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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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den meisten Orten um neun, an einigen um zehn Uhr zu Hause sein, mochte
er sich nun auf der Herberge oder sonstwo zu seinem Vergnügen aufhalten.
Nachtschwärmer war verboten. Auf spätes Einschleichen ins Haus oder
Wiederverlassen desselben vor Tagesanbruch war Strafe von Seiten des Hand¬
werks gesetzt, welches auch sonst, z. B. bei üblem Verhalten des Gesellen inner¬
halb des Hauses, mit Strafen einschritt. In den Satzungen der Königsberger
Kannegießer heißt es: "Welcher sich ungebührlich hielte in der Kammer, im
Bette oder sonst an unziemlichen Orten, derselbige soll sich mit denen vertragen,
welche ihn von Säuberns wegen anspreche", und dazu dem Handwerk geben
5 Schilling." Ferner: "Welcher seinem Wirth oder Hausvater, bei dem er zehrt,
Etwas zerbricht oder verwahrlost, der soll, wie das Namen hätte, dem Wirth
das bezahlen und dem Handwerk geben 5 Schilling."

In seiner Kleidung war der Gesell der alten Zeit durch Reichsschlusse
beschränkt, denen sich noch besondere Bestimmungen des .Handwerksbrauchs bei¬
gesellten. Jene verordneten: "Handwerker und ihre Knechte sollen kein Tuch
zu Hosen und Kappen über drei Arten eines Gulden, zu Rock und Kamisvl
inländisch Tuch nicht über ein halb Gulden, kein Gold, Perlen, Sammet, Seide,
Schamoloth, noch gestickelt Kleidung," "kein Marderpelz, sondern Fuchs-, Iltis-,
Lämmerpelz tragen," desgleichen "keine Straußfedern." Nach Handwerksge¬
brauch aber durfte kein Gesell bei den Schneidern "keine Zehe über das andere
oder dritte Haus ohne Rock, Mantel, ohne Kragen, mit unbedecktem Haupte,
ohne Handschuhe gehen." Die Zimmerleute mußten mit Rock und Hcilstnch
nach ihrem Arbeitsplatze kommen und von demselben zurückkehren. Ganz all¬
gemein ist untersagt, barhäuptig und barfuß auf der Straße zu erscheinen.
Der Mantel mußte anständig, nicht auf der Schulter getragen werden. Der
Färbergesell durfte nur schwarze, nie weiße Strümpfe anhaben. Ging ein
Gesell zur Herberge oder in die Kirche, so mußte er ein Stück seines Hand¬
werkszeugs in der Hand haben, der Schmied einen Hammer, der Böttcher Beil
oder Schlägel, der Tischler das Winkelmaß, der Schornsteinfeger die Krätze;
der Bäcker hatte, wenn er sich nach der Mühle begab, ein weiße Schürze vor¬
zubinden und, auch wenn er kein Mehl holen wollte, einen leinenen Sack über
den Rücken zu hängen. Zu Mantel und Hut gehörte auch der Degen, und so
wird auch dieser bis zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts bei dem Hand¬
werksgehilfen so wenig vermißt wie bei seinem Meister; denn jener war so
gut wie dieser ein freier Mann. Nur sollte der Degen stumpf und nicht zu
lang sein. Ganz verboten wurde das Tragen desselben von Reichswegen erst
1732 und in Oesterreich erst mehr als ein Menschenalter später.

Die meisten alten Handwerksordnungen ernährten zu fleißigem Kirchen¬
besuch und frommem Leben und verboten bei Strafe alles Fluchen, Schwören


den meisten Orten um neun, an einigen um zehn Uhr zu Hause sein, mochte
er sich nun auf der Herberge oder sonstwo zu seinem Vergnügen aufhalten.
Nachtschwärmer war verboten. Auf spätes Einschleichen ins Haus oder
Wiederverlassen desselben vor Tagesanbruch war Strafe von Seiten des Hand¬
werks gesetzt, welches auch sonst, z. B. bei üblem Verhalten des Gesellen inner¬
halb des Hauses, mit Strafen einschritt. In den Satzungen der Königsberger
Kannegießer heißt es: „Welcher sich ungebührlich hielte in der Kammer, im
Bette oder sonst an unziemlichen Orten, derselbige soll sich mit denen vertragen,
welche ihn von Säuberns wegen anspreche», und dazu dem Handwerk geben
5 Schilling." Ferner: „Welcher seinem Wirth oder Hausvater, bei dem er zehrt,
Etwas zerbricht oder verwahrlost, der soll, wie das Namen hätte, dem Wirth
das bezahlen und dem Handwerk geben 5 Schilling."

In seiner Kleidung war der Gesell der alten Zeit durch Reichsschlusse
beschränkt, denen sich noch besondere Bestimmungen des .Handwerksbrauchs bei¬
gesellten. Jene verordneten: „Handwerker und ihre Knechte sollen kein Tuch
zu Hosen und Kappen über drei Arten eines Gulden, zu Rock und Kamisvl
inländisch Tuch nicht über ein halb Gulden, kein Gold, Perlen, Sammet, Seide,
Schamoloth, noch gestickelt Kleidung," „kein Marderpelz, sondern Fuchs-, Iltis-,
Lämmerpelz tragen," desgleichen „keine Straußfedern." Nach Handwerksge¬
brauch aber durfte kein Gesell bei den Schneidern „keine Zehe über das andere
oder dritte Haus ohne Rock, Mantel, ohne Kragen, mit unbedecktem Haupte,
ohne Handschuhe gehen." Die Zimmerleute mußten mit Rock und Hcilstnch
nach ihrem Arbeitsplatze kommen und von demselben zurückkehren. Ganz all¬
gemein ist untersagt, barhäuptig und barfuß auf der Straße zu erscheinen.
Der Mantel mußte anständig, nicht auf der Schulter getragen werden. Der
Färbergesell durfte nur schwarze, nie weiße Strümpfe anhaben. Ging ein
Gesell zur Herberge oder in die Kirche, so mußte er ein Stück seines Hand¬
werkszeugs in der Hand haben, der Schmied einen Hammer, der Böttcher Beil
oder Schlägel, der Tischler das Winkelmaß, der Schornsteinfeger die Krätze;
der Bäcker hatte, wenn er sich nach der Mühle begab, ein weiße Schürze vor¬
zubinden und, auch wenn er kein Mehl holen wollte, einen leinenen Sack über
den Rücken zu hängen. Zu Mantel und Hut gehörte auch der Degen, und so
wird auch dieser bis zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts bei dem Hand¬
werksgehilfen so wenig vermißt wie bei seinem Meister; denn jener war so
gut wie dieser ein freier Mann. Nur sollte der Degen stumpf und nicht zu
lang sein. Ganz verboten wurde das Tragen desselben von Reichswegen erst
1732 und in Oesterreich erst mehr als ein Menschenalter später.

Die meisten alten Handwerksordnungen ernährten zu fleißigem Kirchen¬
besuch und frommem Leben und verboten bei Strafe alles Fluchen, Schwören


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[0407] den meisten Orten um neun, an einigen um zehn Uhr zu Hause sein, mochte er sich nun auf der Herberge oder sonstwo zu seinem Vergnügen aufhalten. Nachtschwärmer war verboten. Auf spätes Einschleichen ins Haus oder Wiederverlassen desselben vor Tagesanbruch war Strafe von Seiten des Hand¬ werks gesetzt, welches auch sonst, z. B. bei üblem Verhalten des Gesellen inner¬ halb des Hauses, mit Strafen einschritt. In den Satzungen der Königsberger Kannegießer heißt es: „Welcher sich ungebührlich hielte in der Kammer, im Bette oder sonst an unziemlichen Orten, derselbige soll sich mit denen vertragen, welche ihn von Säuberns wegen anspreche», und dazu dem Handwerk geben 5 Schilling." Ferner: „Welcher seinem Wirth oder Hausvater, bei dem er zehrt, Etwas zerbricht oder verwahrlost, der soll, wie das Namen hätte, dem Wirth das bezahlen und dem Handwerk geben 5 Schilling." In seiner Kleidung war der Gesell der alten Zeit durch Reichsschlusse beschränkt, denen sich noch besondere Bestimmungen des .Handwerksbrauchs bei¬ gesellten. Jene verordneten: „Handwerker und ihre Knechte sollen kein Tuch zu Hosen und Kappen über drei Arten eines Gulden, zu Rock und Kamisvl inländisch Tuch nicht über ein halb Gulden, kein Gold, Perlen, Sammet, Seide, Schamoloth, noch gestickelt Kleidung," „kein Marderpelz, sondern Fuchs-, Iltis-, Lämmerpelz tragen," desgleichen „keine Straußfedern." Nach Handwerksge¬ brauch aber durfte kein Gesell bei den Schneidern „keine Zehe über das andere oder dritte Haus ohne Rock, Mantel, ohne Kragen, mit unbedecktem Haupte, ohne Handschuhe gehen." Die Zimmerleute mußten mit Rock und Hcilstnch nach ihrem Arbeitsplatze kommen und von demselben zurückkehren. Ganz all¬ gemein ist untersagt, barhäuptig und barfuß auf der Straße zu erscheinen. Der Mantel mußte anständig, nicht auf der Schulter getragen werden. Der Färbergesell durfte nur schwarze, nie weiße Strümpfe anhaben. Ging ein Gesell zur Herberge oder in die Kirche, so mußte er ein Stück seines Hand¬ werkszeugs in der Hand haben, der Schmied einen Hammer, der Böttcher Beil oder Schlägel, der Tischler das Winkelmaß, der Schornsteinfeger die Krätze; der Bäcker hatte, wenn er sich nach der Mühle begab, ein weiße Schürze vor¬ zubinden und, auch wenn er kein Mehl holen wollte, einen leinenen Sack über den Rücken zu hängen. Zu Mantel und Hut gehörte auch der Degen, und so wird auch dieser bis zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts bei dem Hand¬ werksgehilfen so wenig vermißt wie bei seinem Meister; denn jener war so gut wie dieser ein freier Mann. Nur sollte der Degen stumpf und nicht zu lang sein. Ganz verboten wurde das Tragen desselben von Reichswegen erst 1732 und in Oesterreich erst mehr als ein Menschenalter später. Die meisten alten Handwerksordnungen ernährten zu fleißigem Kirchen¬ besuch und frommem Leben und verboten bei Strafe alles Fluchen, Schwören

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/407>, abgerufen am 26.06.2024.