Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die Einrichtung erhalt sich dnrch das Interesse und die Eitelkeit der Edelleute.
Sich der Majestät nähern zu dürfen, in ihrem Hause Diener oder Bote zu
sein, das sind die Vorrechte, die man noch 1777 und bis zur Revolution mit
dreißig- bis hunderttausend Livres nicht zu theuer bezahlt zu haben glaubte,
welch ein Glück, welche Ehre und -- wie nützlich erst war es, an ihrer Ge¬
sellschaft theilnehmen zu können! Wer es durfte, gab ja damit vor Allem
einen Beweis alter Abkunft; denn er hatte vorher authentisch darthun müssen,
daß sein Adel wenigstens bis zum Jahre 1400 zurückreichte, sodann aber saß
er im Salon des Königs unmittelbar vor dem großen Gnadenborne des
Landes.

Der Monarch ist daher stets umwogt und umworben von seinen Großen.
Beim Spiel oder auf der Jagd umgeben ihn immer wenigstens 40 bis 50
Herren und ebensoviele Damen, und wenn er großen Cerele abhält, wobei ge¬
spielt und in der Spiegelgalerie getanzt wird, ladet er 400 bis 500 Personen
ein. "Da sitzt die Elite des Adels und der Mode auf den gepolsterten Bänken
an den Wänden oder vor den Karten- und Cavagnole-Tischen." "Von der mit
Bildhauerbarbeit und scherzenden Liebesgöttern geschmückten Decke hängen
flammende Leuchter herab, deren Strahlenglanz von hohen Spiegeln verviel¬
facht wird. Das Licht fällt in Strömen auf Vergoldungen, Diamanten, geist¬
volle, heitere Köpfe, schöne Büsten, reiche, mit Guirlanden gezierte, schimmernde
Kleider. Die Schleppen der Damen bilden ein prächtiges Spalier, bedeckt mit
Perlen, Blumen, Früchten, künstlichen Erdbeeren, Himbeeren und Kirschen, mit
Gold, Silber und Edelsteinen. Die Pracht dieses Riesenbouqnets blendet das
Ange. Keine schwarzen Anzüge stören die Harmonie wie heutzutage. Die
Herren sind ebenso herausgeputzt wie die Damen: sie sind frisirt und gepudert,
sie tragen das Haar in Locken und Knoten, Kravatten und Manschetten ans
Spitzen, Röcke und Westen aus rosenrother oder blauer Seide mit Verzierungen
aus Goldborten und Tressen. Es ist eine Gesellschaft aus lauter vollendeten
Weltleuteu, die mit aller Anmuth ausgestattet siud, die ihnen Abkunft,
ziehung, Vermögen, Muße und Gewohnheit verleihen können. Jede Toilette
jede Kopfbewegung, jeder Laut und jede Redewendung ist das Meisterwerk
weltlicher Kultur, die Quintessenz raffinirter Geselligkeitskunst." "Es heißt,
daß man zur Erzeugung einer Unze der dem persischen Schah dienenden
Essenz hunderttausend Rosen bedürfe. Aehnlich verhält es sich mit dem Salon
der letzten französischen Könige vor der Revolution, der einem vergoldeten
Krystallfläschchen gleicht, welches den Kern einer menschlichen Vegetation enthält.
Um ihn zu füllen, war zuerst nöthig, daß eine große, in Treibhäuser verpflanzte
und zur Erzeugung von Früchten unfähig gemachte Aristokratie nur noch
Blüthen trage, und daun, daß sich ihr destillirter Saft zu einigen aromatischen


die Einrichtung erhalt sich dnrch das Interesse und die Eitelkeit der Edelleute.
Sich der Majestät nähern zu dürfen, in ihrem Hause Diener oder Bote zu
sein, das sind die Vorrechte, die man noch 1777 und bis zur Revolution mit
dreißig- bis hunderttausend Livres nicht zu theuer bezahlt zu haben glaubte,
welch ein Glück, welche Ehre und — wie nützlich erst war es, an ihrer Ge¬
sellschaft theilnehmen zu können! Wer es durfte, gab ja damit vor Allem
einen Beweis alter Abkunft; denn er hatte vorher authentisch darthun müssen,
daß sein Adel wenigstens bis zum Jahre 1400 zurückreichte, sodann aber saß
er im Salon des Königs unmittelbar vor dem großen Gnadenborne des
Landes.

Der Monarch ist daher stets umwogt und umworben von seinen Großen.
Beim Spiel oder auf der Jagd umgeben ihn immer wenigstens 40 bis 50
Herren und ebensoviele Damen, und wenn er großen Cerele abhält, wobei ge¬
spielt und in der Spiegelgalerie getanzt wird, ladet er 400 bis 500 Personen
ein. „Da sitzt die Elite des Adels und der Mode auf den gepolsterten Bänken
an den Wänden oder vor den Karten- und Cavagnole-Tischen." „Von der mit
Bildhauerbarbeit und scherzenden Liebesgöttern geschmückten Decke hängen
flammende Leuchter herab, deren Strahlenglanz von hohen Spiegeln verviel¬
facht wird. Das Licht fällt in Strömen auf Vergoldungen, Diamanten, geist¬
volle, heitere Köpfe, schöne Büsten, reiche, mit Guirlanden gezierte, schimmernde
Kleider. Die Schleppen der Damen bilden ein prächtiges Spalier, bedeckt mit
Perlen, Blumen, Früchten, künstlichen Erdbeeren, Himbeeren und Kirschen, mit
Gold, Silber und Edelsteinen. Die Pracht dieses Riesenbouqnets blendet das
Ange. Keine schwarzen Anzüge stören die Harmonie wie heutzutage. Die
Herren sind ebenso herausgeputzt wie die Damen: sie sind frisirt und gepudert,
sie tragen das Haar in Locken und Knoten, Kravatten und Manschetten ans
Spitzen, Röcke und Westen aus rosenrother oder blauer Seide mit Verzierungen
aus Goldborten und Tressen. Es ist eine Gesellschaft aus lauter vollendeten
Weltleuteu, die mit aller Anmuth ausgestattet siud, die ihnen Abkunft,
ziehung, Vermögen, Muße und Gewohnheit verleihen können. Jede Toilette
jede Kopfbewegung, jeder Laut und jede Redewendung ist das Meisterwerk
weltlicher Kultur, die Quintessenz raffinirter Geselligkeitskunst." „Es heißt,
daß man zur Erzeugung einer Unze der dem persischen Schah dienenden
Essenz hunderttausend Rosen bedürfe. Aehnlich verhält es sich mit dem Salon
der letzten französischen Könige vor der Revolution, der einem vergoldeten
Krystallfläschchen gleicht, welches den Kern einer menschlichen Vegetation enthält.
Um ihn zu füllen, war zuerst nöthig, daß eine große, in Treibhäuser verpflanzte
und zur Erzeugung von Früchten unfähig gemachte Aristokratie nur noch
Blüthen trage, und daun, daß sich ihr destillirter Saft zu einigen aromatischen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138043"/>
          <p xml:id="ID_974" prev="#ID_973"> die Einrichtung erhalt sich dnrch das Interesse und die Eitelkeit der Edelleute.<lb/>
Sich der Majestät nähern zu dürfen, in ihrem Hause Diener oder Bote zu<lb/>
sein, das sind die Vorrechte, die man noch 1777 und bis zur Revolution mit<lb/>
dreißig- bis hunderttausend Livres nicht zu theuer bezahlt zu haben glaubte,<lb/>
welch ein Glück, welche Ehre und &#x2014; wie nützlich erst war es, an ihrer Ge¬<lb/>
sellschaft theilnehmen zu können! Wer es durfte, gab ja damit vor Allem<lb/>
einen Beweis alter Abkunft; denn er hatte vorher authentisch darthun müssen,<lb/>
daß sein Adel wenigstens bis zum Jahre 1400 zurückreichte, sodann aber saß<lb/>
er im Salon des Königs unmittelbar vor dem großen Gnadenborne des<lb/>
Landes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_975" next="#ID_976"> Der Monarch ist daher stets umwogt und umworben von seinen Großen.<lb/>
Beim Spiel oder auf der Jagd umgeben ihn immer wenigstens 40 bis 50<lb/>
Herren und ebensoviele Damen, und wenn er großen Cerele abhält, wobei ge¬<lb/>
spielt und in der Spiegelgalerie getanzt wird, ladet er 400 bis 500 Personen<lb/>
ein. &#x201E;Da sitzt die Elite des Adels und der Mode auf den gepolsterten Bänken<lb/>
an den Wänden oder vor den Karten- und Cavagnole-Tischen." &#x201E;Von der mit<lb/>
Bildhauerbarbeit und scherzenden Liebesgöttern geschmückten Decke hängen<lb/>
flammende Leuchter herab, deren Strahlenglanz von hohen Spiegeln verviel¬<lb/>
facht wird. Das Licht fällt in Strömen auf Vergoldungen, Diamanten, geist¬<lb/>
volle, heitere Köpfe, schöne Büsten, reiche, mit Guirlanden gezierte, schimmernde<lb/>
Kleider. Die Schleppen der Damen bilden ein prächtiges Spalier, bedeckt mit<lb/>
Perlen, Blumen, Früchten, künstlichen Erdbeeren, Himbeeren und Kirschen, mit<lb/>
Gold, Silber und Edelsteinen. Die Pracht dieses Riesenbouqnets blendet das<lb/>
Ange. Keine schwarzen Anzüge stören die Harmonie wie heutzutage. Die<lb/>
Herren sind ebenso herausgeputzt wie die Damen: sie sind frisirt und gepudert,<lb/>
sie tragen das Haar in Locken und Knoten, Kravatten und Manschetten ans<lb/>
Spitzen, Röcke und Westen aus rosenrother oder blauer Seide mit Verzierungen<lb/>
aus Goldborten und Tressen. Es ist eine Gesellschaft aus lauter vollendeten<lb/>
Weltleuteu, die mit aller Anmuth ausgestattet siud, die ihnen Abkunft,<lb/>
ziehung, Vermögen, Muße und Gewohnheit verleihen können. Jede Toilette<lb/>
jede Kopfbewegung, jeder Laut und jede Redewendung ist das Meisterwerk<lb/>
weltlicher Kultur, die Quintessenz raffinirter Geselligkeitskunst." &#x201E;Es heißt,<lb/>
daß man zur Erzeugung einer Unze der dem persischen Schah dienenden<lb/>
Essenz hunderttausend Rosen bedürfe. Aehnlich verhält es sich mit dem Salon<lb/>
der letzten französischen Könige vor der Revolution, der einem vergoldeten<lb/>
Krystallfläschchen gleicht, welches den Kern einer menschlichen Vegetation enthält.<lb/>
Um ihn zu füllen, war zuerst nöthig, daß eine große, in Treibhäuser verpflanzte<lb/>
und zur Erzeugung von Früchten unfähig gemachte Aristokratie nur noch<lb/>
Blüthen trage, und daun, daß sich ihr destillirter Saft zu einigen aromatischen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0342] die Einrichtung erhalt sich dnrch das Interesse und die Eitelkeit der Edelleute. Sich der Majestät nähern zu dürfen, in ihrem Hause Diener oder Bote zu sein, das sind die Vorrechte, die man noch 1777 und bis zur Revolution mit dreißig- bis hunderttausend Livres nicht zu theuer bezahlt zu haben glaubte, welch ein Glück, welche Ehre und — wie nützlich erst war es, an ihrer Ge¬ sellschaft theilnehmen zu können! Wer es durfte, gab ja damit vor Allem einen Beweis alter Abkunft; denn er hatte vorher authentisch darthun müssen, daß sein Adel wenigstens bis zum Jahre 1400 zurückreichte, sodann aber saß er im Salon des Königs unmittelbar vor dem großen Gnadenborne des Landes. Der Monarch ist daher stets umwogt und umworben von seinen Großen. Beim Spiel oder auf der Jagd umgeben ihn immer wenigstens 40 bis 50 Herren und ebensoviele Damen, und wenn er großen Cerele abhält, wobei ge¬ spielt und in der Spiegelgalerie getanzt wird, ladet er 400 bis 500 Personen ein. „Da sitzt die Elite des Adels und der Mode auf den gepolsterten Bänken an den Wänden oder vor den Karten- und Cavagnole-Tischen." „Von der mit Bildhauerbarbeit und scherzenden Liebesgöttern geschmückten Decke hängen flammende Leuchter herab, deren Strahlenglanz von hohen Spiegeln verviel¬ facht wird. Das Licht fällt in Strömen auf Vergoldungen, Diamanten, geist¬ volle, heitere Köpfe, schöne Büsten, reiche, mit Guirlanden gezierte, schimmernde Kleider. Die Schleppen der Damen bilden ein prächtiges Spalier, bedeckt mit Perlen, Blumen, Früchten, künstlichen Erdbeeren, Himbeeren und Kirschen, mit Gold, Silber und Edelsteinen. Die Pracht dieses Riesenbouqnets blendet das Ange. Keine schwarzen Anzüge stören die Harmonie wie heutzutage. Die Herren sind ebenso herausgeputzt wie die Damen: sie sind frisirt und gepudert, sie tragen das Haar in Locken und Knoten, Kravatten und Manschetten ans Spitzen, Röcke und Westen aus rosenrother oder blauer Seide mit Verzierungen aus Goldborten und Tressen. Es ist eine Gesellschaft aus lauter vollendeten Weltleuteu, die mit aller Anmuth ausgestattet siud, die ihnen Abkunft, ziehung, Vermögen, Muße und Gewohnheit verleihen können. Jede Toilette jede Kopfbewegung, jeder Laut und jede Redewendung ist das Meisterwerk weltlicher Kultur, die Quintessenz raffinirter Geselligkeitskunst." „Es heißt, daß man zur Erzeugung einer Unze der dem persischen Schah dienenden Essenz hunderttausend Rosen bedürfe. Aehnlich verhält es sich mit dem Salon der letzten französischen Könige vor der Revolution, der einem vergoldeten Krystallfläschchen gleicht, welches den Kern einer menschlichen Vegetation enthält. Um ihn zu füllen, war zuerst nöthig, daß eine große, in Treibhäuser verpflanzte und zur Erzeugung von Früchten unfähig gemachte Aristokratie nur noch Blüthen trage, und daun, daß sich ihr destillirter Saft zu einigen aromatischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/342
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/342>, abgerufen am 03.07.2024.