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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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bietstheilen die eigentlichen Fachmänner zurückblieben in untergeordneten
Stellungen und lediglich das Material zusammenbringen mußten, damit mit
Hilfe desselben die lediglich juristisch gebildeten Dezernenten Verfügungen er¬
lassen konnten.

England bildet in anderer Hinsicht ein weiteres schlagendes Beispiel dafür,
daß Fachmänner stets in ihrem Fache zu Klarheit und Einheit gelangen
werden. Es ist nicht zu verwundern, daß in England nicht die technische Seite
der Eisenbahnen sich zuerst zu einer Einigung mit zwingender Nothwendigkeit
darbot, sondern gerade die Gnterverkehrsbranche, denn in England waren und
sind die Eisenbahnen in erster Linie kaufmännische Unternehmungen, und es
war daher sehr natürlich, daß die mit Handel und Industrie am Innigsten
zusammenhängende Seite des Eisenbahngebietes auch am Meisten berücksichtigt
wurde, daß hier am Allermeisten kaufmännisch geschulte Fachleute ma߬
gebenden Einfluß gewannen und fo schon sehr bald die Güterverkehrs- und
Tariffragen von mehr allgemein kaufmännischen Standpunkte aus, auch bei
verschiedenen Bahnen nach einheitlichen Gesichtspunkten betrachtet und auch
nach solchen geregelt wurden.

Daß die hoch entwickelte englische Technik nicht zu denselben erfreulichen
Resultaten gelangte, war einerseits durch deu Umstand begründet, daß die
kaufmännischen Gesichtspunkte zu sehr vorwogen und dadurch ohne irgend
welche sonstigen Rücksichtnahmen lediglich der finanzielle Effekt, mit besonderer
Rücksicht auf die örtlichen und Konkurrenzverhältnisse, erwogen wurde und
dieser sehr häufig wesentliche Einschränkungen der baulichen Anlagen forderte;
andererseits aber dadurch, daß nirgends so sehr wie gerade in der englischen
Technik jeder Schüler im vollsten Sinne des Wortes der Jünger seines
Meisters ist, mit allen Vorzügen und Schwächen des Meisters. Nirgends so
wie gerade in England ist die Erziehung und Allsbildung der Techniker eine
persönliche, von Mann zu Mann, von Lehrer (der in der Praxis steht und
dort groß geworden ist) zu Schiller, -- der denselben Weg einschlagen will. All¬
gemein fachwissenschaftliche Bildung und desgl. Bildungsanstalten fehlen oder
sind nur dürftig vorhanden, und da ist es denn kein Wunder, wenn die eng¬
lischen Techniker, ohne die allgemeine fachwissenschaftliche Bildung, bei striktester
Durchführung der Arbeitstheilung lediglich ihren verhültnißmäßig beschränkten
Horizont umfassen und segensreiche einheitliche Bestrebungen dadurch vereitelt
werden. Der englische Techniker leistet auf seinem speziellen Fachgebiete Aus¬
gezeichnetes, aber in der Regel ist dieses so beschränkt, daß man von einer
allgemeinen Eisenbahntechnik kaum mehr reden kaun. 'IKat's no äexarw-
ment ist die stereotype Antwort bei allen Fragen, die über den Horizont der
dnrch die Arbeitstheilung vorgeschriebenen Grenzen hinausreichen.


bietstheilen die eigentlichen Fachmänner zurückblieben in untergeordneten
Stellungen und lediglich das Material zusammenbringen mußten, damit mit
Hilfe desselben die lediglich juristisch gebildeten Dezernenten Verfügungen er¬
lassen konnten.

England bildet in anderer Hinsicht ein weiteres schlagendes Beispiel dafür,
daß Fachmänner stets in ihrem Fache zu Klarheit und Einheit gelangen
werden. Es ist nicht zu verwundern, daß in England nicht die technische Seite
der Eisenbahnen sich zuerst zu einer Einigung mit zwingender Nothwendigkeit
darbot, sondern gerade die Gnterverkehrsbranche, denn in England waren und
sind die Eisenbahnen in erster Linie kaufmännische Unternehmungen, und es
war daher sehr natürlich, daß die mit Handel und Industrie am Innigsten
zusammenhängende Seite des Eisenbahngebietes auch am Meisten berücksichtigt
wurde, daß hier am Allermeisten kaufmännisch geschulte Fachleute ma߬
gebenden Einfluß gewannen und fo schon sehr bald die Güterverkehrs- und
Tariffragen von mehr allgemein kaufmännischen Standpunkte aus, auch bei
verschiedenen Bahnen nach einheitlichen Gesichtspunkten betrachtet und auch
nach solchen geregelt wurden.

Daß die hoch entwickelte englische Technik nicht zu denselben erfreulichen
Resultaten gelangte, war einerseits durch deu Umstand begründet, daß die
kaufmännischen Gesichtspunkte zu sehr vorwogen und dadurch ohne irgend
welche sonstigen Rücksichtnahmen lediglich der finanzielle Effekt, mit besonderer
Rücksicht auf die örtlichen und Konkurrenzverhältnisse, erwogen wurde und
dieser sehr häufig wesentliche Einschränkungen der baulichen Anlagen forderte;
andererseits aber dadurch, daß nirgends so sehr wie gerade in der englischen
Technik jeder Schüler im vollsten Sinne des Wortes der Jünger seines
Meisters ist, mit allen Vorzügen und Schwächen des Meisters. Nirgends so
wie gerade in England ist die Erziehung und Allsbildung der Techniker eine
persönliche, von Mann zu Mann, von Lehrer (der in der Praxis steht und
dort groß geworden ist) zu Schiller, — der denselben Weg einschlagen will. All¬
gemein fachwissenschaftliche Bildung und desgl. Bildungsanstalten fehlen oder
sind nur dürftig vorhanden, und da ist es denn kein Wunder, wenn die eng¬
lischen Techniker, ohne die allgemeine fachwissenschaftliche Bildung, bei striktester
Durchführung der Arbeitstheilung lediglich ihren verhültnißmäßig beschränkten
Horizont umfassen und segensreiche einheitliche Bestrebungen dadurch vereitelt
werden. Der englische Techniker leistet auf seinem speziellen Fachgebiete Aus¬
gezeichnetes, aber in der Regel ist dieses so beschränkt, daß man von einer
allgemeinen Eisenbahntechnik kaum mehr reden kaun. 'IKat's no äexarw-
ment ist die stereotype Antwort bei allen Fragen, die über den Horizont der
dnrch die Arbeitstheilung vorgeschriebenen Grenzen hinausreichen.


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[0431] bietstheilen die eigentlichen Fachmänner zurückblieben in untergeordneten Stellungen und lediglich das Material zusammenbringen mußten, damit mit Hilfe desselben die lediglich juristisch gebildeten Dezernenten Verfügungen er¬ lassen konnten. England bildet in anderer Hinsicht ein weiteres schlagendes Beispiel dafür, daß Fachmänner stets in ihrem Fache zu Klarheit und Einheit gelangen werden. Es ist nicht zu verwundern, daß in England nicht die technische Seite der Eisenbahnen sich zuerst zu einer Einigung mit zwingender Nothwendigkeit darbot, sondern gerade die Gnterverkehrsbranche, denn in England waren und sind die Eisenbahnen in erster Linie kaufmännische Unternehmungen, und es war daher sehr natürlich, daß die mit Handel und Industrie am Innigsten zusammenhängende Seite des Eisenbahngebietes auch am Meisten berücksichtigt wurde, daß hier am Allermeisten kaufmännisch geschulte Fachleute ma߬ gebenden Einfluß gewannen und fo schon sehr bald die Güterverkehrs- und Tariffragen von mehr allgemein kaufmännischen Standpunkte aus, auch bei verschiedenen Bahnen nach einheitlichen Gesichtspunkten betrachtet und auch nach solchen geregelt wurden. Daß die hoch entwickelte englische Technik nicht zu denselben erfreulichen Resultaten gelangte, war einerseits durch deu Umstand begründet, daß die kaufmännischen Gesichtspunkte zu sehr vorwogen und dadurch ohne irgend welche sonstigen Rücksichtnahmen lediglich der finanzielle Effekt, mit besonderer Rücksicht auf die örtlichen und Konkurrenzverhältnisse, erwogen wurde und dieser sehr häufig wesentliche Einschränkungen der baulichen Anlagen forderte; andererseits aber dadurch, daß nirgends so sehr wie gerade in der englischen Technik jeder Schüler im vollsten Sinne des Wortes der Jünger seines Meisters ist, mit allen Vorzügen und Schwächen des Meisters. Nirgends so wie gerade in England ist die Erziehung und Allsbildung der Techniker eine persönliche, von Mann zu Mann, von Lehrer (der in der Praxis steht und dort groß geworden ist) zu Schiller, — der denselben Weg einschlagen will. All¬ gemein fachwissenschaftliche Bildung und desgl. Bildungsanstalten fehlen oder sind nur dürftig vorhanden, und da ist es denn kein Wunder, wenn die eng¬ lischen Techniker, ohne die allgemeine fachwissenschaftliche Bildung, bei striktester Durchführung der Arbeitstheilung lediglich ihren verhültnißmäßig beschränkten Horizont umfassen und segensreiche einheitliche Bestrebungen dadurch vereitelt werden. Der englische Techniker leistet auf seinem speziellen Fachgebiete Aus¬ gezeichnetes, aber in der Regel ist dieses so beschränkt, daß man von einer allgemeinen Eisenbahntechnik kaum mehr reden kaun. 'IKat's no äexarw- ment ist die stereotype Antwort bei allen Fragen, die über den Horizont der dnrch die Arbeitstheilung vorgeschriebenen Grenzen hinausreichen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/431>, abgerufen am 26.06.2024.