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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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und wollenden Geistes liegendes Wirken, welches an der Natur des Be¬
treffenden aber wie die Gabe Geister zu sehen Haftet. Wie man zu dieser
Gabe kommen kann, indem man einem heulenden Hunde auf den Schwanz
tritt und ihm zwischen den Ohren durchsieht, so kaun man beim Kvmmuui-
ziren ein böses Auge erhalten; denn wer beim Umgang um den Altar sich
umblickt, von dem wird künftig alles, was er ansieht, "verschienem". (Lauen¬
burg.) Besonders aber sind es alte Frauen und Juden, deren Blick unheil¬
volle Kraft ausstrahlt. Die Hexe war immer mit dem Basiliskenange begabt,
welches ihr, nachdem sie die letzte Prüfung bestanden hatte, vom Teufel ver¬
liehen wurde. Wo der Ausdruck "böser Blick" nicht mehr in Gebrauch ist,
wird die Ansicht, daß die Behexung vorzüglich auch durch die Augen verübt
worden, dadurch bewahrt, daß mau den Hexen als Hauptattribnt rothe Augen
"der auffallend große oder zusammengewachsene Augenbrauen gibt. Gebräuch¬
lich unter dem Volke ist die Bezeichnung "böser Blick", wie es scheint, nur
noch in Tirol, welches an Italien grenzt. Die Sache aber kommt auch in
andern Alpenländern, sowie in Schlesien, am Rhein und in Norddeutschland
hier und da vor. Wie in Tirol Thiere und Menschen auf diese Art "ver¬
weint" werden können, so glaubt man in der Nordschweiz, daß einäugige
Frauen sogar den Pflanzen schaden; denn es heißt da, wenn eine solche beim
Stecken von Kartoffeln zusehe, so würden sie ungenießbar. In Niederösterreich
s"ge man, wenn es einer Hexe möglich geworden, ein Kind eine Weile anzu¬
sehen, so bekomme sie dasselbe in ihre Gewalt. Solche Kinder heilt man da¬
durch, daß man sie in einen Backofen schiebt, aus dem soeben das Brot
herausgenommen worden ist , und sie einige Sekunden darin läßt. In Tirol
siud dem Augenzauber besonders solche ausgesetzt, die des Morgens unge¬
waschen ausgehen, dann aber schadet er vorzüglich dem Vieh, weshalb man
uicht jedermann in seinen Stall lassen soll. Die durch den bösen Blick Ver¬
weinten können weder essen noch trinken, bekommen lockere Zähne und liegen
^Aos da, bis man ihnen Sankt Johanniswein eingibt. Das beste Mittel
"ber zur Sicherung des Stalles vor solcher Bezauberung ist das Zeichen des
Drudenfußes. Anderwärts in Schlesien und auf dem Hundsrück z. B., wo
wan Kälber, die zur Aufzucht bestimmt sind, vorzüglich vor dem "Judenblick"
hütet, gilt als guter Schutz der Stuben und Ställe Dill und Salz. Früher
wogen noch andere Amulete in Gebrauch gewesen sein, und vermuthlich ge¬
hörten dazu die Schlangenköpfchen, jene kleinen Muscheln, mit denen man
Pferdegeschirre und die Riemen besetzt, an welchen die Metzger ihre Wetzstähle
logen. Daß endlich ein großer Theil der Wahrzeichen unsrer deutschen Städte
ursprünglich die Bedeutung solcher Amulete hatte, sagt schon ihr Name. Noch
wehr aber zeigt dies ihre Gestalt, die entweder grausenhaft oder lächerlich,


und wollenden Geistes liegendes Wirken, welches an der Natur des Be¬
treffenden aber wie die Gabe Geister zu sehen Haftet. Wie man zu dieser
Gabe kommen kann, indem man einem heulenden Hunde auf den Schwanz
tritt und ihm zwischen den Ohren durchsieht, so kaun man beim Kvmmuui-
ziren ein böses Auge erhalten; denn wer beim Umgang um den Altar sich
umblickt, von dem wird künftig alles, was er ansieht, „verschienem". (Lauen¬
burg.) Besonders aber sind es alte Frauen und Juden, deren Blick unheil¬
volle Kraft ausstrahlt. Die Hexe war immer mit dem Basiliskenange begabt,
welches ihr, nachdem sie die letzte Prüfung bestanden hatte, vom Teufel ver¬
liehen wurde. Wo der Ausdruck „böser Blick" nicht mehr in Gebrauch ist,
wird die Ansicht, daß die Behexung vorzüglich auch durch die Augen verübt
worden, dadurch bewahrt, daß mau den Hexen als Hauptattribnt rothe Augen
"der auffallend große oder zusammengewachsene Augenbrauen gibt. Gebräuch¬
lich unter dem Volke ist die Bezeichnung „böser Blick", wie es scheint, nur
noch in Tirol, welches an Italien grenzt. Die Sache aber kommt auch in
andern Alpenländern, sowie in Schlesien, am Rhein und in Norddeutschland
hier und da vor. Wie in Tirol Thiere und Menschen auf diese Art „ver¬
weint" werden können, so glaubt man in der Nordschweiz, daß einäugige
Frauen sogar den Pflanzen schaden; denn es heißt da, wenn eine solche beim
Stecken von Kartoffeln zusehe, so würden sie ungenießbar. In Niederösterreich
s"ge man, wenn es einer Hexe möglich geworden, ein Kind eine Weile anzu¬
sehen, so bekomme sie dasselbe in ihre Gewalt. Solche Kinder heilt man da¬
durch, daß man sie in einen Backofen schiebt, aus dem soeben das Brot
herausgenommen worden ist , und sie einige Sekunden darin läßt. In Tirol
siud dem Augenzauber besonders solche ausgesetzt, die des Morgens unge¬
waschen ausgehen, dann aber schadet er vorzüglich dem Vieh, weshalb man
uicht jedermann in seinen Stall lassen soll. Die durch den bösen Blick Ver¬
weinten können weder essen noch trinken, bekommen lockere Zähne und liegen
^Aos da, bis man ihnen Sankt Johanniswein eingibt. Das beste Mittel
"ber zur Sicherung des Stalles vor solcher Bezauberung ist das Zeichen des
Drudenfußes. Anderwärts in Schlesien und auf dem Hundsrück z. B., wo
wan Kälber, die zur Aufzucht bestimmt sind, vorzüglich vor dem „Judenblick"
hütet, gilt als guter Schutz der Stuben und Ställe Dill und Salz. Früher
wogen noch andere Amulete in Gebrauch gewesen sein, und vermuthlich ge¬
hörten dazu die Schlangenköpfchen, jene kleinen Muscheln, mit denen man
Pferdegeschirre und die Riemen besetzt, an welchen die Metzger ihre Wetzstähle
logen. Daß endlich ein großer Theil der Wahrzeichen unsrer deutschen Städte
ursprünglich die Bedeutung solcher Amulete hatte, sagt schon ihr Name. Noch
wehr aber zeigt dies ihre Gestalt, die entweder grausenhaft oder lächerlich,


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[0063] und wollenden Geistes liegendes Wirken, welches an der Natur des Be¬ treffenden aber wie die Gabe Geister zu sehen Haftet. Wie man zu dieser Gabe kommen kann, indem man einem heulenden Hunde auf den Schwanz tritt und ihm zwischen den Ohren durchsieht, so kaun man beim Kvmmuui- ziren ein böses Auge erhalten; denn wer beim Umgang um den Altar sich umblickt, von dem wird künftig alles, was er ansieht, „verschienem". (Lauen¬ burg.) Besonders aber sind es alte Frauen und Juden, deren Blick unheil¬ volle Kraft ausstrahlt. Die Hexe war immer mit dem Basiliskenange begabt, welches ihr, nachdem sie die letzte Prüfung bestanden hatte, vom Teufel ver¬ liehen wurde. Wo der Ausdruck „böser Blick" nicht mehr in Gebrauch ist, wird die Ansicht, daß die Behexung vorzüglich auch durch die Augen verübt worden, dadurch bewahrt, daß mau den Hexen als Hauptattribnt rothe Augen "der auffallend große oder zusammengewachsene Augenbrauen gibt. Gebräuch¬ lich unter dem Volke ist die Bezeichnung „böser Blick", wie es scheint, nur noch in Tirol, welches an Italien grenzt. Die Sache aber kommt auch in andern Alpenländern, sowie in Schlesien, am Rhein und in Norddeutschland hier und da vor. Wie in Tirol Thiere und Menschen auf diese Art „ver¬ weint" werden können, so glaubt man in der Nordschweiz, daß einäugige Frauen sogar den Pflanzen schaden; denn es heißt da, wenn eine solche beim Stecken von Kartoffeln zusehe, so würden sie ungenießbar. In Niederösterreich s"ge man, wenn es einer Hexe möglich geworden, ein Kind eine Weile anzu¬ sehen, so bekomme sie dasselbe in ihre Gewalt. Solche Kinder heilt man da¬ durch, daß man sie in einen Backofen schiebt, aus dem soeben das Brot herausgenommen worden ist , und sie einige Sekunden darin läßt. In Tirol siud dem Augenzauber besonders solche ausgesetzt, die des Morgens unge¬ waschen ausgehen, dann aber schadet er vorzüglich dem Vieh, weshalb man uicht jedermann in seinen Stall lassen soll. Die durch den bösen Blick Ver¬ weinten können weder essen noch trinken, bekommen lockere Zähne und liegen ^Aos da, bis man ihnen Sankt Johanniswein eingibt. Das beste Mittel "ber zur Sicherung des Stalles vor solcher Bezauberung ist das Zeichen des Drudenfußes. Anderwärts in Schlesien und auf dem Hundsrück z. B., wo wan Kälber, die zur Aufzucht bestimmt sind, vorzüglich vor dem „Judenblick" hütet, gilt als guter Schutz der Stuben und Ställe Dill und Salz. Früher wogen noch andere Amulete in Gebrauch gewesen sein, und vermuthlich ge¬ hörten dazu die Schlangenköpfchen, jene kleinen Muscheln, mit denen man Pferdegeschirre und die Riemen besetzt, an welchen die Metzger ihre Wetzstähle logen. Daß endlich ein großer Theil der Wahrzeichen unsrer deutschen Städte ursprünglich die Bedeutung solcher Amulete hatte, sagt schon ihr Name. Noch wehr aber zeigt dies ihre Gestalt, die entweder grausenhaft oder lächerlich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/63>, abgerufen am 23.07.2024.