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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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und ebenso der Neumond fast allenthalben als glückverheißender Hochzeitszeuge
angesehen. Will man eine neue Wohnung beziehen, so thut mau gut, die alte
Regel zu befolge", welche die Neumvndswvche dazu empfiehlt, weil dann "die
Nahrung zunimmt". Wer kein Geld im Beutel hat, darf ihn bei Neumond
nicht besehen, weil er sonst, so lange das Licht währt, kein Geld haben würde.
Wer sein Silber während des Vollmonds zählt, der sieht es oft zu Golde
werden, hört man heutzutage an mehreren Orten, dagegen heißt es in der
"Blume der Tugend", einem Gedichte des fünfzehnten Jahrhunderts, daß
früher Manche ihr Geld herausholten, wenn sie den neuen Mond sahen.
Wunderlich lautet der niederrheinische Aberglaube, daß in der Neumondszeit
Verstand und Vernunft, wo sie nicht recht fest ständen, zu wackeln anfingen.

Von großer Wichtigkeit ist der Mond für die Bestimmung des Wetters.
Die Seeleute schreiben ihm eine schwammige Natur zu, vermöge welcher er
besonders im vollen Lichte in unglaublich kurzer Zeit ganze Wolkeumeere ein¬
sauge und den Himmel klare. "Der Mond ist durstig", sagen sie, "und säuft
das Gewölk weg". "Wollt Ihr wissen", behauptet eine alte meteorologische
Regel für Bauern, "ob in einem jeglichen Monat schön Wetter sein oder regnen
wird, so lug, in welcher Stunde ein neuer Mond wird, an welchem Zeichen
(im Kalender), und welcher Planet zu derselben Stunde regiert: so wird der¬
selbe Monat gern heiß und trocken, kalt und feucht uach den Urtheilen der
vier Zeiten des Jahres. Item, wenn der Mond neu ist worden, wie es dann
denselben Monat wittern soll, das findest Du also: scheint der Mond weiß, so
wird es gern schön, scheint er aber roth, so wird es gern windig. Scheint er
bleich, so regnet es gern. Item, wenn es regnet an dem nächsten Montag,
nachdem der Mond neu ist worden, so soll es den ganzen Monat aus regnen.
Und sagen die Meisten von dem Mond, wenn er nen ist und hat an dein
Horn einen dunkeln Schein, schwarze Male, so bedeutet das in seiner Neue
Regentage. Wenn er vier Tage alt ist und goldgelbe Farben an ihm sind,
so bedeutet das kürzlich starke Winde. Ist er aber schwarz in der Mitte, so
wird schön Wetter sein, klar und heiter bis zu Ende."

Der Mond mästet also Austern und Schlachtochsen, wirkt als magische
Guano ans den Acker, als Heckpfennig auf den Beutel, dient als Monatsnhr
für den Säemann und den Gärtner, als Wetterprophet und Barometer. Das
Folgend? wird zeigen, daß er anch unter den Arzneimitteln der Volksapothcte
eine Rolle spielt, trotzdem oder vielleicht gerade weil sein Schein hier und da
für giftig gilt. Sommersprossen vertreibt man sich, indem man sich des Nachts
mit dem Wasser wäscht, in welches der Vollmond scheint (Tirol). Kröpfe wird
man los, wenn man sich bei zunehmendem Mond drei Abende nach einander
mit dem Gesicht gegen den Mond stellt, einen Stein aufhebt, die Halsgeschwulst


und ebenso der Neumond fast allenthalben als glückverheißender Hochzeitszeuge
angesehen. Will man eine neue Wohnung beziehen, so thut mau gut, die alte
Regel zu befolge», welche die Neumvndswvche dazu empfiehlt, weil dann „die
Nahrung zunimmt". Wer kein Geld im Beutel hat, darf ihn bei Neumond
nicht besehen, weil er sonst, so lange das Licht währt, kein Geld haben würde.
Wer sein Silber während des Vollmonds zählt, der sieht es oft zu Golde
werden, hört man heutzutage an mehreren Orten, dagegen heißt es in der
„Blume der Tugend", einem Gedichte des fünfzehnten Jahrhunderts, daß
früher Manche ihr Geld herausholten, wenn sie den neuen Mond sahen.
Wunderlich lautet der niederrheinische Aberglaube, daß in der Neumondszeit
Verstand und Vernunft, wo sie nicht recht fest ständen, zu wackeln anfingen.

Von großer Wichtigkeit ist der Mond für die Bestimmung des Wetters.
Die Seeleute schreiben ihm eine schwammige Natur zu, vermöge welcher er
besonders im vollen Lichte in unglaublich kurzer Zeit ganze Wolkeumeere ein¬
sauge und den Himmel klare. „Der Mond ist durstig", sagen sie, „und säuft
das Gewölk weg". „Wollt Ihr wissen", behauptet eine alte meteorologische
Regel für Bauern, „ob in einem jeglichen Monat schön Wetter sein oder regnen
wird, so lug, in welcher Stunde ein neuer Mond wird, an welchem Zeichen
(im Kalender), und welcher Planet zu derselben Stunde regiert: so wird der¬
selbe Monat gern heiß und trocken, kalt und feucht uach den Urtheilen der
vier Zeiten des Jahres. Item, wenn der Mond neu ist worden, wie es dann
denselben Monat wittern soll, das findest Du also: scheint der Mond weiß, so
wird es gern schön, scheint er aber roth, so wird es gern windig. Scheint er
bleich, so regnet es gern. Item, wenn es regnet an dem nächsten Montag,
nachdem der Mond neu ist worden, so soll es den ganzen Monat aus regnen.
Und sagen die Meisten von dem Mond, wenn er nen ist und hat an dein
Horn einen dunkeln Schein, schwarze Male, so bedeutet das in seiner Neue
Regentage. Wenn er vier Tage alt ist und goldgelbe Farben an ihm sind,
so bedeutet das kürzlich starke Winde. Ist er aber schwarz in der Mitte, so
wird schön Wetter sein, klar und heiter bis zu Ende."

Der Mond mästet also Austern und Schlachtochsen, wirkt als magische
Guano ans den Acker, als Heckpfennig auf den Beutel, dient als Monatsnhr
für den Säemann und den Gärtner, als Wetterprophet und Barometer. Das
Folgend? wird zeigen, daß er anch unter den Arzneimitteln der Volksapothcte
eine Rolle spielt, trotzdem oder vielleicht gerade weil sein Schein hier und da
für giftig gilt. Sommersprossen vertreibt man sich, indem man sich des Nachts
mit dem Wasser wäscht, in welches der Vollmond scheint (Tirol). Kröpfe wird
man los, wenn man sich bei zunehmendem Mond drei Abende nach einander
mit dem Gesicht gegen den Mond stellt, einen Stein aufhebt, die Halsgeschwulst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/376>, abgerufen am 23.07.2024.