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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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den unter der thätigsten und energischsten Führung des preußischen Handels¬
ministeriums in einer gauzeu Reihe von Konferenzen in Frankfurt a. M.,
Berlin, Bromberg, Hannover, Karlsruhe und München in gemeinsamer Be¬
rathung mit den Transportinteressenten die Grundzüge diskutirt, die Wünsche
der Transportinteressenten wurden gehört und berücksichtigt, und schließlich
wurde in einer letzten Konferenz in Berlin am 12. und 13. Februar d. I. die
Tarifreform glücklich zu Ende geführt.

Danach sollen für die Folge an Güterklassen bestehen:

1. Eilgut, mit Unterscheidung der Beförderung in gewöhnlichen Zügen
oder in Schnellzügen.
2. Stückgut.
3. Wagenladungen mit den Unterabtheilungen:
und ^2,
L, und 3 Spezialtarifen
I, II und III.

Nebenher sollen noch Ausnahmetarife, sowohl solche über die Höhe der
Maximaleinheitssätze als auch solche mit niedrigeren Tarifsätzen, außerhalb
des Rahmens des allgemeinen Tarifschemas zulässig sein; diese sollen aber in
jedem einzelnen Falle der speziellen Genehmigung der Aufsichtsbehörden unter¬
liegen, welch' letztere auch die Maximaltarifsätze festsetzen und revidiren. Hierin
nun liegt der Stein des Anstoßes für die Privatbahnen Preußens. Diese ver¬
langen mehr Freiheit in der Einstellung von Ausnahmetarifen, soweit sie unter
den Maximalsützen bleiben. Ferner verlangen sie für sämmtliche Privatbahnen
zusammen dieselben Maximalsätze, und nicht nur bis auf Weiteres, sondern
von vornherein auf längere Zeit hinaus bestimmt, sowie selbstthätige Mitwir¬
kung bei deu periodischen Revisionen der Maximaltarifsätze. Diese größere
Freiheit nun will die Aufsichtsbehörde, d. h. das Handelsministerium und
gleichzeitig der Chef der Staatseisenbahnen, nicht gewähren. Der Minister will
jeden Ausnahmetarif zur Genehmigung vorgelegt sehen, er will mit jeder
Privatbahn einzeln unterhandeln und für jede einzelne besondere
Mnximaltarissätze feststellen. Er will ferner diese Sätze zunächst nur bis auf
Weiteres bestimmen und behält sich das Recht einer jederzeitigen Revi¬
sion vor.

Offenbar kann man nicht leugnen, daß der Widerstand der Privatbahnen
mehr oder weniger berechtigt ist, wenn man erwägt, daß der Handelsminister
als gleichzeitiger Chef der konkurrirenden Staatsbahnen durch die ihm gegebene
Macht recht wohl in der Lage ist, die Privatbahnen in ihren finanziellen Er¬
folgen sehr stark zu beeinflussen, ja geradezu lahm zu legen. Es sind denn
auch schon aus den Kreisen der Privatbahnen Stimmen laut geworden, die


den unter der thätigsten und energischsten Führung des preußischen Handels¬
ministeriums in einer gauzeu Reihe von Konferenzen in Frankfurt a. M.,
Berlin, Bromberg, Hannover, Karlsruhe und München in gemeinsamer Be¬
rathung mit den Transportinteressenten die Grundzüge diskutirt, die Wünsche
der Transportinteressenten wurden gehört und berücksichtigt, und schließlich
wurde in einer letzten Konferenz in Berlin am 12. und 13. Februar d. I. die
Tarifreform glücklich zu Ende geführt.

Danach sollen für die Folge an Güterklassen bestehen:

1. Eilgut, mit Unterscheidung der Beförderung in gewöhnlichen Zügen
oder in Schnellzügen.
2. Stückgut.
3. Wagenladungen mit den Unterabtheilungen:
und ^2,
L, und 3 Spezialtarifen
I, II und III.

Nebenher sollen noch Ausnahmetarife, sowohl solche über die Höhe der
Maximaleinheitssätze als auch solche mit niedrigeren Tarifsätzen, außerhalb
des Rahmens des allgemeinen Tarifschemas zulässig sein; diese sollen aber in
jedem einzelnen Falle der speziellen Genehmigung der Aufsichtsbehörden unter¬
liegen, welch' letztere auch die Maximaltarifsätze festsetzen und revidiren. Hierin
nun liegt der Stein des Anstoßes für die Privatbahnen Preußens. Diese ver¬
langen mehr Freiheit in der Einstellung von Ausnahmetarifen, soweit sie unter
den Maximalsützen bleiben. Ferner verlangen sie für sämmtliche Privatbahnen
zusammen dieselben Maximalsätze, und nicht nur bis auf Weiteres, sondern
von vornherein auf längere Zeit hinaus bestimmt, sowie selbstthätige Mitwir¬
kung bei deu periodischen Revisionen der Maximaltarifsätze. Diese größere
Freiheit nun will die Aufsichtsbehörde, d. h. das Handelsministerium und
gleichzeitig der Chef der Staatseisenbahnen, nicht gewähren. Der Minister will
jeden Ausnahmetarif zur Genehmigung vorgelegt sehen, er will mit jeder
Privatbahn einzeln unterhandeln und für jede einzelne besondere
Mnximaltarissätze feststellen. Er will ferner diese Sätze zunächst nur bis auf
Weiteres bestimmen und behält sich das Recht einer jederzeitigen Revi¬
sion vor.

Offenbar kann man nicht leugnen, daß der Widerstand der Privatbahnen
mehr oder weniger berechtigt ist, wenn man erwägt, daß der Handelsminister
als gleichzeitiger Chef der konkurrirenden Staatsbahnen durch die ihm gegebene
Macht recht wohl in der Lage ist, die Privatbahnen in ihren finanziellen Er¬
folgen sehr stark zu beeinflussen, ja geradezu lahm zu legen. Es sind denn
auch schon aus den Kreisen der Privatbahnen Stimmen laut geworden, die


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[0435] den unter der thätigsten und energischsten Führung des preußischen Handels¬ ministeriums in einer gauzeu Reihe von Konferenzen in Frankfurt a. M., Berlin, Bromberg, Hannover, Karlsruhe und München in gemeinsamer Be¬ rathung mit den Transportinteressenten die Grundzüge diskutirt, die Wünsche der Transportinteressenten wurden gehört und berücksichtigt, und schließlich wurde in einer letzten Konferenz in Berlin am 12. und 13. Februar d. I. die Tarifreform glücklich zu Ende geführt. Danach sollen für die Folge an Güterklassen bestehen: 1. Eilgut, mit Unterscheidung der Beförderung in gewöhnlichen Zügen oder in Schnellzügen. 2. Stückgut. 3. Wagenladungen mit den Unterabtheilungen: und ^2, L, und 3 Spezialtarifen I, II und III. Nebenher sollen noch Ausnahmetarife, sowohl solche über die Höhe der Maximaleinheitssätze als auch solche mit niedrigeren Tarifsätzen, außerhalb des Rahmens des allgemeinen Tarifschemas zulässig sein; diese sollen aber in jedem einzelnen Falle der speziellen Genehmigung der Aufsichtsbehörden unter¬ liegen, welch' letztere auch die Maximaltarifsätze festsetzen und revidiren. Hierin nun liegt der Stein des Anstoßes für die Privatbahnen Preußens. Diese ver¬ langen mehr Freiheit in der Einstellung von Ausnahmetarifen, soweit sie unter den Maximalsützen bleiben. Ferner verlangen sie für sämmtliche Privatbahnen zusammen dieselben Maximalsätze, und nicht nur bis auf Weiteres, sondern von vornherein auf längere Zeit hinaus bestimmt, sowie selbstthätige Mitwir¬ kung bei deu periodischen Revisionen der Maximaltarifsätze. Diese größere Freiheit nun will die Aufsichtsbehörde, d. h. das Handelsministerium und gleichzeitig der Chef der Staatseisenbahnen, nicht gewähren. Der Minister will jeden Ausnahmetarif zur Genehmigung vorgelegt sehen, er will mit jeder Privatbahn einzeln unterhandeln und für jede einzelne besondere Mnximaltarissätze feststellen. Er will ferner diese Sätze zunächst nur bis auf Weiteres bestimmen und behält sich das Recht einer jederzeitigen Revi¬ sion vor. Offenbar kann man nicht leugnen, daß der Widerstand der Privatbahnen mehr oder weniger berechtigt ist, wenn man erwägt, daß der Handelsminister als gleichzeitiger Chef der konkurrirenden Staatsbahnen durch die ihm gegebene Macht recht wohl in der Lage ist, die Privatbahnen in ihren finanziellen Er¬ folgen sehr stark zu beeinflussen, ja geradezu lahm zu legen. Es sind denn auch schon aus den Kreisen der Privatbahnen Stimmen laut geworden, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/435>, abgerufen am 01.07.2024.