nur die näheren Umstände, die diese unleugbare
Thatsache begleiteten, waren geeignet die Folgen des geleisteten Henkerdienstes
für seine und seiner Nachkommen Ehre auszuschließen. —

Der Nachweis und die Anerkennung dieser Umstände mußten sofort mit
aller Energie betrieben werden. Herr Christoph Rindfleisch reiste schleunigst
an das Hoflager König Wladislaws, eine Untersuchung und einen Sentenzbrief
on erbitten, mit reichen Ehrungen bis an höchste Stelle sich den Weg ehrend,
es ihm in einer Zeit, in der die Bestechung selbst des Feigenblatts ent-


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[0127] Hebel jedenfalls für sein Trachte» nach öffentlicher Würde. Herr Hans Rndi- gersdorf, Herr Hans Eßlinger und Herr Hans Hübner, der reiche Besitzer der Schmelzbutter in Reichenstein, Herr Paul Hornig, Herr Hans Hemmerdey und Herr Valentin Scheuerlein, ein etwas lebeuslnstiger Herr, der gleich nach der Hochzeit in Strafe kam, weil er gegen eines ehrbaren Raths strenge Hochzeits¬ ordnung verstoßen, aber der nahe Verwandte hochgelehrter Herren und wohl¬ angesehener Schöffen und Rathsfrennde. Wer die Denkmäler in Breslaus Kirchen betrachtet, dem wird die Bedeutung dieser Namen unschwer klar, und die Bücher der Stadt sowie die vielen Genealogien der folgenden Jahrhunderte und die Stammbäume mancher heute der Kaufmannschaft weit entfremdeter Adelsfamilien sind voll davon. — Dies war der Kreis nah verwandter Häuser, der der Wahl Herrn Christophs auf die Hofebank an Fastnacht 1501 mit banger Erwartung entgegensah. Nicht daß die Wahl an sich unsicher gewesen wäre, aber sie hatte ein übles Reden wieder wachgerufen über einen dunkeln Vorgang in och alten Herrn Hans Rindfleisch Leben und die Familie fürchtete nur zu sehr un't Recht, daß der Versuch Christophs aus der angesehenen Privatstellung heraus in öffentliche Ehren und Aemter einzutreten, dies unheildrohende Gewitter zum Ausbruch bringen möchte. Die Befürchtung war wie gesagt nur zu begründet; denn wenn man "und das bisherige Geschwätz der Leute, auf das der intelligentere Theil der Stadtbevölkerung doch nichts gab, ignoriren konnte, — so erklärten nun offiziell und in einer für das ganze Fürstenthum fühlbaren Weise die vier von dem Landadel gekorenen Rechtssitzer —, sie würden mit Herrn Christoph im Hofgericht nicht zusammen sitzen, weil sein Vater durch eigenhändig geleisteten Henkerdienst sich und sein ganzes Geschlecht unehrlich gemacht habe. Das war ein Eklat, der bei den herrschenden Vorurtheilen alle die genannten Familien "uff Tiefste erschüttern mußte; da ließ sich nichts mehr verschweigen, nichts '"ehr vertuschen. Und das Schlimmste war, daß. an der Thatsache selbst "icht gezweifelt werden konnte, es stand fest, Herr Hans Rindfleisch hatte vor etwa 30 Jahren einen Dieb mit seiner eignen Hand durch den Strang vom Leben zum Tode gebracht; nur die näheren Umstände, die diese unleugbare Thatsache begleiteten, waren geeignet die Folgen des geleisteten Henkerdienstes für seine und seiner Nachkommen Ehre auszuschließen. — Der Nachweis und die Anerkennung dieser Umstände mußten sofort mit aller Energie betrieben werden. Herr Christoph Rindfleisch reiste schleunigst an das Hoflager König Wladislaws, eine Untersuchung und einen Sentenzbrief on erbitten, mit reichen Ehrungen bis an höchste Stelle sich den Weg ehrend, es ihm in einer Zeit, in der die Bestechung selbst des Feigenblatts ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/127>, abgerufen am 24.08.2024.