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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Abtheilung, Rechnungswesen, Küche, Keller u. a. in. 1771 bezahlt man für
die Einrichtung der Gräfin von Artois drei Millionen. Ein einziges Zimmer
für Madame Adelaide kostet achtmalhunderttausend Livres. Beim Herzog von
Orleans gibt es 274, bei den Prinzessinnen 210, bei Madame Elisabeth 68,
bei der Gräfin von Artois 239, bei der Gräfin von Provence 256, bei der
Königin 486 Chargen. Als es sich darum handelt, der einen Monat alten
Tochter der Königin Marie Antoinette einen Haushalt zu bilden, will Letztere
"eine schädliche Verweichlichung und einen unnützen Schwall von Dienstleuten
vermeiden und Alles unterdrücken, was bei der jungen Prinzessin den Stolz
nähren könnte", und trotz dieser Einschränkung bekommt das Kind achtzig
Leute zu seiner ausschließlichen Bedienung. Der eivile Hofstaat von Monsieur
(dein ältesten Bruder des Königs) umfaßt 420, der militärische 179 Personen.
Drei Viertel sind bloß für das Auge da, und mit ihren Stickereien und
Tressen, ihrer ungezwungenen höflichen Miene, ihrem aufmerksamen und diskreten
Aussehen, ihrer hübschen Art zu grüßen, zu gehen und zu lächeln nehmen sie
sich in der That recht hübsch ans, wenn sie im Vorzimmer in Reihe und
Glied oder auf den Gängen gruppenweise vertheilt bei einander stehen

Von dem Glänze der Planeten schließe man auf den der Sonne, die sie
umkreisen. Der König bedarf zunächst einer Garde zu Fuß, einer zu Pferde,
einer Leibgarde, einer französischen und zweier schweizerischen Garden, einer
Gardegendarinerie und einer Thorwache, die zusammen über neuntausend Mann
zählen und jährlich mehr als achtehalb Millionen Livres verschlingen. Wenn
der König nach Paris oder Fontainebleau fährt, ist das Schauspiel prachtvoll. "
Vier Trompeter gehen dem Zuge voraus, und vier folgen ihm. Die Schweizer¬
garden auf der einen, die französischen auf der andern Seite bilden endlose
Hecken. Vor deu Pferden marschiren die "hundert Schweizer" in der Tracht
des sechzehnten Jahrhunderts, buntscheckigen Wämsern, Halskrausen, Hüten mit
Federbüschen, und lange Knebelspieße in den Händen, einher, an ihrer Seite
die Polizeigarden mit vergoldeten Rockschnüren, Scharlachaufschlägen und von
Gold- und Silberstickereien und Troddeln strotzenden Uniformen. In allen
Korps ragen die Offiziere und die Musikanten durch besonderen Glanz hervor.
Die Pauke, die an einem golddurchwirkten, mit Malerei überladenen Sattel¬
bogen hängt, ist werth in ein Raritätenkabinet gestellt zu werden, und der
zimbelschlagende Mohr der französischen Garde gleicht einem Chalifen in einem
Feenmärchen. Zu beiden Seiten des königlichem Wagens und hinter demselben
marschiren die Leibgarden mit, Degen und Karabinern, in rothen Hosen, hohen
schwarzen Stiefeln und blauen weißbestickten Röcken. Sie sind allesammt von
Adel und nach ihrer Größe gewählt wie die Niesen des Vaters Friedrich's des
Großen. Unter ihnen sind die vornehmsten die "MrÄW as ig, aeneus", d. h.


Abtheilung, Rechnungswesen, Küche, Keller u. a. in. 1771 bezahlt man für
die Einrichtung der Gräfin von Artois drei Millionen. Ein einziges Zimmer
für Madame Adelaide kostet achtmalhunderttausend Livres. Beim Herzog von
Orleans gibt es 274, bei den Prinzessinnen 210, bei Madame Elisabeth 68,
bei der Gräfin von Artois 239, bei der Gräfin von Provence 256, bei der
Königin 486 Chargen. Als es sich darum handelt, der einen Monat alten
Tochter der Königin Marie Antoinette einen Haushalt zu bilden, will Letztere
„eine schädliche Verweichlichung und einen unnützen Schwall von Dienstleuten
vermeiden und Alles unterdrücken, was bei der jungen Prinzessin den Stolz
nähren könnte", und trotz dieser Einschränkung bekommt das Kind achtzig
Leute zu seiner ausschließlichen Bedienung. Der eivile Hofstaat von Monsieur
(dein ältesten Bruder des Königs) umfaßt 420, der militärische 179 Personen.
Drei Viertel sind bloß für das Auge da, und mit ihren Stickereien und
Tressen, ihrer ungezwungenen höflichen Miene, ihrem aufmerksamen und diskreten
Aussehen, ihrer hübschen Art zu grüßen, zu gehen und zu lächeln nehmen sie
sich in der That recht hübsch ans, wenn sie im Vorzimmer in Reihe und
Glied oder auf den Gängen gruppenweise vertheilt bei einander stehen

Von dem Glänze der Planeten schließe man auf den der Sonne, die sie
umkreisen. Der König bedarf zunächst einer Garde zu Fuß, einer zu Pferde,
einer Leibgarde, einer französischen und zweier schweizerischen Garden, einer
Gardegendarinerie und einer Thorwache, die zusammen über neuntausend Mann
zählen und jährlich mehr als achtehalb Millionen Livres verschlingen. Wenn
der König nach Paris oder Fontainebleau fährt, ist das Schauspiel prachtvoll. »
Vier Trompeter gehen dem Zuge voraus, und vier folgen ihm. Die Schweizer¬
garden auf der einen, die französischen auf der andern Seite bilden endlose
Hecken. Vor deu Pferden marschiren die „hundert Schweizer" in der Tracht
des sechzehnten Jahrhunderts, buntscheckigen Wämsern, Halskrausen, Hüten mit
Federbüschen, und lange Knebelspieße in den Händen, einher, an ihrer Seite
die Polizeigarden mit vergoldeten Rockschnüren, Scharlachaufschlägen und von
Gold- und Silberstickereien und Troddeln strotzenden Uniformen. In allen
Korps ragen die Offiziere und die Musikanten durch besonderen Glanz hervor.
Die Pauke, die an einem golddurchwirkten, mit Malerei überladenen Sattel¬
bogen hängt, ist werth in ein Raritätenkabinet gestellt zu werden, und der
zimbelschlagende Mohr der französischen Garde gleicht einem Chalifen in einem
Feenmärchen. Zu beiden Seiten des königlichem Wagens und hinter demselben
marschiren die Leibgarden mit, Degen und Karabinern, in rothen Hosen, hohen
schwarzen Stiefeln und blauen weißbestickten Röcken. Sie sind allesammt von
Adel und nach ihrer Größe gewählt wie die Niesen des Vaters Friedrich's des
Großen. Unter ihnen sind die vornehmsten die „MrÄW as ig, aeneus", d. h.


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[0338] Abtheilung, Rechnungswesen, Küche, Keller u. a. in. 1771 bezahlt man für die Einrichtung der Gräfin von Artois drei Millionen. Ein einziges Zimmer für Madame Adelaide kostet achtmalhunderttausend Livres. Beim Herzog von Orleans gibt es 274, bei den Prinzessinnen 210, bei Madame Elisabeth 68, bei der Gräfin von Artois 239, bei der Gräfin von Provence 256, bei der Königin 486 Chargen. Als es sich darum handelt, der einen Monat alten Tochter der Königin Marie Antoinette einen Haushalt zu bilden, will Letztere „eine schädliche Verweichlichung und einen unnützen Schwall von Dienstleuten vermeiden und Alles unterdrücken, was bei der jungen Prinzessin den Stolz nähren könnte", und trotz dieser Einschränkung bekommt das Kind achtzig Leute zu seiner ausschließlichen Bedienung. Der eivile Hofstaat von Monsieur (dein ältesten Bruder des Königs) umfaßt 420, der militärische 179 Personen. Drei Viertel sind bloß für das Auge da, und mit ihren Stickereien und Tressen, ihrer ungezwungenen höflichen Miene, ihrem aufmerksamen und diskreten Aussehen, ihrer hübschen Art zu grüßen, zu gehen und zu lächeln nehmen sie sich in der That recht hübsch ans, wenn sie im Vorzimmer in Reihe und Glied oder auf den Gängen gruppenweise vertheilt bei einander stehen Von dem Glänze der Planeten schließe man auf den der Sonne, die sie umkreisen. Der König bedarf zunächst einer Garde zu Fuß, einer zu Pferde, einer Leibgarde, einer französischen und zweier schweizerischen Garden, einer Gardegendarinerie und einer Thorwache, die zusammen über neuntausend Mann zählen und jährlich mehr als achtehalb Millionen Livres verschlingen. Wenn der König nach Paris oder Fontainebleau fährt, ist das Schauspiel prachtvoll. » Vier Trompeter gehen dem Zuge voraus, und vier folgen ihm. Die Schweizer¬ garden auf der einen, die französischen auf der andern Seite bilden endlose Hecken. Vor deu Pferden marschiren die „hundert Schweizer" in der Tracht des sechzehnten Jahrhunderts, buntscheckigen Wämsern, Halskrausen, Hüten mit Federbüschen, und lange Knebelspieße in den Händen, einher, an ihrer Seite die Polizeigarden mit vergoldeten Rockschnüren, Scharlachaufschlägen und von Gold- und Silberstickereien und Troddeln strotzenden Uniformen. In allen Korps ragen die Offiziere und die Musikanten durch besonderen Glanz hervor. Die Pauke, die an einem golddurchwirkten, mit Malerei überladenen Sattel¬ bogen hängt, ist werth in ein Raritätenkabinet gestellt zu werden, und der zimbelschlagende Mohr der französischen Garde gleicht einem Chalifen in einem Feenmärchen. Zu beiden Seiten des königlichem Wagens und hinter demselben marschiren die Leibgarden mit, Degen und Karabinern, in rothen Hosen, hohen schwarzen Stiefeln und blauen weißbestickten Röcken. Sie sind allesammt von Adel und nach ihrer Größe gewählt wie die Niesen des Vaters Friedrich's des Großen. Unter ihnen sind die vornehmsten die „MrÄW as ig, aeneus", d. h.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/338>, abgerufen am 28.09.2024.