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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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tätensammlung des Museums, die aus etwa 90,000 Münzen, 2018 prähistori¬
schen, 2536 römischen und einer noch größeren Anzahl von mittelalterlichen
Gegenständen besteht, ist ein Werk der letzten Jahre. Die Gemäldesammlung
besteht gegenwärtig aus 636 Nummern, die zum größten Theil Werke ungari¬
scher Künstler sind. Die naturhistorische Abtheilung, die bis 1868 meist aus
Gegenständen zusammengesetzt war, welche ans Ungarn und Siebenbürgen
stammten, hat seitdem, namentlich durch die österreichisch-ungarische Expedition
nach Ostasien, eine Vermehrung um weit über hunderttausend Exemplare allein
im Fache der Zoologie erfahren. Die mineralogische und geologische Samm¬
lung nimmt, seit sie 1870 mit der berühmten Lobkowitz'schen vereinigt worden
ist, nach dem Urtheile ausländischer Fachgelehrter hinsichtlich ihres innern
Werthes unter den europäischen Mineralienkabinetten die dritte Stelle ein.
Im letztgenannten Jahre wurde endlich das Museum um eine neue Abtheilung,
die ethnographische Sammlung, vermehrt, zu welcher der Grund durch die
gelegentlich der soeben erwähnten ostasiatischen Expedition auf Kosten der Negie¬
rung gekauften 5107 Gegenstände gelegt wurde.

Eine dem ungarischen Nationalmuseum ähnliche Aufgabe und Organisation
hat das in Klausenburg bestehende siebenbürgische Museum. Die Errichtung
desselben dankt man den Grafen Joseph Kemeny und Emerich Milo. Jener
vermachte der Anstalt seine reichhaltigen Sammlungen, dieser schenkte ihr ein
Hans mit Park und erließ einen Aufruf zu Beisteuern, der begeisterte Theil¬
nahme fand. Im Dezember 1859 hielt der auf diesem Wege entstandene
Museumsverein seine konstituirende Versammlung, welche den Charakter eines
Nationalfestes trug. Die Summe der einmaligen Spenden belief sich damals
schon auf 187,475, und die auf zehn Jahre zugesagten Beiträge betrugen
jährlich 5100 Gulden. Die Anstalt schreibt auch Preise aus und hat eine
eigene Zeitschrift. Hermannstadt besitzt das Bruckenthal'sche Museum, welches,
zu Anfang dieses Jahrhunderts gegründet, eine Bibliothek, eine Gemälde-, eine
Münzen- und eine Mineraliensammlung umfaßt. Die meisten der oben angeführten
Provinzialvereine, mehrere wissenschaftliche Anstalten und verschiedene bischöf¬
liche Residenzen und Klöster haben gleichfalls beachtenswerthe archäologische
und naturhistorische Sammlungen. Endlich fehlt es in Ungarn auch nicht an
reichen Privatsammlern. In den Schatzkammern der alten Familien, der
Esterhazys, der Palffys u. tgi. häuften sich die KunstobjeKe seit Jahrhun¬
derten. Der Museumsdirektor Pulszky, der Neusohler Bischof Jpolyi, der
Richter am obersten Gerichtshofe Georg Rath, der Graf Emanuel Andrassy
besitzen Kunst- und Alterthümersammlungen von bedeutendem Werthe, und die
botanische Sammlung und Fachbibliothek des Erzbischofs Haynald gehört zu
den reichsten des Kontinents.


tätensammlung des Museums, die aus etwa 90,000 Münzen, 2018 prähistori¬
schen, 2536 römischen und einer noch größeren Anzahl von mittelalterlichen
Gegenständen besteht, ist ein Werk der letzten Jahre. Die Gemäldesammlung
besteht gegenwärtig aus 636 Nummern, die zum größten Theil Werke ungari¬
scher Künstler sind. Die naturhistorische Abtheilung, die bis 1868 meist aus
Gegenständen zusammengesetzt war, welche ans Ungarn und Siebenbürgen
stammten, hat seitdem, namentlich durch die österreichisch-ungarische Expedition
nach Ostasien, eine Vermehrung um weit über hunderttausend Exemplare allein
im Fache der Zoologie erfahren. Die mineralogische und geologische Samm¬
lung nimmt, seit sie 1870 mit der berühmten Lobkowitz'schen vereinigt worden
ist, nach dem Urtheile ausländischer Fachgelehrter hinsichtlich ihres innern
Werthes unter den europäischen Mineralienkabinetten die dritte Stelle ein.
Im letztgenannten Jahre wurde endlich das Museum um eine neue Abtheilung,
die ethnographische Sammlung, vermehrt, zu welcher der Grund durch die
gelegentlich der soeben erwähnten ostasiatischen Expedition auf Kosten der Negie¬
rung gekauften 5107 Gegenstände gelegt wurde.

Eine dem ungarischen Nationalmuseum ähnliche Aufgabe und Organisation
hat das in Klausenburg bestehende siebenbürgische Museum. Die Errichtung
desselben dankt man den Grafen Joseph Kemeny und Emerich Milo. Jener
vermachte der Anstalt seine reichhaltigen Sammlungen, dieser schenkte ihr ein
Hans mit Park und erließ einen Aufruf zu Beisteuern, der begeisterte Theil¬
nahme fand. Im Dezember 1859 hielt der auf diesem Wege entstandene
Museumsverein seine konstituirende Versammlung, welche den Charakter eines
Nationalfestes trug. Die Summe der einmaligen Spenden belief sich damals
schon auf 187,475, und die auf zehn Jahre zugesagten Beiträge betrugen
jährlich 5100 Gulden. Die Anstalt schreibt auch Preise aus und hat eine
eigene Zeitschrift. Hermannstadt besitzt das Bruckenthal'sche Museum, welches,
zu Anfang dieses Jahrhunderts gegründet, eine Bibliothek, eine Gemälde-, eine
Münzen- und eine Mineraliensammlung umfaßt. Die meisten der oben angeführten
Provinzialvereine, mehrere wissenschaftliche Anstalten und verschiedene bischöf¬
liche Residenzen und Klöster haben gleichfalls beachtenswerthe archäologische
und naturhistorische Sammlungen. Endlich fehlt es in Ungarn auch nicht an
reichen Privatsammlern. In den Schatzkammern der alten Familien, der
Esterhazys, der Palffys u. tgi. häuften sich die KunstobjeKe seit Jahrhun¬
derten. Der Museumsdirektor Pulszky, der Neusohler Bischof Jpolyi, der
Richter am obersten Gerichtshofe Georg Rath, der Graf Emanuel Andrassy
besitzen Kunst- und Alterthümersammlungen von bedeutendem Werthe, und die
botanische Sammlung und Fachbibliothek des Erzbischofs Haynald gehört zu
den reichsten des Kontinents.


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[0424] tätensammlung des Museums, die aus etwa 90,000 Münzen, 2018 prähistori¬ schen, 2536 römischen und einer noch größeren Anzahl von mittelalterlichen Gegenständen besteht, ist ein Werk der letzten Jahre. Die Gemäldesammlung besteht gegenwärtig aus 636 Nummern, die zum größten Theil Werke ungari¬ scher Künstler sind. Die naturhistorische Abtheilung, die bis 1868 meist aus Gegenständen zusammengesetzt war, welche ans Ungarn und Siebenbürgen stammten, hat seitdem, namentlich durch die österreichisch-ungarische Expedition nach Ostasien, eine Vermehrung um weit über hunderttausend Exemplare allein im Fache der Zoologie erfahren. Die mineralogische und geologische Samm¬ lung nimmt, seit sie 1870 mit der berühmten Lobkowitz'schen vereinigt worden ist, nach dem Urtheile ausländischer Fachgelehrter hinsichtlich ihres innern Werthes unter den europäischen Mineralienkabinetten die dritte Stelle ein. Im letztgenannten Jahre wurde endlich das Museum um eine neue Abtheilung, die ethnographische Sammlung, vermehrt, zu welcher der Grund durch die gelegentlich der soeben erwähnten ostasiatischen Expedition auf Kosten der Negie¬ rung gekauften 5107 Gegenstände gelegt wurde. Eine dem ungarischen Nationalmuseum ähnliche Aufgabe und Organisation hat das in Klausenburg bestehende siebenbürgische Museum. Die Errichtung desselben dankt man den Grafen Joseph Kemeny und Emerich Milo. Jener vermachte der Anstalt seine reichhaltigen Sammlungen, dieser schenkte ihr ein Hans mit Park und erließ einen Aufruf zu Beisteuern, der begeisterte Theil¬ nahme fand. Im Dezember 1859 hielt der auf diesem Wege entstandene Museumsverein seine konstituirende Versammlung, welche den Charakter eines Nationalfestes trug. Die Summe der einmaligen Spenden belief sich damals schon auf 187,475, und die auf zehn Jahre zugesagten Beiträge betrugen jährlich 5100 Gulden. Die Anstalt schreibt auch Preise aus und hat eine eigene Zeitschrift. Hermannstadt besitzt das Bruckenthal'sche Museum, welches, zu Anfang dieses Jahrhunderts gegründet, eine Bibliothek, eine Gemälde-, eine Münzen- und eine Mineraliensammlung umfaßt. Die meisten der oben angeführten Provinzialvereine, mehrere wissenschaftliche Anstalten und verschiedene bischöf¬ liche Residenzen und Klöster haben gleichfalls beachtenswerthe archäologische und naturhistorische Sammlungen. Endlich fehlt es in Ungarn auch nicht an reichen Privatsammlern. In den Schatzkammern der alten Familien, der Esterhazys, der Palffys u. tgi. häuften sich die KunstobjeKe seit Jahrhun¬ derten. Der Museumsdirektor Pulszky, der Neusohler Bischof Jpolyi, der Richter am obersten Gerichtshofe Georg Rath, der Graf Emanuel Andrassy besitzen Kunst- und Alterthümersammlungen von bedeutendem Werthe, und die botanische Sammlung und Fachbibliothek des Erzbischofs Haynald gehört zu den reichsten des Kontinents.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/424>, abgerufen am 01.10.2024.