Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zogen sie das Vorterrain von Paris, so lange kein Feind zu sehen war, und
brachten durch ihre Quälereien die Einwohner der Dörfer dahin, daß sie
flehentlich die Deutschen um Besatzung baten, um sich vor diesem Auswurf
der Menschheit zu schützen. --

Wer die vorstehenden Zeilen seiner Aufmerksamkeit werth gehalten, dem
wird klar geworden sein, einen wie lähmenden Einfluß die Kommune von
Anbeginn an auf den Gang der Vertheidigung von Paris ausgeübt hat. Man
wird nicht zu weit gehen, wenn man alle, oder die meisten jener Unterlassungs¬
sünden der Vertheidigung, welche einen Jeden mit einem mitleidigen Staunen
erfüllten, der diese denkwürdige Belagerung mitgemacht hat, aus Rechnung
dieser verderblichen Machinationen schiebt, welche von Anfang an denjenigen
Theil der pariser Bevölkerung, der dnrch körperliche Stärke und frühere Lebens¬
weise am besten dazu geeignet war, schnell zum tüchtigen Soldaten zu werden,
vollkommen lahm legte. Waren es doch fast zwei Drittel der circa 400,000
Mann starken "Armee von Paris", welche auf diese Weise unnütze Proviant-
vertilger wurden, sehr bald aber von den Behörden und dem gutgesinnten
Theil der Armee und Nationalgarde mit gerechtfertigten Mißtrauen, mit be¬
gründetem Haß betrachtet werben mußten. Die Franzosen lieben es so sehr,
ihre Niederlagen mit dem Geschrei: "Verrath!" zu bemänteln. Hier durften
sie mit voller Berechtigung, nach objektiver Untersuchung der Thatsachen, aus¬
sprechen: Die Mitglieder des Ceutralcomite, wie die späteren Leiter der Kom¬
mune haben ihr Vaterland mit voller Ueberlegung und klarem Bewußtsein der
Folgen verrathen. Hier sind einmal wirkliche Verräther an der Sache
Frankreichs zu finden. Um sich dies klar zu machen, denke man sich an Stelle
dieser verrätherischen Franzosen und Ausländer, Männer wie Gneisenau und
Nettelbeck bei der Vertheidigung Kolbergs, die, Volksführer im edelsten Sinne
des Wortes, jene 190,000 Mann, die wir hier im Dienste des Verbrechens
mit verzweifelter Ausdauer kämpfen sehen, gleich vom Anfang des Monats
September an, in richtiger Weise zum Festungskriege ausgebildet hätten. N
sechs Wochen konnten sie so weit gebracht werden, daß sie bei einem Ausfall,
durch die Linientruppen ausreichend unterstützt, tüchtig angegriffen hätten.

Der deutschen Belagerungsarmee wäre hierdurch ihre Aufgabe unendlich
erschwert, die Vertheidigungsfähigkeit und die Möglichkeit einer Befreiung für
die Stadt Paris bedeutend vergrößert worden. Die Männer, die dies mit
Absicht verhinderten, verdienen sicherlich den Namen Verräther in vollem Maße-

Möge in Deutschland dafür gesorgt werden, den etwa vorhandenen bösen
v. Clausewitz. Willen zu ähnlichen Thaten rechtzeitig zu zerbrechen.




zogen sie das Vorterrain von Paris, so lange kein Feind zu sehen war, und
brachten durch ihre Quälereien die Einwohner der Dörfer dahin, daß sie
flehentlich die Deutschen um Besatzung baten, um sich vor diesem Auswurf
der Menschheit zu schützen. —

Wer die vorstehenden Zeilen seiner Aufmerksamkeit werth gehalten, dem
wird klar geworden sein, einen wie lähmenden Einfluß die Kommune von
Anbeginn an auf den Gang der Vertheidigung von Paris ausgeübt hat. Man
wird nicht zu weit gehen, wenn man alle, oder die meisten jener Unterlassungs¬
sünden der Vertheidigung, welche einen Jeden mit einem mitleidigen Staunen
erfüllten, der diese denkwürdige Belagerung mitgemacht hat, aus Rechnung
dieser verderblichen Machinationen schiebt, welche von Anfang an denjenigen
Theil der pariser Bevölkerung, der dnrch körperliche Stärke und frühere Lebens¬
weise am besten dazu geeignet war, schnell zum tüchtigen Soldaten zu werden,
vollkommen lahm legte. Waren es doch fast zwei Drittel der circa 400,000
Mann starken „Armee von Paris", welche auf diese Weise unnütze Proviant-
vertilger wurden, sehr bald aber von den Behörden und dem gutgesinnten
Theil der Armee und Nationalgarde mit gerechtfertigten Mißtrauen, mit be¬
gründetem Haß betrachtet werben mußten. Die Franzosen lieben es so sehr,
ihre Niederlagen mit dem Geschrei: „Verrath!" zu bemänteln. Hier durften
sie mit voller Berechtigung, nach objektiver Untersuchung der Thatsachen, aus¬
sprechen: Die Mitglieder des Ceutralcomite, wie die späteren Leiter der Kom¬
mune haben ihr Vaterland mit voller Ueberlegung und klarem Bewußtsein der
Folgen verrathen. Hier sind einmal wirkliche Verräther an der Sache
Frankreichs zu finden. Um sich dies klar zu machen, denke man sich an Stelle
dieser verrätherischen Franzosen und Ausländer, Männer wie Gneisenau und
Nettelbeck bei der Vertheidigung Kolbergs, die, Volksführer im edelsten Sinne
des Wortes, jene 190,000 Mann, die wir hier im Dienste des Verbrechens
mit verzweifelter Ausdauer kämpfen sehen, gleich vom Anfang des Monats
September an, in richtiger Weise zum Festungskriege ausgebildet hätten. N
sechs Wochen konnten sie so weit gebracht werden, daß sie bei einem Ausfall,
durch die Linientruppen ausreichend unterstützt, tüchtig angegriffen hätten.

Der deutschen Belagerungsarmee wäre hierdurch ihre Aufgabe unendlich
erschwert, die Vertheidigungsfähigkeit und die Möglichkeit einer Befreiung für
die Stadt Paris bedeutend vergrößert worden. Die Männer, die dies mit
Absicht verhinderten, verdienen sicherlich den Namen Verräther in vollem Maße-

Möge in Deutschland dafür gesorgt werden, den etwa vorhandenen bösen
v. Clausewitz. Willen zu ähnlichen Thaten rechtzeitig zu zerbrechen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138861"/>
          <p xml:id="ID_263" prev="#ID_262"> zogen sie das Vorterrain von Paris, so lange kein Feind zu sehen war, und<lb/>
brachten durch ihre Quälereien die Einwohner der Dörfer dahin, daß sie<lb/>
flehentlich die Deutschen um Besatzung baten, um sich vor diesem Auswurf<lb/>
der Menschheit zu schützen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_264"> Wer die vorstehenden Zeilen seiner Aufmerksamkeit werth gehalten, dem<lb/>
wird klar geworden sein, einen wie lähmenden Einfluß die Kommune von<lb/>
Anbeginn an auf den Gang der Vertheidigung von Paris ausgeübt hat. Man<lb/>
wird nicht zu weit gehen, wenn man alle, oder die meisten jener Unterlassungs¬<lb/>
sünden der Vertheidigung, welche einen Jeden mit einem mitleidigen Staunen<lb/>
erfüllten, der diese denkwürdige Belagerung mitgemacht hat, aus Rechnung<lb/>
dieser verderblichen Machinationen schiebt, welche von Anfang an denjenigen<lb/>
Theil der pariser Bevölkerung, der dnrch körperliche Stärke und frühere Lebens¬<lb/>
weise am besten dazu geeignet war, schnell zum tüchtigen Soldaten zu werden,<lb/>
vollkommen lahm legte. Waren es doch fast zwei Drittel der circa 400,000<lb/>
Mann starken &#x201E;Armee von Paris", welche auf diese Weise unnütze Proviant-<lb/>
vertilger wurden, sehr bald aber von den Behörden und dem gutgesinnten<lb/>
Theil der Armee und Nationalgarde mit gerechtfertigten Mißtrauen, mit be¬<lb/>
gründetem Haß betrachtet werben mußten. Die Franzosen lieben es so sehr,<lb/>
ihre Niederlagen mit dem Geschrei: &#x201E;Verrath!" zu bemänteln. Hier durften<lb/>
sie mit voller Berechtigung, nach objektiver Untersuchung der Thatsachen, aus¬<lb/>
sprechen: Die Mitglieder des Ceutralcomite, wie die späteren Leiter der Kom¬<lb/>
mune haben ihr Vaterland mit voller Ueberlegung und klarem Bewußtsein der<lb/>
Folgen verrathen. Hier sind einmal wirkliche Verräther an der Sache<lb/>
Frankreichs zu finden. Um sich dies klar zu machen, denke man sich an Stelle<lb/>
dieser verrätherischen Franzosen und Ausländer, Männer wie Gneisenau und<lb/>
Nettelbeck bei der Vertheidigung Kolbergs, die, Volksführer im edelsten Sinne<lb/>
des Wortes, jene 190,000 Mann, die wir hier im Dienste des Verbrechens<lb/>
mit verzweifelter Ausdauer kämpfen sehen, gleich vom Anfang des Monats<lb/>
September an, in richtiger Weise zum Festungskriege ausgebildet hätten. N<lb/>
sechs Wochen konnten sie so weit gebracht werden, daß sie bei einem Ausfall,<lb/>
durch die Linientruppen ausreichend unterstützt, tüchtig angegriffen hätten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_265"> Der deutschen Belagerungsarmee wäre hierdurch ihre Aufgabe unendlich<lb/>
erschwert, die Vertheidigungsfähigkeit und die Möglichkeit einer Befreiung für<lb/>
die Stadt Paris bedeutend vergrößert worden. Die Männer, die dies mit<lb/>
Absicht verhinderten, verdienen sicherlich den Namen Verräther in vollem Maße-</p><lb/>
          <p xml:id="ID_266"> Möge in Deutschland dafür gesorgt werden, den etwa vorhandenen bösen<lb/><note type="byline"> v. Clausewitz.</note> Willen zu ähnlichen Thaten rechtzeitig zu zerbrechen.   </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0102] zogen sie das Vorterrain von Paris, so lange kein Feind zu sehen war, und brachten durch ihre Quälereien die Einwohner der Dörfer dahin, daß sie flehentlich die Deutschen um Besatzung baten, um sich vor diesem Auswurf der Menschheit zu schützen. — Wer die vorstehenden Zeilen seiner Aufmerksamkeit werth gehalten, dem wird klar geworden sein, einen wie lähmenden Einfluß die Kommune von Anbeginn an auf den Gang der Vertheidigung von Paris ausgeübt hat. Man wird nicht zu weit gehen, wenn man alle, oder die meisten jener Unterlassungs¬ sünden der Vertheidigung, welche einen Jeden mit einem mitleidigen Staunen erfüllten, der diese denkwürdige Belagerung mitgemacht hat, aus Rechnung dieser verderblichen Machinationen schiebt, welche von Anfang an denjenigen Theil der pariser Bevölkerung, der dnrch körperliche Stärke und frühere Lebens¬ weise am besten dazu geeignet war, schnell zum tüchtigen Soldaten zu werden, vollkommen lahm legte. Waren es doch fast zwei Drittel der circa 400,000 Mann starken „Armee von Paris", welche auf diese Weise unnütze Proviant- vertilger wurden, sehr bald aber von den Behörden und dem gutgesinnten Theil der Armee und Nationalgarde mit gerechtfertigten Mißtrauen, mit be¬ gründetem Haß betrachtet werben mußten. Die Franzosen lieben es so sehr, ihre Niederlagen mit dem Geschrei: „Verrath!" zu bemänteln. Hier durften sie mit voller Berechtigung, nach objektiver Untersuchung der Thatsachen, aus¬ sprechen: Die Mitglieder des Ceutralcomite, wie die späteren Leiter der Kom¬ mune haben ihr Vaterland mit voller Ueberlegung und klarem Bewußtsein der Folgen verrathen. Hier sind einmal wirkliche Verräther an der Sache Frankreichs zu finden. Um sich dies klar zu machen, denke man sich an Stelle dieser verrätherischen Franzosen und Ausländer, Männer wie Gneisenau und Nettelbeck bei der Vertheidigung Kolbergs, die, Volksführer im edelsten Sinne des Wortes, jene 190,000 Mann, die wir hier im Dienste des Verbrechens mit verzweifelter Ausdauer kämpfen sehen, gleich vom Anfang des Monats September an, in richtiger Weise zum Festungskriege ausgebildet hätten. N sechs Wochen konnten sie so weit gebracht werden, daß sie bei einem Ausfall, durch die Linientruppen ausreichend unterstützt, tüchtig angegriffen hätten. Der deutschen Belagerungsarmee wäre hierdurch ihre Aufgabe unendlich erschwert, die Vertheidigungsfähigkeit und die Möglichkeit einer Befreiung für die Stadt Paris bedeutend vergrößert worden. Die Männer, die dies mit Absicht verhinderten, verdienen sicherlich den Namen Verräther in vollem Maße- Möge in Deutschland dafür gesorgt werden, den etwa vorhandenen bösen v. Clausewitz. Willen zu ähnlichen Thaten rechtzeitig zu zerbrechen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/102
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/102>, abgerufen am 01.07.2024.