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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Waitzen Erwähnung zu thun. Jenes wurde 1800, diese 1829 gegründet, beide
sind in den letzten Jahren reorganisirt worden.

Die wissenschaftliche und literarische Thätigkeit entfaltet sich in Ungarn
vorzugsweise in Vereinen, welche das opferwillige Streben Einzelner ins Leben
gerufen hat, und die sich die Pflege der Linguistik und Belletristik, der Ge¬
schichte und Archäologie, der Naturwissenschaften und der Heilkunde sowie die
Forderung des Unterrichtswesens zur Aufgabe gemacht haben. Nächst der
Akademie der Wissenschaften, über die wir unsere Schrift selbst nachzulesen
bitten, ist die Kisfaludy-Gesellschaft der älteste literarische Verein Ungarns.
Sie wurde 1836 gegründet, und zwar verfolgte man damit zunächst den
Zweck, die Werke des verstorbenen Dichters herauszugeben und ihm ein
Denkmal zu errichten. Gegenwärtig betrachtet die Gesellschaft die Herausgabe
vorzüglicher Originalwerke aus dem Bereiche der schönen Literatur sowie ge¬
diegene Uebersetzungen ausländischer Klassiker, wie Shakespeare, Moliere und
Cervantes, als ihre Aufgabe. Die Zahl der wirklichen Mitglieder beträgt nur
40, die der Gründenden aber (mit Beiträgen von 100--3000 Fi.) beläuft sich
auf 285. Ebenfalls zur Pflege der ungarischen schönen Literatur hat sich vor
Kurzem in Budapest die Petöfi-Gesellschaft und zu Maros-Vasarhely in Sie¬
benbürgen der Kemeny-Verein gebildet, der sich nach dem Namen des Publi¬
zisten und Romandichters Baron Kemeny nannte. Sodann besteht seit 1875
in der Hauptstadt Ungarns eine philologische Gesellschaft, die sich mit den
klassischen Sprachen und Schriftstellern beschäftigt, und seit 1857 schon die Un¬
garische historische Gesellschaft, welche durch Forschungen in den Archiven und
Bibliotheken des Landes der vaterländischen Geschichte eine ansehnliche Zahl
von Quellen geöffnet hat. Andere wissenschaftliche Vereine sind: die vor drei
Jahren gegründete und schon 465 Mitglieder zählende Geographische Gesell¬
schaft, der oberungarische Museumsverein in Kaschau, der seit 1872 besteht
und sein Augenmerk hauptsächlich auf das Sammeln von Alterthümern und
Münzen richtet, der südungarische Verein für Geschichte und Alterthümer in
Temesvar und Gesellschaften mit verwandten Zwecken in den Komitaten Bihar,
Preßburg, Gödöllö, Szegedin, Oedenbnrg, Marmarvs, Csongrad, Jaßbereny
und Rosenau. Ein nicht minder reges Interesse wie für Gegenstände der Ge¬
schichte zeigt sich in neuerer Zeit für die Naturwissenschaften. Dies beweisen
die von der Königlich ungarischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft erreichten
Resultate. Dieselbe existirt seit sechsunddreißig Jahren, zählt jetzt 87
gründende und 4651 ordentliche Mitglieder und gibt die bedeutendsten Fach¬
werke der ausländischen Literatur in sorgfältigen Uebersetzungen sowie (gleich
den größeren von den vorher genannten Vereinen) eine eigene Zeitschrift heraus.
Das Letztere gilt auch von der geologischen Gesellschaft, vom Architekten- und


Waitzen Erwähnung zu thun. Jenes wurde 1800, diese 1829 gegründet, beide
sind in den letzten Jahren reorganisirt worden.

Die wissenschaftliche und literarische Thätigkeit entfaltet sich in Ungarn
vorzugsweise in Vereinen, welche das opferwillige Streben Einzelner ins Leben
gerufen hat, und die sich die Pflege der Linguistik und Belletristik, der Ge¬
schichte und Archäologie, der Naturwissenschaften und der Heilkunde sowie die
Forderung des Unterrichtswesens zur Aufgabe gemacht haben. Nächst der
Akademie der Wissenschaften, über die wir unsere Schrift selbst nachzulesen
bitten, ist die Kisfaludy-Gesellschaft der älteste literarische Verein Ungarns.
Sie wurde 1836 gegründet, und zwar verfolgte man damit zunächst den
Zweck, die Werke des verstorbenen Dichters herauszugeben und ihm ein
Denkmal zu errichten. Gegenwärtig betrachtet die Gesellschaft die Herausgabe
vorzüglicher Originalwerke aus dem Bereiche der schönen Literatur sowie ge¬
diegene Uebersetzungen ausländischer Klassiker, wie Shakespeare, Moliere und
Cervantes, als ihre Aufgabe. Die Zahl der wirklichen Mitglieder beträgt nur
40, die der Gründenden aber (mit Beiträgen von 100—3000 Fi.) beläuft sich
auf 285. Ebenfalls zur Pflege der ungarischen schönen Literatur hat sich vor
Kurzem in Budapest die Petöfi-Gesellschaft und zu Maros-Vasarhely in Sie¬
benbürgen der Kemeny-Verein gebildet, der sich nach dem Namen des Publi¬
zisten und Romandichters Baron Kemeny nannte. Sodann besteht seit 1875
in der Hauptstadt Ungarns eine philologische Gesellschaft, die sich mit den
klassischen Sprachen und Schriftstellern beschäftigt, und seit 1857 schon die Un¬
garische historische Gesellschaft, welche durch Forschungen in den Archiven und
Bibliotheken des Landes der vaterländischen Geschichte eine ansehnliche Zahl
von Quellen geöffnet hat. Andere wissenschaftliche Vereine sind: die vor drei
Jahren gegründete und schon 465 Mitglieder zählende Geographische Gesell¬
schaft, der oberungarische Museumsverein in Kaschau, der seit 1872 besteht
und sein Augenmerk hauptsächlich auf das Sammeln von Alterthümern und
Münzen richtet, der südungarische Verein für Geschichte und Alterthümer in
Temesvar und Gesellschaften mit verwandten Zwecken in den Komitaten Bihar,
Preßburg, Gödöllö, Szegedin, Oedenbnrg, Marmarvs, Csongrad, Jaßbereny
und Rosenau. Ein nicht minder reges Interesse wie für Gegenstände der Ge¬
schichte zeigt sich in neuerer Zeit für die Naturwissenschaften. Dies beweisen
die von der Königlich ungarischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft erreichten
Resultate. Dieselbe existirt seit sechsunddreißig Jahren, zählt jetzt 87
gründende und 4651 ordentliche Mitglieder und gibt die bedeutendsten Fach¬
werke der ausländischen Literatur in sorgfältigen Uebersetzungen sowie (gleich
den größeren von den vorher genannten Vereinen) eine eigene Zeitschrift heraus.
Das Letztere gilt auch von der geologischen Gesellschaft, vom Architekten- und


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[0422] Waitzen Erwähnung zu thun. Jenes wurde 1800, diese 1829 gegründet, beide sind in den letzten Jahren reorganisirt worden. Die wissenschaftliche und literarische Thätigkeit entfaltet sich in Ungarn vorzugsweise in Vereinen, welche das opferwillige Streben Einzelner ins Leben gerufen hat, und die sich die Pflege der Linguistik und Belletristik, der Ge¬ schichte und Archäologie, der Naturwissenschaften und der Heilkunde sowie die Forderung des Unterrichtswesens zur Aufgabe gemacht haben. Nächst der Akademie der Wissenschaften, über die wir unsere Schrift selbst nachzulesen bitten, ist die Kisfaludy-Gesellschaft der älteste literarische Verein Ungarns. Sie wurde 1836 gegründet, und zwar verfolgte man damit zunächst den Zweck, die Werke des verstorbenen Dichters herauszugeben und ihm ein Denkmal zu errichten. Gegenwärtig betrachtet die Gesellschaft die Herausgabe vorzüglicher Originalwerke aus dem Bereiche der schönen Literatur sowie ge¬ diegene Uebersetzungen ausländischer Klassiker, wie Shakespeare, Moliere und Cervantes, als ihre Aufgabe. Die Zahl der wirklichen Mitglieder beträgt nur 40, die der Gründenden aber (mit Beiträgen von 100—3000 Fi.) beläuft sich auf 285. Ebenfalls zur Pflege der ungarischen schönen Literatur hat sich vor Kurzem in Budapest die Petöfi-Gesellschaft und zu Maros-Vasarhely in Sie¬ benbürgen der Kemeny-Verein gebildet, der sich nach dem Namen des Publi¬ zisten und Romandichters Baron Kemeny nannte. Sodann besteht seit 1875 in der Hauptstadt Ungarns eine philologische Gesellschaft, die sich mit den klassischen Sprachen und Schriftstellern beschäftigt, und seit 1857 schon die Un¬ garische historische Gesellschaft, welche durch Forschungen in den Archiven und Bibliotheken des Landes der vaterländischen Geschichte eine ansehnliche Zahl von Quellen geöffnet hat. Andere wissenschaftliche Vereine sind: die vor drei Jahren gegründete und schon 465 Mitglieder zählende Geographische Gesell¬ schaft, der oberungarische Museumsverein in Kaschau, der seit 1872 besteht und sein Augenmerk hauptsächlich auf das Sammeln von Alterthümern und Münzen richtet, der südungarische Verein für Geschichte und Alterthümer in Temesvar und Gesellschaften mit verwandten Zwecken in den Komitaten Bihar, Preßburg, Gödöllö, Szegedin, Oedenbnrg, Marmarvs, Csongrad, Jaßbereny und Rosenau. Ein nicht minder reges Interesse wie für Gegenstände der Ge¬ schichte zeigt sich in neuerer Zeit für die Naturwissenschaften. Dies beweisen die von der Königlich ungarischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft erreichten Resultate. Dieselbe existirt seit sechsunddreißig Jahren, zählt jetzt 87 gründende und 4651 ordentliche Mitglieder und gibt die bedeutendsten Fach¬ werke der ausländischen Literatur in sorgfältigen Uebersetzungen sowie (gleich den größeren von den vorher genannten Vereinen) eine eigene Zeitschrift heraus. Das Letztere gilt auch von der geologischen Gesellschaft, vom Architekten- und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/422>, abgerufen am 23.07.2024.