Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stillschweigend damit berührt und den Stein dann hinter sich wirft (Harz,
Schlesien). Zahnschmerz wird unfehlbar geheilt, wenn der daran Leidende den
Vollmond ansieht und spricht- "Maand, ik klag Di Tähnpien, Rietpien, Spliet-
Pien un Gicht, im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen
Geistes" (Lauenburg), oder wenn der Geplagte bei abnehmendem Monde mit
einem Nagel in den Zahn bohrt, bis Blut kommt, und den Nagel dann still¬
schweigend in die Nordseite eiuer Eiche schlägt; so lange der Baum steht, wird
er dann nie wieder Zahnweh haben (Mark). Gepulverte Todtenknochen, bei
abnehmendem Monde eingenommen, gelten in Tirol für gut gegen die fallende
sucht. Eisenkrailt, nach Aufgang des Hundssterns bei Neumond gebrochen,
vertreibt Kopfschmerz. Krebse, bei Vollmond gefangen, wenn die Sonne im
Löwen steht, lebendig verbrannt und dann zerstoßen, sind das beste Mittel
gegen Hundswuth. Bruchschäden vergehen, wenn man bei Vollmond das auf
eine Wand fallende Licht desselben dreimal mit der hohlen Hand auf die Ge¬
schwulst schöpft und dazu die Formel: "Im Namen Gottes, des Vaters"
n. s. w. spricht. In ähnlicher Weise werden Flechten und Warzen vertrieben,
und zwar letztere auf folgende Methode: Mau sieht scharf in den Vollmond,
streicht über die Warze hin und sagt: "Wat ik seh, dat steil, wat ik Strick, dat
geit, im Namen" u. f.' w. Bei zunehmendem Monde aber sagt man: "Dat
nimmt tan, wat ik hellet, dat nimmt af, wat ik bestrick" (Mecklenburg, Lauen¬
burg und ähnlich Baiern). Ein Zaubersegen gegen die Gicht endlich, der in
Lauenburg bei abnehmendem Monde Dinstags und Freitags angewendet wird,
lautet: "Gicht, ich befehle Dir durch Gottes Macht, durch Gottes Kraft, Dn
sollst nicht mehr reißen, Du sollst nicht mehr schleißen, Du sollst nicht mehr
rennen, du sollst uicht mehr brennen', dn sollst nicht mehr brechen, du sollst
nicht mehr stechen. Der Du uuter den Neunundneunzig und siebenundsiebzig
bist, sicherlich magst du vergehen wie die weiße Wand (wie der weiße Mond¬
schein voll der Wand), da unser Herr Jesus am Kreuze sang. Im Namen"
u. s. w.

Ohne Zweifel ist der Mond auch bei andern: Zauberwerk nothwendiger
Zeuge und Gehilfe. So beim Gießen von Freikugeln, beim Banner von
Dieben und bei der Anfertigung vou Wünschelruthen. Einen hierher gehörigen
westfälische" Aberglauben theilt Kühn mit. Es ist eine Anweisung, einen
Stecken zu schneiden, mit dem man Abwesende prügeln kann. Mail schneidet
denselben an einem Dinstage, wenn der Mond nen wird, im Namen der
Dreifaltigkeit, zieht seinen Rock aus, schlägt, indem man den Namen des zu
Prügelnden nennt, tüchtig dciranf, und jener bekommt jeden Hieb, der auf den
Rock fällt.

Völlig verschieden von den im Bisherigen angeführten Sagen, Behaup-


stillschweigend damit berührt und den Stein dann hinter sich wirft (Harz,
Schlesien). Zahnschmerz wird unfehlbar geheilt, wenn der daran Leidende den
Vollmond ansieht und spricht- „Maand, ik klag Di Tähnpien, Rietpien, Spliet-
Pien un Gicht, im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen
Geistes" (Lauenburg), oder wenn der Geplagte bei abnehmendem Monde mit
einem Nagel in den Zahn bohrt, bis Blut kommt, und den Nagel dann still¬
schweigend in die Nordseite eiuer Eiche schlägt; so lange der Baum steht, wird
er dann nie wieder Zahnweh haben (Mark). Gepulverte Todtenknochen, bei
abnehmendem Monde eingenommen, gelten in Tirol für gut gegen die fallende
sucht. Eisenkrailt, nach Aufgang des Hundssterns bei Neumond gebrochen,
vertreibt Kopfschmerz. Krebse, bei Vollmond gefangen, wenn die Sonne im
Löwen steht, lebendig verbrannt und dann zerstoßen, sind das beste Mittel
gegen Hundswuth. Bruchschäden vergehen, wenn man bei Vollmond das auf
eine Wand fallende Licht desselben dreimal mit der hohlen Hand auf die Ge¬
schwulst schöpft und dazu die Formel: „Im Namen Gottes, des Vaters"
n. s. w. spricht. In ähnlicher Weise werden Flechten und Warzen vertrieben,
und zwar letztere auf folgende Methode: Mau sieht scharf in den Vollmond,
streicht über die Warze hin und sagt: „Wat ik seh, dat steil, wat ik Strick, dat
geit, im Namen" u. f.' w. Bei zunehmendem Monde aber sagt man: „Dat
nimmt tan, wat ik hellet, dat nimmt af, wat ik bestrick" (Mecklenburg, Lauen¬
burg und ähnlich Baiern). Ein Zaubersegen gegen die Gicht endlich, der in
Lauenburg bei abnehmendem Monde Dinstags und Freitags angewendet wird,
lautet: „Gicht, ich befehle Dir durch Gottes Macht, durch Gottes Kraft, Dn
sollst nicht mehr reißen, Du sollst nicht mehr schleißen, Du sollst nicht mehr
rennen, du sollst uicht mehr brennen', dn sollst nicht mehr brechen, du sollst
nicht mehr stechen. Der Du uuter den Neunundneunzig und siebenundsiebzig
bist, sicherlich magst du vergehen wie die weiße Wand (wie der weiße Mond¬
schein voll der Wand), da unser Herr Jesus am Kreuze sang. Im Namen"
u. s. w.

Ohne Zweifel ist der Mond auch bei andern: Zauberwerk nothwendiger
Zeuge und Gehilfe. So beim Gießen von Freikugeln, beim Banner von
Dieben und bei der Anfertigung vou Wünschelruthen. Einen hierher gehörigen
westfälische» Aberglauben theilt Kühn mit. Es ist eine Anweisung, einen
Stecken zu schneiden, mit dem man Abwesende prügeln kann. Mail schneidet
denselben an einem Dinstage, wenn der Mond nen wird, im Namen der
Dreifaltigkeit, zieht seinen Rock aus, schlägt, indem man den Namen des zu
Prügelnden nennt, tüchtig dciranf, und jener bekommt jeden Hieb, der auf den
Rock fällt.

Völlig verschieden von den im Bisherigen angeführten Sagen, Behaup-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138078"/>
          <p xml:id="ID_1069" prev="#ID_1068"> stillschweigend damit berührt und den Stein dann hinter sich wirft (Harz,<lb/>
Schlesien). Zahnschmerz wird unfehlbar geheilt, wenn der daran Leidende den<lb/>
Vollmond ansieht und spricht- &#x201E;Maand, ik klag Di Tähnpien, Rietpien, Spliet-<lb/>
Pien un Gicht, im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen<lb/>
Geistes" (Lauenburg), oder wenn der Geplagte bei abnehmendem Monde mit<lb/>
einem Nagel in den Zahn bohrt, bis Blut kommt, und den Nagel dann still¬<lb/>
schweigend in die Nordseite eiuer Eiche schlägt; so lange der Baum steht, wird<lb/>
er dann nie wieder Zahnweh haben (Mark). Gepulverte Todtenknochen, bei<lb/>
abnehmendem Monde eingenommen, gelten in Tirol für gut gegen die fallende<lb/>
sucht. Eisenkrailt, nach Aufgang des Hundssterns bei Neumond gebrochen,<lb/>
vertreibt Kopfschmerz. Krebse, bei Vollmond gefangen, wenn die Sonne im<lb/>
Löwen steht, lebendig verbrannt und dann zerstoßen, sind das beste Mittel<lb/>
gegen Hundswuth. Bruchschäden vergehen, wenn man bei Vollmond das auf<lb/>
eine Wand fallende Licht desselben dreimal mit der hohlen Hand auf die Ge¬<lb/>
schwulst schöpft und dazu die Formel: &#x201E;Im Namen Gottes, des Vaters"<lb/>
n. s. w. spricht. In ähnlicher Weise werden Flechten und Warzen vertrieben,<lb/>
und zwar letztere auf folgende Methode: Mau sieht scharf in den Vollmond,<lb/>
streicht über die Warze hin und sagt: &#x201E;Wat ik seh, dat steil, wat ik Strick, dat<lb/>
geit, im Namen" u. f.' w. Bei zunehmendem Monde aber sagt man: &#x201E;Dat<lb/>
nimmt tan, wat ik hellet, dat nimmt af, wat ik bestrick" (Mecklenburg, Lauen¬<lb/>
burg und ähnlich Baiern). Ein Zaubersegen gegen die Gicht endlich, der in<lb/>
Lauenburg bei abnehmendem Monde Dinstags und Freitags angewendet wird,<lb/>
lautet: &#x201E;Gicht, ich befehle Dir durch Gottes Macht, durch Gottes Kraft, Dn<lb/>
sollst nicht mehr reißen, Du sollst nicht mehr schleißen, Du sollst nicht mehr<lb/>
rennen, du sollst uicht mehr brennen', dn sollst nicht mehr brechen, du sollst<lb/>
nicht mehr stechen. Der Du uuter den Neunundneunzig und siebenundsiebzig<lb/>
bist, sicherlich magst du vergehen wie die weiße Wand (wie der weiße Mond¬<lb/>
schein voll der Wand), da unser Herr Jesus am Kreuze sang. Im Namen"<lb/>
u. s. w.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1070"> Ohne Zweifel ist der Mond auch bei andern: Zauberwerk nothwendiger<lb/>
Zeuge und Gehilfe. So beim Gießen von Freikugeln, beim Banner von<lb/>
Dieben und bei der Anfertigung vou Wünschelruthen. Einen hierher gehörigen<lb/>
westfälische» Aberglauben theilt Kühn mit. Es ist eine Anweisung, einen<lb/>
Stecken zu schneiden, mit dem man Abwesende prügeln kann. Mail schneidet<lb/>
denselben an einem Dinstage, wenn der Mond nen wird, im Namen der<lb/>
Dreifaltigkeit, zieht seinen Rock aus, schlägt, indem man den Namen des zu<lb/>
Prügelnden nennt, tüchtig dciranf, und jener bekommt jeden Hieb, der auf den<lb/>
Rock fällt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1071" next="#ID_1072"> Völlig verschieden von den im Bisherigen angeführten Sagen, Behaup-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0377] stillschweigend damit berührt und den Stein dann hinter sich wirft (Harz, Schlesien). Zahnschmerz wird unfehlbar geheilt, wenn der daran Leidende den Vollmond ansieht und spricht- „Maand, ik klag Di Tähnpien, Rietpien, Spliet- Pien un Gicht, im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes" (Lauenburg), oder wenn der Geplagte bei abnehmendem Monde mit einem Nagel in den Zahn bohrt, bis Blut kommt, und den Nagel dann still¬ schweigend in die Nordseite eiuer Eiche schlägt; so lange der Baum steht, wird er dann nie wieder Zahnweh haben (Mark). Gepulverte Todtenknochen, bei abnehmendem Monde eingenommen, gelten in Tirol für gut gegen die fallende sucht. Eisenkrailt, nach Aufgang des Hundssterns bei Neumond gebrochen, vertreibt Kopfschmerz. Krebse, bei Vollmond gefangen, wenn die Sonne im Löwen steht, lebendig verbrannt und dann zerstoßen, sind das beste Mittel gegen Hundswuth. Bruchschäden vergehen, wenn man bei Vollmond das auf eine Wand fallende Licht desselben dreimal mit der hohlen Hand auf die Ge¬ schwulst schöpft und dazu die Formel: „Im Namen Gottes, des Vaters" n. s. w. spricht. In ähnlicher Weise werden Flechten und Warzen vertrieben, und zwar letztere auf folgende Methode: Mau sieht scharf in den Vollmond, streicht über die Warze hin und sagt: „Wat ik seh, dat steil, wat ik Strick, dat geit, im Namen" u. f.' w. Bei zunehmendem Monde aber sagt man: „Dat nimmt tan, wat ik hellet, dat nimmt af, wat ik bestrick" (Mecklenburg, Lauen¬ burg und ähnlich Baiern). Ein Zaubersegen gegen die Gicht endlich, der in Lauenburg bei abnehmendem Monde Dinstags und Freitags angewendet wird, lautet: „Gicht, ich befehle Dir durch Gottes Macht, durch Gottes Kraft, Dn sollst nicht mehr reißen, Du sollst nicht mehr schleißen, Du sollst nicht mehr rennen, du sollst uicht mehr brennen', dn sollst nicht mehr brechen, du sollst nicht mehr stechen. Der Du uuter den Neunundneunzig und siebenundsiebzig bist, sicherlich magst du vergehen wie die weiße Wand (wie der weiße Mond¬ schein voll der Wand), da unser Herr Jesus am Kreuze sang. Im Namen" u. s. w. Ohne Zweifel ist der Mond auch bei andern: Zauberwerk nothwendiger Zeuge und Gehilfe. So beim Gießen von Freikugeln, beim Banner von Dieben und bei der Anfertigung vou Wünschelruthen. Einen hierher gehörigen westfälische» Aberglauben theilt Kühn mit. Es ist eine Anweisung, einen Stecken zu schneiden, mit dem man Abwesende prügeln kann. Mail schneidet denselben an einem Dinstage, wenn der Mond nen wird, im Namen der Dreifaltigkeit, zieht seinen Rock aus, schlägt, indem man den Namen des zu Prügelnden nennt, tüchtig dciranf, und jener bekommt jeden Hieb, der auf den Rock fällt. Völlig verschieden von den im Bisherigen angeführten Sagen, Behaup-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/377
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/377>, abgerufen am 23.07.2024.