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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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verwiesen die Stände den Herzog an den Kaiser, der erst einmal die Sub-
sidiengelder bezahlen möge, da jahrelang die Regimenter für ihn auf den
Beinen gehalten worden seien. Ernst August erwiderte, -- ans naheliegenden
Gründen -- der Kaiser werde auf eine Kompensation wohl nicht eingehen;
und da er einsähe, daß die 32,000 Thaler für den französischen Krieg
baar bezahlt werden müßten, so wolle er seine Privatforderuugeu bei dem
Kaiser in die Wage legen und der getreuen Landschaft unter die Arme
greifen. Sie solle nur eine Obligation aufstellen, worauf sie bereitwilligst
einging! Der hinkende Bote kam freilich nach; der Herzog forderte vom
Lande eine vierprozentige Verzinsung des Geldes, das er ganz unzweifel¬
haft mit dem Schweiße und Blute weimarischer Unterthanen verdient hatte!
Aber auch das wurde dankbar acceptirt. Man war wenigstens für ein Jahr
die Sorge wegen Beschaffung baren Geldes los, das bei dem erschütterten
Vertrauen auf eine geordnete Finanzwirthschaft des weimarischen Herzogtums
schou sehr schwer zu bekommen war. Die Begründung der Kreditkasse aber
wurde ausgesetzt, weil sie erst möglich sei, wenn das Militär reduzirt
werden könne.

Daß die Lage des Landes eine ernste war und die Sequestration desselben,
welche die Landstände befürchteten und als eine nicht gar fernstehende be¬
zeichnet hatten, nahe stand, beweist eine Maßnahme Ernst Augusts selbst, der
"bei den itzigen geldklemmeu Zeiten" sogar auf ein aom Zrawit verzichtete
und die größte Sparsamkeit empfahl. Freilich faßte er, der, wie er schrieb,
"Tag und Nacht in Unruhe und Mühe zum Besten des Landes seine Zeit
hinbringe", die Sache nicht am richtigen Ende an. Er wollte Ersparnisse da
machen, wo sie am wenigsten halfen. Er gebot z. B. bei Ungnade, daß
keinerlei Verehrungen bei den Landtagen mehr gezahlt werden sollten. nach¬
weislich bestanden diese aber im ganzen nur in sechzig Thalern, die den Land¬
tagsbeamten, Schreibern, Boten, Dienern u. s. w. zukamen. Die höchste "Ver¬
ehrung", und vielleicht die uugerechtfertigste, bestand in zwölf Thalern, welche
der einzige Prälat, der Vertreter der Universität, zu empfangen pflegte. Der
Herzog verfügte in Ansehung dieser Verschwendung: "Wir wollen, daß keinem
Menschen, es sei, wer er wolle, ohne unsere gnädigste Genehmigung, ein Präsent
verwilligt, noch weniger eine jährliche Bestallung gegeben werde, um so mehr,
als Uns, dem Landesfürsten, die Disposition über die Landeseinkünfte zusteht
und Wir uns von keinem Minister, Rath und Damen maitressiren lassen. Und
obwohl die Frau Oberhofmeisterin, welche auch in Ansehung ihrer und Anderer
unvermutheter Weise dieserhalb ewige Proposition hat thun lassen, eine kluge,
welterfahrene Hofdame ist, so hat sie doch xrineiM imperantia, und mischt
sich in Alles, was Wir aber bei unserem Leben nicht dulden werden, noch daß


verwiesen die Stände den Herzog an den Kaiser, der erst einmal die Sub-
sidiengelder bezahlen möge, da jahrelang die Regimenter für ihn auf den
Beinen gehalten worden seien. Ernst August erwiderte, — ans naheliegenden
Gründen — der Kaiser werde auf eine Kompensation wohl nicht eingehen;
und da er einsähe, daß die 32,000 Thaler für den französischen Krieg
baar bezahlt werden müßten, so wolle er seine Privatforderuugeu bei dem
Kaiser in die Wage legen und der getreuen Landschaft unter die Arme
greifen. Sie solle nur eine Obligation aufstellen, worauf sie bereitwilligst
einging! Der hinkende Bote kam freilich nach; der Herzog forderte vom
Lande eine vierprozentige Verzinsung des Geldes, das er ganz unzweifel¬
haft mit dem Schweiße und Blute weimarischer Unterthanen verdient hatte!
Aber auch das wurde dankbar acceptirt. Man war wenigstens für ein Jahr
die Sorge wegen Beschaffung baren Geldes los, das bei dem erschütterten
Vertrauen auf eine geordnete Finanzwirthschaft des weimarischen Herzogtums
schou sehr schwer zu bekommen war. Die Begründung der Kreditkasse aber
wurde ausgesetzt, weil sie erst möglich sei, wenn das Militär reduzirt
werden könne.

Daß die Lage des Landes eine ernste war und die Sequestration desselben,
welche die Landstände befürchteten und als eine nicht gar fernstehende be¬
zeichnet hatten, nahe stand, beweist eine Maßnahme Ernst Augusts selbst, der
„bei den itzigen geldklemmeu Zeiten" sogar auf ein aom Zrawit verzichtete
und die größte Sparsamkeit empfahl. Freilich faßte er, der, wie er schrieb,
„Tag und Nacht in Unruhe und Mühe zum Besten des Landes seine Zeit
hinbringe", die Sache nicht am richtigen Ende an. Er wollte Ersparnisse da
machen, wo sie am wenigsten halfen. Er gebot z. B. bei Ungnade, daß
keinerlei Verehrungen bei den Landtagen mehr gezahlt werden sollten. nach¬
weislich bestanden diese aber im ganzen nur in sechzig Thalern, die den Land¬
tagsbeamten, Schreibern, Boten, Dienern u. s. w. zukamen. Die höchste „Ver¬
ehrung", und vielleicht die uugerechtfertigste, bestand in zwölf Thalern, welche
der einzige Prälat, der Vertreter der Universität, zu empfangen pflegte. Der
Herzog verfügte in Ansehung dieser Verschwendung: „Wir wollen, daß keinem
Menschen, es sei, wer er wolle, ohne unsere gnädigste Genehmigung, ein Präsent
verwilligt, noch weniger eine jährliche Bestallung gegeben werde, um so mehr,
als Uns, dem Landesfürsten, die Disposition über die Landeseinkünfte zusteht
und Wir uns von keinem Minister, Rath und Damen maitressiren lassen. Und
obwohl die Frau Oberhofmeisterin, welche auch in Ansehung ihrer und Anderer
unvermutheter Weise dieserhalb ewige Proposition hat thun lassen, eine kluge,
welterfahrene Hofdame ist, so hat sie doch xrineiM imperantia, und mischt
sich in Alles, was Wir aber bei unserem Leben nicht dulden werden, noch daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/94>, abgerufen am 23.07.2024.