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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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feurig und wohlschmeckend, hat etwas viel Gerbstoffgehalt und wird mit der
Zeit dem Burgunder ähnlich, Eigenschaften, von denen die guten ganz beson¬
ders, die schlechten fast gar nicht dem Katzensprung zukommen, der unmittelbar
der Stadt Meißen gegenüber wächst und in der That einer der besten Roth¬
weine ganz Deutschlands ist. Nächst dem Katzensprung sind die besten Lagen:
das Spargebirge und der Goldberg bei Meißen, Loschwitz, Villnitz und Wach¬
witz. Sehr bedeutend ist der Verkauf von Trauben aus den Elbweinbergeu,
dieselben gehen bei guten Ernten in Masten nicht bloß nach Dresden, Berlin
und Leipzig, sondern selbst bis nach Hamburg.

Abgesehen von der Elbgegend wird im Königreich Sachsen noch Weinbau
verübt bei Grimma und Thallwitz an der Mulde und bei Bautzen an der
Spree -- "glücklicher Weise auf so unbedeutendem Gebiet", sagt Hamm, "daß
ein weiterer Schaden davon bisher nicht verspürt worden ist." In England
findet man häufig "Elbe-Sherry" angekündigt, als "leicht und gesund, jede
Tasel ziereud, so anregend wie irgend ein andrer importirter Wein und vor
Allem frei von jedweder Säure." Das Letzte ist hiervon allein, aber auch
ganz und gar richtig; denn dieser "Sherry" hat nicht die allermindeste Wein¬
säure, da er nie etwas mit Reben und Trauben zu thun gehabt hat, sondern
nur ein Produkt der Hamburger "Chemiker in Wein" ist. Er gehört in die
Reihe derselben Erfindungen wie die "nikotinfreien Cigarren" und der "Cicho-
rienkaffee", aber die Engländer kaufen ihn doch, weil er billig ist und genau
die Farbe des echten Xeresweins hat.

Wir wenden uns nun zu den Resten des alten norddeutschen Weinbaus,
die man in Schlesien, Posen und Brandenburg antrifft. Kaum wird in deut¬
schen Gauen ein Weinchen bekannter fein als der Grüneberger. Kein Rebensaft
hat mehr vom Spott und Schimpf des Volkshumors zu leiden gehabt, und von
keinem ist mit mehr Recht zu behaupten, daß er besser als sein Ruf. Wo ein
echter Weintrinker von ihm hört, fagt er: "Brrr!" und schüttelt sich. Nach
einem Gedichte von Haltaus war er einst selbst dem Teufel zu sauer. Es ist
aber nicht so schlimm. Grüneberg erzeugt Weine, welche sich gerade dadurch
vortheilhaft auszeichnen, daß sie nur wenig Säure haben, und bei einer Flasche
seines Mousseux ließ sich selbst Jeremias Klagesanft gern eine halbe Stunde
dort aufhalten. Das Areal der Weinberge beträgt jetzt im Kreise Grüneberg
ungefähr 1350 Hektaren, die einen durchschnittlichen Ertrag von vierundzwanzig-
tausend Hektolitern im Jahre liefern. Den höchsten Ertrag ergaben die schle¬
ichen Reben im Jahre 1846 mit 43,000 Hektolitern. Es wird somit hier
weit mehr Wein erzeugt als in Sachsen, und auch in Betreff der Qualität
steht der Saft der Trauben von Grüneberg und seiner Nachbarschaft unbe¬
dingt über dem der sächsischen und thüringischen; denn jener wird in den


feurig und wohlschmeckend, hat etwas viel Gerbstoffgehalt und wird mit der
Zeit dem Burgunder ähnlich, Eigenschaften, von denen die guten ganz beson¬
ders, die schlechten fast gar nicht dem Katzensprung zukommen, der unmittelbar
der Stadt Meißen gegenüber wächst und in der That einer der besten Roth¬
weine ganz Deutschlands ist. Nächst dem Katzensprung sind die besten Lagen:
das Spargebirge und der Goldberg bei Meißen, Loschwitz, Villnitz und Wach¬
witz. Sehr bedeutend ist der Verkauf von Trauben aus den Elbweinbergeu,
dieselben gehen bei guten Ernten in Masten nicht bloß nach Dresden, Berlin
und Leipzig, sondern selbst bis nach Hamburg.

Abgesehen von der Elbgegend wird im Königreich Sachsen noch Weinbau
verübt bei Grimma und Thallwitz an der Mulde und bei Bautzen an der
Spree — „glücklicher Weise auf so unbedeutendem Gebiet", sagt Hamm, „daß
ein weiterer Schaden davon bisher nicht verspürt worden ist." In England
findet man häufig „Elbe-Sherry" angekündigt, als „leicht und gesund, jede
Tasel ziereud, so anregend wie irgend ein andrer importirter Wein und vor
Allem frei von jedweder Säure." Das Letzte ist hiervon allein, aber auch
ganz und gar richtig; denn dieser „Sherry" hat nicht die allermindeste Wein¬
säure, da er nie etwas mit Reben und Trauben zu thun gehabt hat, sondern
nur ein Produkt der Hamburger „Chemiker in Wein" ist. Er gehört in die
Reihe derselben Erfindungen wie die „nikotinfreien Cigarren" und der „Cicho-
rienkaffee", aber die Engländer kaufen ihn doch, weil er billig ist und genau
die Farbe des echten Xeresweins hat.

Wir wenden uns nun zu den Resten des alten norddeutschen Weinbaus,
die man in Schlesien, Posen und Brandenburg antrifft. Kaum wird in deut¬
schen Gauen ein Weinchen bekannter fein als der Grüneberger. Kein Rebensaft
hat mehr vom Spott und Schimpf des Volkshumors zu leiden gehabt, und von
keinem ist mit mehr Recht zu behaupten, daß er besser als sein Ruf. Wo ein
echter Weintrinker von ihm hört, fagt er: „Brrr!" und schüttelt sich. Nach
einem Gedichte von Haltaus war er einst selbst dem Teufel zu sauer. Es ist
aber nicht so schlimm. Grüneberg erzeugt Weine, welche sich gerade dadurch
vortheilhaft auszeichnen, daß sie nur wenig Säure haben, und bei einer Flasche
seines Mousseux ließ sich selbst Jeremias Klagesanft gern eine halbe Stunde
dort aufhalten. Das Areal der Weinberge beträgt jetzt im Kreise Grüneberg
ungefähr 1350 Hektaren, die einen durchschnittlichen Ertrag von vierundzwanzig-
tausend Hektolitern im Jahre liefern. Den höchsten Ertrag ergaben die schle¬
ichen Reben im Jahre 1846 mit 43,000 Hektolitern. Es wird somit hier
weit mehr Wein erzeugt als in Sachsen, und auch in Betreff der Qualität
steht der Saft der Trauben von Grüneberg und seiner Nachbarschaft unbe¬
dingt über dem der sächsischen und thüringischen; denn jener wird in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/515>, abgerufen am 26.06.2024.