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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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allerdings ziemlich richtig gezeichnet. Diesem will die neue Aera nicht ein¬
leuchten, bei der ihm sein Hauptkapital verloren geht und bei der die Kunst
des "Drahtziehens" und ähnliche Parteikleppertalente keine Anerkennung mehr
finden sollen. Diese Leute aber sind -- das darf man sich nicht verhehlen-- durchaus
nicht ohne Macht zum Bösen, sie sind bei der beklagenswerthen Gleich giltigkeit
der Massen in politischen Dingen nicht ungefährlich, und ihr Einfluß ist noch
keineswegs ganz gebrochen.

Freilich steht Hayes ihnen gegenüber ganz anders da als ein Präsident,
dessen Bestreben es von Anfang seiner Administration an ist, einen zweiten
Amtstermin zu ergattern. Daß Hayes von einem solchen nichts wissen will,
daß er eine Wiedererwählung für das Präsidentenamt abgelehnt hat, daß er diese
"Drahtzieher und Fixer" nicht braucht, um ihm bei der neuen Präsidentenwahl
zu helfen, das gibt ihm eine ganz unschätzbare Stärke, das ist das beste Hilfs¬
mittel, welches er im Kampfe gegen die Maschinenpolitiker für sich hat. Aber
damit ist auch die ihm gegebene Frist zur Ausführung seiner reformatorischen
Ideen eine um so kürzer zugemessene. Vier Jahre nur siud ihm vergönnt, in
denen er alteingewnrzelte Uebel heilen, in denen er das, was die Leidenschaften
und die Fehler der letzten zwölf Jahre in der Union verdorben haben, wieder
zum Guten lenken soll. Wäre die gegnerische Partei von einem bessern Geiste
beseelt, so würde ihm diese Arbeit freilich erleichtert, aber es zeigt sich leider,
wie eine ganze Anzahl demokratischer Blätter voll Vergnügen über den Bruch
in den republikanischen Reihen ist. Diese demokratischen Organe übersehen in
ihrer blinden Parteifrende ganz, daß sie sich vor jedem ehrlichen Menschen bla-
miren, daß sie sich vor der ganzen Welt ein trauriges Armuthszeugniß aus¬
stellen, indem sie plötzlich mit den Männern freundlich thun, die sie bis jetzt
aufs Eifrigste verfolgt haben.

In der That scheint aber diese Prinziplosigkeit der bezeichneten demokra¬
tischen Blätter ans den bessern Theil der amerikanischen Demokratie den von
den Jnteressenpolitikern beabsichtigten Eindruck nicht zu machen. Manche hervor¬
ragende Demokraten sind bereits ganz offne Freunde und Unterstützer der
Administration vouHayes, und man dürfte, wenn der neue Kongreß am 15. Oktober
d. I. zusammentritt, manche unerwartete Wandlung, manche überraschende
Schwenkung in der politischen Parteistellung in den Vereinigten Staaten vor
sich gehen sehen.

Uebrigens ist es ein beredtes Zeugniß für den schlechten Zustand der
öffentlichen Angelegenheiten in der nordamerikanischen Union, daß es so schwer
hält, das, wonach das Volk sich so heiß sehnt, in der That zur Wahrheit zu
"lachen und praktisch einzuführen; am Bedauerlichsten aber ist die eben gerügte
Thatsache, daß sich Männer, deren Geschäft es seit Jahren war, Mißtrauen


allerdings ziemlich richtig gezeichnet. Diesem will die neue Aera nicht ein¬
leuchten, bei der ihm sein Hauptkapital verloren geht und bei der die Kunst
des „Drahtziehens" und ähnliche Parteikleppertalente keine Anerkennung mehr
finden sollen. Diese Leute aber sind — das darf man sich nicht verhehlen— durchaus
nicht ohne Macht zum Bösen, sie sind bei der beklagenswerthen Gleich giltigkeit
der Massen in politischen Dingen nicht ungefährlich, und ihr Einfluß ist noch
keineswegs ganz gebrochen.

Freilich steht Hayes ihnen gegenüber ganz anders da als ein Präsident,
dessen Bestreben es von Anfang seiner Administration an ist, einen zweiten
Amtstermin zu ergattern. Daß Hayes von einem solchen nichts wissen will,
daß er eine Wiedererwählung für das Präsidentenamt abgelehnt hat, daß er diese
„Drahtzieher und Fixer" nicht braucht, um ihm bei der neuen Präsidentenwahl
zu helfen, das gibt ihm eine ganz unschätzbare Stärke, das ist das beste Hilfs¬
mittel, welches er im Kampfe gegen die Maschinenpolitiker für sich hat. Aber
damit ist auch die ihm gegebene Frist zur Ausführung seiner reformatorischen
Ideen eine um so kürzer zugemessene. Vier Jahre nur siud ihm vergönnt, in
denen er alteingewnrzelte Uebel heilen, in denen er das, was die Leidenschaften
und die Fehler der letzten zwölf Jahre in der Union verdorben haben, wieder
zum Guten lenken soll. Wäre die gegnerische Partei von einem bessern Geiste
beseelt, so würde ihm diese Arbeit freilich erleichtert, aber es zeigt sich leider,
wie eine ganze Anzahl demokratischer Blätter voll Vergnügen über den Bruch
in den republikanischen Reihen ist. Diese demokratischen Organe übersehen in
ihrer blinden Parteifrende ganz, daß sie sich vor jedem ehrlichen Menschen bla-
miren, daß sie sich vor der ganzen Welt ein trauriges Armuthszeugniß aus¬
stellen, indem sie plötzlich mit den Männern freundlich thun, die sie bis jetzt
aufs Eifrigste verfolgt haben.

In der That scheint aber diese Prinziplosigkeit der bezeichneten demokra¬
tischen Blätter ans den bessern Theil der amerikanischen Demokratie den von
den Jnteressenpolitikern beabsichtigten Eindruck nicht zu machen. Manche hervor¬
ragende Demokraten sind bereits ganz offne Freunde und Unterstützer der
Administration vouHayes, und man dürfte, wenn der neue Kongreß am 15. Oktober
d. I. zusammentritt, manche unerwartete Wandlung, manche überraschende
Schwenkung in der politischen Parteistellung in den Vereinigten Staaten vor
sich gehen sehen.

Uebrigens ist es ein beredtes Zeugniß für den schlechten Zustand der
öffentlichen Angelegenheiten in der nordamerikanischen Union, daß es so schwer
hält, das, wonach das Volk sich so heiß sehnt, in der That zur Wahrheit zu
"lachen und praktisch einzuführen; am Bedauerlichsten aber ist die eben gerügte
Thatsache, daß sich Männer, deren Geschäft es seit Jahren war, Mißtrauen


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[0399] allerdings ziemlich richtig gezeichnet. Diesem will die neue Aera nicht ein¬ leuchten, bei der ihm sein Hauptkapital verloren geht und bei der die Kunst des „Drahtziehens" und ähnliche Parteikleppertalente keine Anerkennung mehr finden sollen. Diese Leute aber sind — das darf man sich nicht verhehlen— durchaus nicht ohne Macht zum Bösen, sie sind bei der beklagenswerthen Gleich giltigkeit der Massen in politischen Dingen nicht ungefährlich, und ihr Einfluß ist noch keineswegs ganz gebrochen. Freilich steht Hayes ihnen gegenüber ganz anders da als ein Präsident, dessen Bestreben es von Anfang seiner Administration an ist, einen zweiten Amtstermin zu ergattern. Daß Hayes von einem solchen nichts wissen will, daß er eine Wiedererwählung für das Präsidentenamt abgelehnt hat, daß er diese „Drahtzieher und Fixer" nicht braucht, um ihm bei der neuen Präsidentenwahl zu helfen, das gibt ihm eine ganz unschätzbare Stärke, das ist das beste Hilfs¬ mittel, welches er im Kampfe gegen die Maschinenpolitiker für sich hat. Aber damit ist auch die ihm gegebene Frist zur Ausführung seiner reformatorischen Ideen eine um so kürzer zugemessene. Vier Jahre nur siud ihm vergönnt, in denen er alteingewnrzelte Uebel heilen, in denen er das, was die Leidenschaften und die Fehler der letzten zwölf Jahre in der Union verdorben haben, wieder zum Guten lenken soll. Wäre die gegnerische Partei von einem bessern Geiste beseelt, so würde ihm diese Arbeit freilich erleichtert, aber es zeigt sich leider, wie eine ganze Anzahl demokratischer Blätter voll Vergnügen über den Bruch in den republikanischen Reihen ist. Diese demokratischen Organe übersehen in ihrer blinden Parteifrende ganz, daß sie sich vor jedem ehrlichen Menschen bla- miren, daß sie sich vor der ganzen Welt ein trauriges Armuthszeugniß aus¬ stellen, indem sie plötzlich mit den Männern freundlich thun, die sie bis jetzt aufs Eifrigste verfolgt haben. In der That scheint aber diese Prinziplosigkeit der bezeichneten demokra¬ tischen Blätter ans den bessern Theil der amerikanischen Demokratie den von den Jnteressenpolitikern beabsichtigten Eindruck nicht zu machen. Manche hervor¬ ragende Demokraten sind bereits ganz offne Freunde und Unterstützer der Administration vouHayes, und man dürfte, wenn der neue Kongreß am 15. Oktober d. I. zusammentritt, manche unerwartete Wandlung, manche überraschende Schwenkung in der politischen Parteistellung in den Vereinigten Staaten vor sich gehen sehen. Uebrigens ist es ein beredtes Zeugniß für den schlechten Zustand der öffentlichen Angelegenheiten in der nordamerikanischen Union, daß es so schwer hält, das, wonach das Volk sich so heiß sehnt, in der That zur Wahrheit zu "lachen und praktisch einzuführen; am Bedauerlichsten aber ist die eben gerügte Thatsache, daß sich Männer, deren Geschäft es seit Jahren war, Mißtrauen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/399>, abgerufen am 26.06.2024.