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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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I. Klasse bedienen, besteht kein wirklicher, höchstens ein eingebildeter Standes¬
unterschied. Wenn mit dieser Beseitigung der I. Klasse die allgemeine Ein¬
führung der IV. Klasse und der Arbeiterbillete Hand in Hand geht, so wird
auch die III. Klasse (wir folgen hier immer noch den jetzigen, geläufigeren,
nicht den zukünftigen Bezeichnungen) wieder mehr Kreisen zugänglich, die sich
jetzt vielfach der II. Klasse zugewendet hatten, um uicht in die unangenehme
Lage zu kommeu, mit beschmutzten Arbeitern oder gar rohen angetrunkenen
Leuten in Berührung zu kommen. Auch das könnte nur als ein allgemeiner
Vortheil angesehen werden. Bei den zukünftigen dreiklassigen System könnten
sämmtliche Schnellzuge mit II. und III. Klasse ausgerüstet werden, ohne
dadurch die Zahl der Wagen zu vermehren, denn die schlecht besetzte, viel
Raum einnehmende I. Klasse fiele weg und sehr viele Leute würden hocherfreut
des billigeren Preises wegen, in der mitgeführten III. Klasse Platz nehmen.
So würden alle Kreise nur gewinnen, vor allen Dingen auch die Eisenbahnen,
die unzweifelhaft ihre Schnellzuge besser besetzt haben würden, und die natür¬
liche Folge wäre die, daß die Tarife -- nicht die für Personen, denn diese
sind in Deutschland, wie schon Eingangs bemerkt, unverhältnißmäßig niedrig,
sondern die sür Güter -- ermäßigt werden könnten. Da sich außerdem die
Schlafwagen auch in Deutschland immer mehr Eingang verschaffen, so werden
durch diese auch alle wirklichen und eingebildeten Vorzüge, die man etwa der
jetzigen I. Klasse nachsagen konnte, nicht nur ersetzt, sondern noch bedeutend
übertroffen.

Wenn zur Begründung der Beibehaltung der I. Klasse auf mehrere Bahnen
hingewiesen wird, die thatsächlich mit derselben günstige Resultate erzielen, wie
besonders die Rheinische Bahn, so ist hiergegen einfach darauf zu erwiedern,
daß bei dieser Bahn, ähnlich wie in England und Frankreich, theils wegen
sehr mangelhafter innerer Ausstattung der II. Klasse, theils wegen mangelnder
IV. Klasse die ganze gebildete Gesellschaft dazu gezwungen wird, sich der
I. Klasse zu bedienen. In diesen Ländern und Gegenden ist thatsächlich die
I. Klasse nichts Weiteres und Besseres wie unsere norddeutsche II. Klasse, also
sprechen die Thatsachen mehr für als gegen unsern Vorschlag. Zu der Mit¬
führung solch schlechter schmutziger II. Klassen liegt aber gar kein vernünftiger
Grund vor, denn auf Holz sitzt sich, wenn ich auf anständige, ordentliche Ge¬
sellschaft zählen kann, wesentlich besser als aus solchem Polster. Es ist auch
die Beseitigung dieser II. Klasse bei der zweitgrößten der englischen Bahnen,
der Niällmä lisilvv^ die im Jahre 1875 durchgeführt wurde, die unserm
Vorschlage durchaus entspricht, vom ganzen englischen Publikum mit großer
Befriedigung aufgenommen worden.

Sehr wesentlich fällt aber auch noch ins Gewicht, daß durch diese Klassen-


I. Klasse bedienen, besteht kein wirklicher, höchstens ein eingebildeter Standes¬
unterschied. Wenn mit dieser Beseitigung der I. Klasse die allgemeine Ein¬
führung der IV. Klasse und der Arbeiterbillete Hand in Hand geht, so wird
auch die III. Klasse (wir folgen hier immer noch den jetzigen, geläufigeren,
nicht den zukünftigen Bezeichnungen) wieder mehr Kreisen zugänglich, die sich
jetzt vielfach der II. Klasse zugewendet hatten, um uicht in die unangenehme
Lage zu kommeu, mit beschmutzten Arbeitern oder gar rohen angetrunkenen
Leuten in Berührung zu kommen. Auch das könnte nur als ein allgemeiner
Vortheil angesehen werden. Bei den zukünftigen dreiklassigen System könnten
sämmtliche Schnellzuge mit II. und III. Klasse ausgerüstet werden, ohne
dadurch die Zahl der Wagen zu vermehren, denn die schlecht besetzte, viel
Raum einnehmende I. Klasse fiele weg und sehr viele Leute würden hocherfreut
des billigeren Preises wegen, in der mitgeführten III. Klasse Platz nehmen.
So würden alle Kreise nur gewinnen, vor allen Dingen auch die Eisenbahnen,
die unzweifelhaft ihre Schnellzuge besser besetzt haben würden, und die natür¬
liche Folge wäre die, daß die Tarife — nicht die für Personen, denn diese
sind in Deutschland, wie schon Eingangs bemerkt, unverhältnißmäßig niedrig,
sondern die sür Güter — ermäßigt werden könnten. Da sich außerdem die
Schlafwagen auch in Deutschland immer mehr Eingang verschaffen, so werden
durch diese auch alle wirklichen und eingebildeten Vorzüge, die man etwa der
jetzigen I. Klasse nachsagen konnte, nicht nur ersetzt, sondern noch bedeutend
übertroffen.

Wenn zur Begründung der Beibehaltung der I. Klasse auf mehrere Bahnen
hingewiesen wird, die thatsächlich mit derselben günstige Resultate erzielen, wie
besonders die Rheinische Bahn, so ist hiergegen einfach darauf zu erwiedern,
daß bei dieser Bahn, ähnlich wie in England und Frankreich, theils wegen
sehr mangelhafter innerer Ausstattung der II. Klasse, theils wegen mangelnder
IV. Klasse die ganze gebildete Gesellschaft dazu gezwungen wird, sich der
I. Klasse zu bedienen. In diesen Ländern und Gegenden ist thatsächlich die
I. Klasse nichts Weiteres und Besseres wie unsere norddeutsche II. Klasse, also
sprechen die Thatsachen mehr für als gegen unsern Vorschlag. Zu der Mit¬
führung solch schlechter schmutziger II. Klassen liegt aber gar kein vernünftiger
Grund vor, denn auf Holz sitzt sich, wenn ich auf anständige, ordentliche Ge¬
sellschaft zählen kann, wesentlich besser als aus solchem Polster. Es ist auch
die Beseitigung dieser II. Klasse bei der zweitgrößten der englischen Bahnen,
der Niällmä lisilvv^ die im Jahre 1875 durchgeführt wurde, die unserm
Vorschlage durchaus entspricht, vom ganzen englischen Publikum mit großer
Befriedigung aufgenommen worden.

Sehr wesentlich fällt aber auch noch ins Gewicht, daß durch diese Klassen-


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[0395] I. Klasse bedienen, besteht kein wirklicher, höchstens ein eingebildeter Standes¬ unterschied. Wenn mit dieser Beseitigung der I. Klasse die allgemeine Ein¬ führung der IV. Klasse und der Arbeiterbillete Hand in Hand geht, so wird auch die III. Klasse (wir folgen hier immer noch den jetzigen, geläufigeren, nicht den zukünftigen Bezeichnungen) wieder mehr Kreisen zugänglich, die sich jetzt vielfach der II. Klasse zugewendet hatten, um uicht in die unangenehme Lage zu kommeu, mit beschmutzten Arbeitern oder gar rohen angetrunkenen Leuten in Berührung zu kommen. Auch das könnte nur als ein allgemeiner Vortheil angesehen werden. Bei den zukünftigen dreiklassigen System könnten sämmtliche Schnellzuge mit II. und III. Klasse ausgerüstet werden, ohne dadurch die Zahl der Wagen zu vermehren, denn die schlecht besetzte, viel Raum einnehmende I. Klasse fiele weg und sehr viele Leute würden hocherfreut des billigeren Preises wegen, in der mitgeführten III. Klasse Platz nehmen. So würden alle Kreise nur gewinnen, vor allen Dingen auch die Eisenbahnen, die unzweifelhaft ihre Schnellzuge besser besetzt haben würden, und die natür¬ liche Folge wäre die, daß die Tarife — nicht die für Personen, denn diese sind in Deutschland, wie schon Eingangs bemerkt, unverhältnißmäßig niedrig, sondern die sür Güter — ermäßigt werden könnten. Da sich außerdem die Schlafwagen auch in Deutschland immer mehr Eingang verschaffen, so werden durch diese auch alle wirklichen und eingebildeten Vorzüge, die man etwa der jetzigen I. Klasse nachsagen konnte, nicht nur ersetzt, sondern noch bedeutend übertroffen. Wenn zur Begründung der Beibehaltung der I. Klasse auf mehrere Bahnen hingewiesen wird, die thatsächlich mit derselben günstige Resultate erzielen, wie besonders die Rheinische Bahn, so ist hiergegen einfach darauf zu erwiedern, daß bei dieser Bahn, ähnlich wie in England und Frankreich, theils wegen sehr mangelhafter innerer Ausstattung der II. Klasse, theils wegen mangelnder IV. Klasse die ganze gebildete Gesellschaft dazu gezwungen wird, sich der I. Klasse zu bedienen. In diesen Ländern und Gegenden ist thatsächlich die I. Klasse nichts Weiteres und Besseres wie unsere norddeutsche II. Klasse, also sprechen die Thatsachen mehr für als gegen unsern Vorschlag. Zu der Mit¬ führung solch schlechter schmutziger II. Klassen liegt aber gar kein vernünftiger Grund vor, denn auf Holz sitzt sich, wenn ich auf anständige, ordentliche Ge¬ sellschaft zählen kann, wesentlich besser als aus solchem Polster. Es ist auch die Beseitigung dieser II. Klasse bei der zweitgrößten der englischen Bahnen, der Niällmä lisilvv^ die im Jahre 1875 durchgeführt wurde, die unserm Vorschlage durchaus entspricht, vom ganzen englischen Publikum mit großer Befriedigung aufgenommen worden. Sehr wesentlich fällt aber auch noch ins Gewicht, daß durch diese Klassen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/395>, abgerufen am 26.06.2024.