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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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gegen die republikanischen Parteipvlitiker zu säen und sowohl Reform im
Staatsdienste, als auch eine Versöhnungspolitik den Südstaaten gegenüber zu
verlangen, jetzt ans einmal mit den Eigennützigste" und Korruptesten jener
Partei gegen die Administration verbinden, weil diese jenein Verlangen entsprechen
will und in hohem Grade schon entsprochen hat. Man sollte doch kaum denken,
daß ein solches Vorgehen sich des Beifalls der bessern Volkselemente in den
Vereinigten Staaten zu erfreuen haben wird; es kann offenbar nur deu Zer-
setzungsprozeß beschleunigen, in welchem die alten Parteien, vornehmlich dnrch
das Bemühen von Karl Schurz, seit 1871 begriffen sind.

Wenn man sieht, wie die Unzufriedenen auf der Seite der Republikaner
sich laut dagegen aussprechen, daß man die alte Whigpartei ans ihrem Grabe
hole, um sie wieder ins Leben zu rufen, und wenn man die Unzufriedenen
unter den Demokraten sich mit Blaine, Butler und Compagnie verbinden sieht,
dann scheint es, als ob jener Prozeß schon weit vorgeschritten ist.

Wir lassen zum Schlüsse die Ansichten einiger einflußreicher Zeitungen
über die gegenwärtigen Parteiznstände in den Vereinigten Staaten folgen, Die
"New-Iork Tribune" äußert sich in dieser Beziehung u. A. also: "Es kommt
uns vor, als wenn Präsident Hayes eine Wahrheit entdeckt hätte, welche der
Mehrheit unserer Staatsmänner und Journalisten noch verborgen ist, nämlich
die, daß man unter den jetzigen politischen Verhältnissen nicht von eigent¬
lichen Parteileitern spreche" kaun. Solche gibt es jetzt in Wahrheit
nicht. Ein Politiker ist gegenwärtig nur dann ein Mann von Einfluß, wenn
er mit dem Strome schwimmt (vlren tie lMows ete current), wenn er sich
geschickt mit den Ideen und Wünschen des Volkes in Sympathie zu setzen ver¬
steht, wenn er es versteht, den Dingen, die Jedem im Gedanken liegen, passen¬
den Ausdruck zu geben und deu mehr oder weniger bewußten Bestrebungen,
die das Herz der Nation bewegen, sich anzuschließen. Es ist jetzt keine Zeit
für Führer (teils is not g, tiins lor tea-clciis). Wirkliche Führer in politischen
Fragen erstehen nnr in Zeiten großer moralischer Erregtheit, wie z. B. zur
Zeit der Autisklavereibeweguug. Jetzt, da unsere Politik von dem einen so
vollauf beschäftigenden Gedanken an administrative Reform erfüllt ist, wartet
die Menge nicht auf eine Stimme, die sie anfeuern, ans einen Finger, der ihr
den Weg weisen soll. Sie bewegt sich von selbst vorwärts wie auf ein gege¬
benes Zeichen, und klug ist der Politiker^ der dafür sorgt, daß er nicht in den
hintersten Reihen gefunden wird. Der Präsident und das Volk stimmen in
Bezug auf die südliche Frage überein, und, wer immer sich da entgegenstellt,
der hat es mit Beiden zu thun. Die lebhaften Leute (etre livel/ xorsons), von
denen man annimmt, daß sie eine Opposition gegen den Präsidenten uuter den
Republikanern organisiren wollen, sind zu klug, in einem Ringen dieser Art


gegen die republikanischen Parteipvlitiker zu säen und sowohl Reform im
Staatsdienste, als auch eine Versöhnungspolitik den Südstaaten gegenüber zu
verlangen, jetzt ans einmal mit den Eigennützigste» und Korruptesten jener
Partei gegen die Administration verbinden, weil diese jenein Verlangen entsprechen
will und in hohem Grade schon entsprochen hat. Man sollte doch kaum denken,
daß ein solches Vorgehen sich des Beifalls der bessern Volkselemente in den
Vereinigten Staaten zu erfreuen haben wird; es kann offenbar nur deu Zer-
setzungsprozeß beschleunigen, in welchem die alten Parteien, vornehmlich dnrch
das Bemühen von Karl Schurz, seit 1871 begriffen sind.

Wenn man sieht, wie die Unzufriedenen auf der Seite der Republikaner
sich laut dagegen aussprechen, daß man die alte Whigpartei ans ihrem Grabe
hole, um sie wieder ins Leben zu rufen, und wenn man die Unzufriedenen
unter den Demokraten sich mit Blaine, Butler und Compagnie verbinden sieht,
dann scheint es, als ob jener Prozeß schon weit vorgeschritten ist.

Wir lassen zum Schlüsse die Ansichten einiger einflußreicher Zeitungen
über die gegenwärtigen Parteiznstände in den Vereinigten Staaten folgen, Die
„New-Iork Tribune" äußert sich in dieser Beziehung u. A. also: „Es kommt
uns vor, als wenn Präsident Hayes eine Wahrheit entdeckt hätte, welche der
Mehrheit unserer Staatsmänner und Journalisten noch verborgen ist, nämlich
die, daß man unter den jetzigen politischen Verhältnissen nicht von eigent¬
lichen Parteileitern spreche» kaun. Solche gibt es jetzt in Wahrheit
nicht. Ein Politiker ist gegenwärtig nur dann ein Mann von Einfluß, wenn
er mit dem Strome schwimmt (vlren tie lMows ete current), wenn er sich
geschickt mit den Ideen und Wünschen des Volkes in Sympathie zu setzen ver¬
steht, wenn er es versteht, den Dingen, die Jedem im Gedanken liegen, passen¬
den Ausdruck zu geben und deu mehr oder weniger bewußten Bestrebungen,
die das Herz der Nation bewegen, sich anzuschließen. Es ist jetzt keine Zeit
für Führer (teils is not g, tiins lor tea-clciis). Wirkliche Führer in politischen
Fragen erstehen nnr in Zeiten großer moralischer Erregtheit, wie z. B. zur
Zeit der Autisklavereibeweguug. Jetzt, da unsere Politik von dem einen so
vollauf beschäftigenden Gedanken an administrative Reform erfüllt ist, wartet
die Menge nicht auf eine Stimme, die sie anfeuern, ans einen Finger, der ihr
den Weg weisen soll. Sie bewegt sich von selbst vorwärts wie auf ein gege¬
benes Zeichen, und klug ist der Politiker^ der dafür sorgt, daß er nicht in den
hintersten Reihen gefunden wird. Der Präsident und das Volk stimmen in
Bezug auf die südliche Frage überein, und, wer immer sich da entgegenstellt,
der hat es mit Beiden zu thun. Die lebhaften Leute (etre livel/ xorsons), von
denen man annimmt, daß sie eine Opposition gegen den Präsidenten uuter den
Republikanern organisiren wollen, sind zu klug, in einem Ringen dieser Art


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/400>, abgerufen am 29.06.2024.