Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.Firlefanzes für einen Heiligen hielt? In der That, es war weit gekommen Lassalle ahnte hier vielleicht seineu baldigen Tod, nicht aber die unrühm¬ Mit der ronsdorfer Rede schließt die "glorreiche Heerschau" und im We¬ Grenzboten II. 1377. 63
Firlefanzes für einen Heiligen hielt? In der That, es war weit gekommen Lassalle ahnte hier vielleicht seineu baldigen Tod, nicht aber die unrühm¬ Mit der ronsdorfer Rede schließt die „glorreiche Heerschau" und im We¬ Grenzboten II. 1377. 63
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138202"/> <p xml:id="ID_1429" prev="#ID_1428"> Firlefanzes für einen Heiligen hielt? In der That, es war weit gekommen<lb/> mit dem Agitator, wenn Lob von dieser Seite ihm wohlthat, oder wenn er<lb/> sich, um die Massen zu bethören, stellte, als habe er sich solchen Lobes zu<lb/> rühmen. Es sah fast ans, als ginge es mit ihm zu Ende, und es klang bei¬<lb/> nahe, als ob er selbst etwas davon ahne, wenn er seine Rede mit den Worten<lb/> schloß: „Ich habe wie Ihr denken könnt, dieses Banner nicht ergriffen, ohne<lb/> ganz genau voraus zu wissen, daß ich dabei persönlich zu Grunde gehen kann."<lb/> Aber er fuhr fort: „Die Gefühle, die mich bei dem Gedanken durchdringen,<lb/> daß ich persönlich beseitigt werden kann, lassen sich nicht besser zusammenfassen<lb/> als in die Worte des römischen Dichters: Lxnrikre gli^uis nostris ex ossi-<lb/> bus ultor! Zu Deutsch: Möge, wenn ich beseitigt werde, irgend ein Rächer<lb/> und Nachfolger aus meinen Gebeinen aufstehen. Möge mit meiner Person<lb/> diese gewaltige und nationale Kulturbewegung nicht zu Grnnde gehen, sondern<lb/> die Feuersbrunst, die ich entzündet, weiter und weiter fressen, so lange ein<lb/> einziger von Euch noch athmet! Das versprecht mir, und zum Zeichen des¬<lb/> selben hebt Eure Rechte empor."</p><lb/> <p xml:id="ID_1430"> Lassalle ahnte hier vielleicht seineu baldigen Tod, nicht aber die unrühm¬<lb/> liche Art dieses Todes, und ebenso wenig ließ er sich in diesem Augenblicke<lb/> wohl trüumeu, daß diese „nationale" Bewegung zwar nicht mit ihm, aber doch als<lb/> national und monarchisch sterben werde, d. h. daß der internationale republi¬<lb/> kanische Kommunismus nach Verlauf weniger Jahre sich der von ihm begon¬<lb/> nenen Bewegung bemächtigt und den allgemeinen deutschen Arbeiterverein ver¬<lb/> schlungen haben werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1431" next="#ID_1432"> Mit der ronsdorfer Rede schließt die „glorreiche Heerschau" und im We¬<lb/> sentlichen die ganze Arbeiteragitativn Lassalle's. Er ging jetzt nach Ems, wo<lb/> er den Juni verlebte. Hier verhandelte er mit Herrn v. Hofstetten, einem<lb/> wenig bedeutenden Phantasten, der früher bairischer Lieutenant gewesen war<lb/> und sich ihm nun angeschlossen hatte, sowie mit Herrn v. Schweitzer über die<lb/> Gründung eines eigenen Vereinsblattes, und man kam dahin überein, ein<lb/> solches vom 1. Januar 1865 ab unter der Redaktion der beiden Edelleute er¬<lb/> scheinen zu lassen. Es sollte den Namen „Der Sozialdemokrat" führen und<lb/> in Berlin herauskommen. Nach Verlauf seiner einher Kur und verschiedenen<lb/> Kreuz- und Querreihen am Rhein, in der Pfalz und in Baden siedelte Lassalle<lb/> Mitte Juli in die Schweiz nach Rigi-Kaltbad über, wo er die erwähnte<lb/> Broschüre gegen Vahlteich schrieb. Sie war sein letztes Werk. Noch nicht<lb/> lange (am 25. Juli) war das Manuskript uach Berlin abgesandt, als mit einem<lb/> Besuch des Fräuleins Helene v. Dönniges (am 3. August) die Reihe von<lb/> Verwickelungen widerwärtigster Art begann, die sich durch den größten Theil</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1377. 63</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
Firlefanzes für einen Heiligen hielt? In der That, es war weit gekommen
mit dem Agitator, wenn Lob von dieser Seite ihm wohlthat, oder wenn er
sich, um die Massen zu bethören, stellte, als habe er sich solchen Lobes zu
rühmen. Es sah fast ans, als ginge es mit ihm zu Ende, und es klang bei¬
nahe, als ob er selbst etwas davon ahne, wenn er seine Rede mit den Worten
schloß: „Ich habe wie Ihr denken könnt, dieses Banner nicht ergriffen, ohne
ganz genau voraus zu wissen, daß ich dabei persönlich zu Grunde gehen kann."
Aber er fuhr fort: „Die Gefühle, die mich bei dem Gedanken durchdringen,
daß ich persönlich beseitigt werden kann, lassen sich nicht besser zusammenfassen
als in die Worte des römischen Dichters: Lxnrikre gli^uis nostris ex ossi-
bus ultor! Zu Deutsch: Möge, wenn ich beseitigt werde, irgend ein Rächer
und Nachfolger aus meinen Gebeinen aufstehen. Möge mit meiner Person
diese gewaltige und nationale Kulturbewegung nicht zu Grnnde gehen, sondern
die Feuersbrunst, die ich entzündet, weiter und weiter fressen, so lange ein
einziger von Euch noch athmet! Das versprecht mir, und zum Zeichen des¬
selben hebt Eure Rechte empor."
Lassalle ahnte hier vielleicht seineu baldigen Tod, nicht aber die unrühm¬
liche Art dieses Todes, und ebenso wenig ließ er sich in diesem Augenblicke
wohl trüumeu, daß diese „nationale" Bewegung zwar nicht mit ihm, aber doch als
national und monarchisch sterben werde, d. h. daß der internationale republi¬
kanische Kommunismus nach Verlauf weniger Jahre sich der von ihm begon¬
nenen Bewegung bemächtigt und den allgemeinen deutschen Arbeiterverein ver¬
schlungen haben werde.
Mit der ronsdorfer Rede schließt die „glorreiche Heerschau" und im We¬
sentlichen die ganze Arbeiteragitativn Lassalle's. Er ging jetzt nach Ems, wo
er den Juni verlebte. Hier verhandelte er mit Herrn v. Hofstetten, einem
wenig bedeutenden Phantasten, der früher bairischer Lieutenant gewesen war
und sich ihm nun angeschlossen hatte, sowie mit Herrn v. Schweitzer über die
Gründung eines eigenen Vereinsblattes, und man kam dahin überein, ein
solches vom 1. Januar 1865 ab unter der Redaktion der beiden Edelleute er¬
scheinen zu lassen. Es sollte den Namen „Der Sozialdemokrat" führen und
in Berlin herauskommen. Nach Verlauf seiner einher Kur und verschiedenen
Kreuz- und Querreihen am Rhein, in der Pfalz und in Baden siedelte Lassalle
Mitte Juli in die Schweiz nach Rigi-Kaltbad über, wo er die erwähnte
Broschüre gegen Vahlteich schrieb. Sie war sein letztes Werk. Noch nicht
lange (am 25. Juli) war das Manuskript uach Berlin abgesandt, als mit einem
Besuch des Fräuleins Helene v. Dönniges (am 3. August) die Reihe von
Verwickelungen widerwärtigster Art begann, die sich durch den größten Theil
Grenzboten II. 1377. 63
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