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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Eine nach Verhältniß gleichmäßige Heranziehung der beiden Verkehrs¬
gattungen zur Verzinsung des Anlagekapitals ist aber das Wenigste, was ge¬
fordert werden kann und muß, deun die Anlagekosten werden vielfach gerade
durch die Rücksicht auf den Personenverkehr sehr erhöht, und außerdem ist der
Verschleiß von Schienen ?e. durch die schnell fahrenden Personenzüge ein größerer
als durch die sich langsam bewegenden Güterzüge. Zu dem kommt noch, daß
eine ganze Reihe von Bestimmungen des Betriebsreglements und der Bahn-
Polizeiordmmg, deren Durchführung und Handhabung viel Geld kostet,
lediglich in Hinsicht auf die schnell fahrenden Personenzüge und die Sicherheit
der in denselben sitzenden Personen nothwendig sind, während sie für die
langsam fahrenden Güterzüge und deren Sicherheit entbehrlich wären.

Allerdings muß zugegeben werden, daß die oben mitgetheilten Zahlen mit
ihrem so ungünstigen Resultat für den Personenverkehr insofern ungenau sind,
als die große Zahl der Eilgut- und Viehsenduugen, die mit Personenzügen be¬
fördert werden, sowie die zahlreichen gemischten Züge eine ganz genaue
Trennung beider Verkehrsgattungen nicht zulassen. Da aber die Statistik lehrt,
daß die reinen Güterzttge, sowie anch die reinen Eilgüterzüge nicht nur die
eigenen Kosten decken, sondern auch die Verzinsung des Gesammtanlagekapitals
bewirken, so würde eine ganz genaue Auseinanderziehung der Güter- :e. und
Personeneinnahmen und -Ausgaben bei Personen- und gemischten Zügen --
die schlechterdings nicht durchführbar ist -- vermuthlich als finanzielles Er¬
gebniß des reinen Personenverkehrs noch ungünstigere Zahlen und Daten als
die oben angegebenen aufweisen.

Hier ist auch noch zu berücksichtigen, daß viele kleine Bahnen, trotzdem daß
sie ihrem Verkehr entsprechend nur gemischte Züge haben, eine leidliche Rente
abwerfen. Man wäre hier wirklich beinahe versucht zu sagen, daß diese Bahnen
in der glücklichen Lage sind, vermöge des geringen Personenverkehrs reine Per¬
sonenzüge entbehren zu können. Und doch sollte man meinen, daß, je größer der
Personenverkehr, desto größer die Rentabilität der Bahn wäre; es sollte wenigstens
so sein, wenn unsere Eisenbahnverhältnisse gesunde wären, und da dem leider
nicht so ist, so muß auf Abhilfe, auf gründliche Besserung gesonnen werden.
Eine Aenderung des jetzigen Zustandes ist um so nothwendiger, als dadurch
die Gütertarife entschieden wesentlich ermäßigt werden könnten, und zwar ver¬
muthlich ohne allgemeine Erhöhung der Personenfahrgeldersätze. Allerdings ist
dies nicht ohne die einschneidendsten Maßregeln möglich, durch welche vielfach
dem reisenden Publikum liebgewordene Einrichtungen beseitigt werden müßten.
Aber sicherlich muß dahin gestrebt werden, daß die hohe indirekte Abgabe,
die jetzt von allen Kaufmanns- und Massengütern erhoben wird, um die Rei¬
senden, auch die Vergnügnngsreisenden des Auslandes in der jetzigen Weise zu


Eine nach Verhältniß gleichmäßige Heranziehung der beiden Verkehrs¬
gattungen zur Verzinsung des Anlagekapitals ist aber das Wenigste, was ge¬
fordert werden kann und muß, deun die Anlagekosten werden vielfach gerade
durch die Rücksicht auf den Personenverkehr sehr erhöht, und außerdem ist der
Verschleiß von Schienen ?e. durch die schnell fahrenden Personenzüge ein größerer
als durch die sich langsam bewegenden Güterzüge. Zu dem kommt noch, daß
eine ganze Reihe von Bestimmungen des Betriebsreglements und der Bahn-
Polizeiordmmg, deren Durchführung und Handhabung viel Geld kostet,
lediglich in Hinsicht auf die schnell fahrenden Personenzüge und die Sicherheit
der in denselben sitzenden Personen nothwendig sind, während sie für die
langsam fahrenden Güterzüge und deren Sicherheit entbehrlich wären.

Allerdings muß zugegeben werden, daß die oben mitgetheilten Zahlen mit
ihrem so ungünstigen Resultat für den Personenverkehr insofern ungenau sind,
als die große Zahl der Eilgut- und Viehsenduugen, die mit Personenzügen be¬
fördert werden, sowie die zahlreichen gemischten Züge eine ganz genaue
Trennung beider Verkehrsgattungen nicht zulassen. Da aber die Statistik lehrt,
daß die reinen Güterzttge, sowie anch die reinen Eilgüterzüge nicht nur die
eigenen Kosten decken, sondern auch die Verzinsung des Gesammtanlagekapitals
bewirken, so würde eine ganz genaue Auseinanderziehung der Güter- :e. und
Personeneinnahmen und -Ausgaben bei Personen- und gemischten Zügen —
die schlechterdings nicht durchführbar ist — vermuthlich als finanzielles Er¬
gebniß des reinen Personenverkehrs noch ungünstigere Zahlen und Daten als
die oben angegebenen aufweisen.

Hier ist auch noch zu berücksichtigen, daß viele kleine Bahnen, trotzdem daß
sie ihrem Verkehr entsprechend nur gemischte Züge haben, eine leidliche Rente
abwerfen. Man wäre hier wirklich beinahe versucht zu sagen, daß diese Bahnen
in der glücklichen Lage sind, vermöge des geringen Personenverkehrs reine Per¬
sonenzüge entbehren zu können. Und doch sollte man meinen, daß, je größer der
Personenverkehr, desto größer die Rentabilität der Bahn wäre; es sollte wenigstens
so sein, wenn unsere Eisenbahnverhältnisse gesunde wären, und da dem leider
nicht so ist, so muß auf Abhilfe, auf gründliche Besserung gesonnen werden.
Eine Aenderung des jetzigen Zustandes ist um so nothwendiger, als dadurch
die Gütertarife entschieden wesentlich ermäßigt werden könnten, und zwar ver¬
muthlich ohne allgemeine Erhöhung der Personenfahrgeldersätze. Allerdings ist
dies nicht ohne die einschneidendsten Maßregeln möglich, durch welche vielfach
dem reisenden Publikum liebgewordene Einrichtungen beseitigt werden müßten.
Aber sicherlich muß dahin gestrebt werden, daß die hohe indirekte Abgabe,
die jetzt von allen Kaufmanns- und Massengütern erhoben wird, um die Rei¬
senden, auch die Vergnügnngsreisenden des Auslandes in der jetzigen Weise zu


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[0383] Eine nach Verhältniß gleichmäßige Heranziehung der beiden Verkehrs¬ gattungen zur Verzinsung des Anlagekapitals ist aber das Wenigste, was ge¬ fordert werden kann und muß, deun die Anlagekosten werden vielfach gerade durch die Rücksicht auf den Personenverkehr sehr erhöht, und außerdem ist der Verschleiß von Schienen ?e. durch die schnell fahrenden Personenzüge ein größerer als durch die sich langsam bewegenden Güterzüge. Zu dem kommt noch, daß eine ganze Reihe von Bestimmungen des Betriebsreglements und der Bahn- Polizeiordmmg, deren Durchführung und Handhabung viel Geld kostet, lediglich in Hinsicht auf die schnell fahrenden Personenzüge und die Sicherheit der in denselben sitzenden Personen nothwendig sind, während sie für die langsam fahrenden Güterzüge und deren Sicherheit entbehrlich wären. Allerdings muß zugegeben werden, daß die oben mitgetheilten Zahlen mit ihrem so ungünstigen Resultat für den Personenverkehr insofern ungenau sind, als die große Zahl der Eilgut- und Viehsenduugen, die mit Personenzügen be¬ fördert werden, sowie die zahlreichen gemischten Züge eine ganz genaue Trennung beider Verkehrsgattungen nicht zulassen. Da aber die Statistik lehrt, daß die reinen Güterzttge, sowie anch die reinen Eilgüterzüge nicht nur die eigenen Kosten decken, sondern auch die Verzinsung des Gesammtanlagekapitals bewirken, so würde eine ganz genaue Auseinanderziehung der Güter- :e. und Personeneinnahmen und -Ausgaben bei Personen- und gemischten Zügen — die schlechterdings nicht durchführbar ist — vermuthlich als finanzielles Er¬ gebniß des reinen Personenverkehrs noch ungünstigere Zahlen und Daten als die oben angegebenen aufweisen. Hier ist auch noch zu berücksichtigen, daß viele kleine Bahnen, trotzdem daß sie ihrem Verkehr entsprechend nur gemischte Züge haben, eine leidliche Rente abwerfen. Man wäre hier wirklich beinahe versucht zu sagen, daß diese Bahnen in der glücklichen Lage sind, vermöge des geringen Personenverkehrs reine Per¬ sonenzüge entbehren zu können. Und doch sollte man meinen, daß, je größer der Personenverkehr, desto größer die Rentabilität der Bahn wäre; es sollte wenigstens so sein, wenn unsere Eisenbahnverhältnisse gesunde wären, und da dem leider nicht so ist, so muß auf Abhilfe, auf gründliche Besserung gesonnen werden. Eine Aenderung des jetzigen Zustandes ist um so nothwendiger, als dadurch die Gütertarife entschieden wesentlich ermäßigt werden könnten, und zwar ver¬ muthlich ohne allgemeine Erhöhung der Personenfahrgeldersätze. Allerdings ist dies nicht ohne die einschneidendsten Maßregeln möglich, durch welche vielfach dem reisenden Publikum liebgewordene Einrichtungen beseitigt werden müßten. Aber sicherlich muß dahin gestrebt werden, daß die hohe indirekte Abgabe, die jetzt von allen Kaufmanns- und Massengütern erhoben wird, um die Rei¬ senden, auch die Vergnügnngsreisenden des Auslandes in der jetzigen Weise zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/383>, abgerufen am 23.07.2024.