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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Bezauberung die naßgemachte Hand in die Asche des Herdes steckt und dann
damit über Thüren und Fenster schlägt, in Algier, wo man den Kindern Ko¬
rallenhalsbänder umhängt, an denen sich ein goldnes oder messingnes Amulet
Ul Form eines Händchens befindet, und in Marokko. Wir begegnen der Hand
als einem Schutz gegen den bösen Blick endlich auch im ersten Hofe der
Alhambra.

Auffallen kann, daß man das Zeichen der Hand in Aegypten nicht be¬
merkt, wo doch sonst der Glaube an Augenzauber und die gegen ihn em¬
pfohlenen Mittel so allgemein wie kaum irgendwo anders anzutreffen ist. In
Kairo begegnet uns dieser Aberglaube an allen Ecken und in jeder Gasse.
Wir können hier jeden Tag mehrmals in den Fall kommen, eine vornehme
arabische Dame an uns vorüberwandeln zu sehen, an der Alles Pracht, Reich¬
thum und Sauberkeit ist, während das Kind, das sich bei ihr befindet, wie
Personifizirte Schmutz neben ihr herwatschelt. Die Mutter in glänzende
Seidenstoffe gekleidet, ihre Augenbrauen sorgfältig mit Spießglanz, ihre Finger-
Hitzen mit Henna geschminkt, hinter ihr her ein Duft von Moschus und Zibet,
der die ganze Gasse erfüllt, und neben ihr dieses von Koth förmlich starrende
vmngelchen oder Mädchen in Lumpen läßt Argwöhnische auf eigene Gedanken
kommen. Es ist aber nichts Anderes als ein Beispiel dafür, daß hiesige
Frauen gerade dann ihre Kleinen ungewaschen und uugeputzt lassen, wenn sie
"ut ihnen ausgehen, und zwar aus Furcht vor dem bösen Blicke. Ans dem¬
selben Grnnde behält man die Knaben so lange als möglich im Harem und
leidet manche Mutter ihren kleinen Sohn als Mädchen, weil letztere dem
^ide weniger ausgesetzt siud. Indeß kann das böse Auge auch Frauen und
erwachsenen Männern gefährlich werden. Kommt man zu jemand, während er
^ Begriffe ist, sich zu Tische zu setzen, so wird man in der Regel von ihm
""geladen werden, an dem Mahle theilzunehmen. Lehnt man das ab, so er¬
fordert die Höflichkeit, daß man seine Weigerung mit einem Glückwunsch wie
"Henian!" (Wohl zu bekomme"!) begleitet, weil der Hausherr sonst glauben
würde, man gönne ihm das eine oder das andere Gericht nicht, und eine ge¬
wöhnliche arabische Redensart sagt: "Ju der Speise, auf die ein neidisches
^uge gefallen ist, liegt kein Segen."

Amulete, welche ein lebendiges Wesen abbilden, gestattet der Islam nicht.
T^an muß sich daher mit Sprüchen, Pflanzen und Mineralien gegen den
Augenzauber zu wehren suchen. Ein Hauptschutzmittel gegen alle schwarze
^agie und so auch gegen den nachtheiligen Einfluß des neidischen Auges ist
Natürlich der Koran, wenn man ihn, wie von Manchen geschieht, in einem
Uilnatnrexemplar bei sich trägt. Wer es billiger und bequemer habe" will,
'"ag sich mit einem Zettel, auf dem bestimmte Stellen des heiligen Buches,


Bezauberung die naßgemachte Hand in die Asche des Herdes steckt und dann
damit über Thüren und Fenster schlägt, in Algier, wo man den Kindern Ko¬
rallenhalsbänder umhängt, an denen sich ein goldnes oder messingnes Amulet
Ul Form eines Händchens befindet, und in Marokko. Wir begegnen der Hand
als einem Schutz gegen den bösen Blick endlich auch im ersten Hofe der
Alhambra.

Auffallen kann, daß man das Zeichen der Hand in Aegypten nicht be¬
merkt, wo doch sonst der Glaube an Augenzauber und die gegen ihn em¬
pfohlenen Mittel so allgemein wie kaum irgendwo anders anzutreffen ist. In
Kairo begegnet uns dieser Aberglaube an allen Ecken und in jeder Gasse.
Wir können hier jeden Tag mehrmals in den Fall kommen, eine vornehme
arabische Dame an uns vorüberwandeln zu sehen, an der Alles Pracht, Reich¬
thum und Sauberkeit ist, während das Kind, das sich bei ihr befindet, wie
Personifizirte Schmutz neben ihr herwatschelt. Die Mutter in glänzende
Seidenstoffe gekleidet, ihre Augenbrauen sorgfältig mit Spießglanz, ihre Finger-
Hitzen mit Henna geschminkt, hinter ihr her ein Duft von Moschus und Zibet,
der die ganze Gasse erfüllt, und neben ihr dieses von Koth förmlich starrende
vmngelchen oder Mädchen in Lumpen läßt Argwöhnische auf eigene Gedanken
kommen. Es ist aber nichts Anderes als ein Beispiel dafür, daß hiesige
Frauen gerade dann ihre Kleinen ungewaschen und uugeputzt lassen, wenn sie
"ut ihnen ausgehen, und zwar aus Furcht vor dem bösen Blicke. Ans dem¬
selben Grnnde behält man die Knaben so lange als möglich im Harem und
leidet manche Mutter ihren kleinen Sohn als Mädchen, weil letztere dem
^ide weniger ausgesetzt siud. Indeß kann das böse Auge auch Frauen und
erwachsenen Männern gefährlich werden. Kommt man zu jemand, während er
^ Begriffe ist, sich zu Tische zu setzen, so wird man in der Regel von ihm
""geladen werden, an dem Mahle theilzunehmen. Lehnt man das ab, so er¬
fordert die Höflichkeit, daß man seine Weigerung mit einem Glückwunsch wie
"Henian!" (Wohl zu bekomme»!) begleitet, weil der Hausherr sonst glauben
würde, man gönne ihm das eine oder das andere Gericht nicht, und eine ge¬
wöhnliche arabische Redensart sagt: „Ju der Speise, auf die ein neidisches
^uge gefallen ist, liegt kein Segen."

Amulete, welche ein lebendiges Wesen abbilden, gestattet der Islam nicht.
T^an muß sich daher mit Sprüchen, Pflanzen und Mineralien gegen den
Augenzauber zu wehren suchen. Ein Hauptschutzmittel gegen alle schwarze
^agie und so auch gegen den nachtheiligen Einfluß des neidischen Auges ist
Natürlich der Koran, wenn man ihn, wie von Manchen geschieht, in einem
Uilnatnrexemplar bei sich trägt. Wer es billiger und bequemer habe» will,
'"ag sich mit einem Zettel, auf dem bestimmte Stellen des heiligen Buches,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/57>, abgerufen am 23.07.2024.