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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Messern auf Pfannen oder Sensen, damit der Mond, hierdurch erschreckt, ab¬
lasse. Noch wichtiger aber für unsern Zusammenhang ist die Art nud Weise,
in welcher sich das Volk in den verschiedensten Gegenden Deutschlands sowie
in England die Mondflecken erklärt; denn hier sehen wir mit geringen Ver¬
änderungen die jüngere von den obigen drei Eddamythen vor uns, ja einige
Versionen zeigen auch Spuren vou der jüngsten. Ehe wir indeß hierauf über¬
gehen, werfen wir einen Blick auf die Deutung der Mondflecken unter nicht-
germanischen Völkern.

Die Inder erzählen: Als der Beherrscher des Luftkreises, Indra, die
Ahalya verführen wollte, machte er den leuchtenden Caudra zum Bertrauten
seiner Absicht. Dieser wußte, daß der Gatte der schönen Fran jedesmal beim
Hahnenkrähen zum Gebet aufstand und seine Hütte verließ, um sich im Ganges
zu wasche". Beide Götter begaben sich also nach seiner Wohnung. Hier nahm
Caudra die Gestalt eines Hahnes an und krähte noch vor Mitternacht. So¬
gleich stand der heilige Mann auf und ging hinunter an den Strom, und nun
besuchte Indra die Ahalya in Gestalt ihres Gemahls. Dieser aber wurde
von der Göttin Ganga, da er sie vor Tagesanbruch störte, übel aufgenommen,
und da schöpfte er Verdacht, kehrte rasch um und traf, als er feine Hütte er¬
reichte, die beiden Götter bei seinem Weibe. Er prügelte Beide unbarmherzig
durch und belegte sie noch überdies mit dem Fluche, daß sie die Merkmale
dieser Schläge für immer behalten sollten. Der Mond (Caudra) ist daher noch
jetzt voll dunkler Flecken.

Eigenthümlich ist die weite Verbreitung von Vorstellungen, welche den
Hasen in Beziehung zum Monde bringt. In einer Fabel des Hitopadesa er¬
scheint der Hase vor dem Elephanten und gibt sich als Gesandter des Mondes
ans, der ja anch aus seiner Scheibe den Hasen als Wappenbild führe. Die
Inder nennen den Mond daher den Hasenträger. Die Mongolen erzählen:
Bogdo Schigcunnni (Buddha Ssakjamuni), der oberste Regent des Himmels,
hatte sich einst in einen Hasen verwandelt, um einem verhungernden Wanders-
mann zur Speise zu dienen. Wegen dieser edlen Opferthat setzte Chnrmustci,
welchen die guten Geister als ihren Obersten verehren, die Gestalt eines Hasen
zu ewigem Gedächtniß in den Mond. In Japan sind die Mondflecken ein
Hase, der in einem Mörser Reis stößt. Bei den Namaquas im Hottentotten¬
lande gilt der Mann im Monde für heilig, und demselben ist der Hase geweiht,
weßhalb niemand dessen Fleisch essen darf. Auch in Siam sind die Mond-
flecken ein Hase. Doch werden sie hier von Andern als ein Ehepaar ange¬
sehen, welches die Felder ans der Mondscheibe bestellt. Bei den Buräten sind
sie ein Mädchen, welches von seiner Mutter verwünscht worden ist. Auf
Samoa heißt es, eine Frau, die den Mond beleidigt, sei zur Strafe von ihm


Messern auf Pfannen oder Sensen, damit der Mond, hierdurch erschreckt, ab¬
lasse. Noch wichtiger aber für unsern Zusammenhang ist die Art nud Weise,
in welcher sich das Volk in den verschiedensten Gegenden Deutschlands sowie
in England die Mondflecken erklärt; denn hier sehen wir mit geringen Ver¬
änderungen die jüngere von den obigen drei Eddamythen vor uns, ja einige
Versionen zeigen auch Spuren vou der jüngsten. Ehe wir indeß hierauf über¬
gehen, werfen wir einen Blick auf die Deutung der Mondflecken unter nicht-
germanischen Völkern.

Die Inder erzählen: Als der Beherrscher des Luftkreises, Indra, die
Ahalya verführen wollte, machte er den leuchtenden Caudra zum Bertrauten
seiner Absicht. Dieser wußte, daß der Gatte der schönen Fran jedesmal beim
Hahnenkrähen zum Gebet aufstand und seine Hütte verließ, um sich im Ganges
zu wasche». Beide Götter begaben sich also nach seiner Wohnung. Hier nahm
Caudra die Gestalt eines Hahnes an und krähte noch vor Mitternacht. So¬
gleich stand der heilige Mann auf und ging hinunter an den Strom, und nun
besuchte Indra die Ahalya in Gestalt ihres Gemahls. Dieser aber wurde
von der Göttin Ganga, da er sie vor Tagesanbruch störte, übel aufgenommen,
und da schöpfte er Verdacht, kehrte rasch um und traf, als er feine Hütte er¬
reichte, die beiden Götter bei seinem Weibe. Er prügelte Beide unbarmherzig
durch und belegte sie noch überdies mit dem Fluche, daß sie die Merkmale
dieser Schläge für immer behalten sollten. Der Mond (Caudra) ist daher noch
jetzt voll dunkler Flecken.

Eigenthümlich ist die weite Verbreitung von Vorstellungen, welche den
Hasen in Beziehung zum Monde bringt. In einer Fabel des Hitopadesa er¬
scheint der Hase vor dem Elephanten und gibt sich als Gesandter des Mondes
ans, der ja anch aus seiner Scheibe den Hasen als Wappenbild führe. Die
Inder nennen den Mond daher den Hasenträger. Die Mongolen erzählen:
Bogdo Schigcunnni (Buddha Ssakjamuni), der oberste Regent des Himmels,
hatte sich einst in einen Hasen verwandelt, um einem verhungernden Wanders-
mann zur Speise zu dienen. Wegen dieser edlen Opferthat setzte Chnrmustci,
welchen die guten Geister als ihren Obersten verehren, die Gestalt eines Hasen
zu ewigem Gedächtniß in den Mond. In Japan sind die Mondflecken ein
Hase, der in einem Mörser Reis stößt. Bei den Namaquas im Hottentotten¬
lande gilt der Mann im Monde für heilig, und demselben ist der Hase geweiht,
weßhalb niemand dessen Fleisch essen darf. Auch in Siam sind die Mond-
flecken ein Hase. Doch werden sie hier von Andern als ein Ehepaar ange¬
sehen, welches die Felder ans der Mondscheibe bestellt. Bei den Buräten sind
sie ein Mädchen, welches von seiner Mutter verwünscht worden ist. Auf
Samoa heißt es, eine Frau, die den Mond beleidigt, sei zur Strafe von ihm


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[0369] Messern auf Pfannen oder Sensen, damit der Mond, hierdurch erschreckt, ab¬ lasse. Noch wichtiger aber für unsern Zusammenhang ist die Art nud Weise, in welcher sich das Volk in den verschiedensten Gegenden Deutschlands sowie in England die Mondflecken erklärt; denn hier sehen wir mit geringen Ver¬ änderungen die jüngere von den obigen drei Eddamythen vor uns, ja einige Versionen zeigen auch Spuren vou der jüngsten. Ehe wir indeß hierauf über¬ gehen, werfen wir einen Blick auf die Deutung der Mondflecken unter nicht- germanischen Völkern. Die Inder erzählen: Als der Beherrscher des Luftkreises, Indra, die Ahalya verführen wollte, machte er den leuchtenden Caudra zum Bertrauten seiner Absicht. Dieser wußte, daß der Gatte der schönen Fran jedesmal beim Hahnenkrähen zum Gebet aufstand und seine Hütte verließ, um sich im Ganges zu wasche». Beide Götter begaben sich also nach seiner Wohnung. Hier nahm Caudra die Gestalt eines Hahnes an und krähte noch vor Mitternacht. So¬ gleich stand der heilige Mann auf und ging hinunter an den Strom, und nun besuchte Indra die Ahalya in Gestalt ihres Gemahls. Dieser aber wurde von der Göttin Ganga, da er sie vor Tagesanbruch störte, übel aufgenommen, und da schöpfte er Verdacht, kehrte rasch um und traf, als er feine Hütte er¬ reichte, die beiden Götter bei seinem Weibe. Er prügelte Beide unbarmherzig durch und belegte sie noch überdies mit dem Fluche, daß sie die Merkmale dieser Schläge für immer behalten sollten. Der Mond (Caudra) ist daher noch jetzt voll dunkler Flecken. Eigenthümlich ist die weite Verbreitung von Vorstellungen, welche den Hasen in Beziehung zum Monde bringt. In einer Fabel des Hitopadesa er¬ scheint der Hase vor dem Elephanten und gibt sich als Gesandter des Mondes ans, der ja anch aus seiner Scheibe den Hasen als Wappenbild führe. Die Inder nennen den Mond daher den Hasenträger. Die Mongolen erzählen: Bogdo Schigcunnni (Buddha Ssakjamuni), der oberste Regent des Himmels, hatte sich einst in einen Hasen verwandelt, um einem verhungernden Wanders- mann zur Speise zu dienen. Wegen dieser edlen Opferthat setzte Chnrmustci, welchen die guten Geister als ihren Obersten verehren, die Gestalt eines Hasen zu ewigem Gedächtniß in den Mond. In Japan sind die Mondflecken ein Hase, der in einem Mörser Reis stößt. Bei den Namaquas im Hottentotten¬ lande gilt der Mann im Monde für heilig, und demselben ist der Hase geweiht, weßhalb niemand dessen Fleisch essen darf. Auch in Siam sind die Mond- flecken ein Hase. Doch werden sie hier von Andern als ein Ehepaar ange¬ sehen, welches die Felder ans der Mondscheibe bestellt. Bei den Buräten sind sie ein Mädchen, welches von seiner Mutter verwünscht worden ist. Auf Samoa heißt es, eine Frau, die den Mond beleidigt, sei zur Strafe von ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/369>, abgerufen am 01.07.2024.