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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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die Gesellschaft des Königs, diese Damen, die ihm den Hof machen, und diese
Herren, die mit ihm ausfahren. Sie können zu jeder Stunde bereit sein,
seinen Salon oder sein Vorzimmer zu füllen. Ein solcher Salon hat natürlich
sein Zubehör, und so kann man die dem Dienste des Königs und der Seinigen
gewidmeten Gebände nach Hunderten zählen. Namentlich die Rue des Reservoirs,
die Rue des Bons-Enfaus, die Rue de la Pompe und die Rue Satory sind
fast ganz mit derartigen Häusern gefüllt. Das heutige Versailles zeigt,
verstümmelt und andern Zwecken angepaßt, nur Bruchstücke des alten. Die
drei breiten ans dem großen Platz vor dem Schlosse mündenden Averner
waren nicht zu riesenhaft für die Menge der daher jagenden Eskorten und
Karossen. Die beiden Ställe dem Schlosse gegenüber kosteten drei Millionen
und würden in unserer Zeit fünfmal so viel gekostet haben. Der ungeheure
Königspalast mit seinen Statuen, Mahlern und sonstigen Verzierungen verschlang
die Summe von 153 Millionen Franes, heute aber würde er uuter sonst
gleichen Verhältnissen etwa 750 Millionen zu seinem Ban und seiner
Ausstattung erfordern. So viel forderte aber die Repräsentation des Königthums
vor hundert Jahren. Noch sichtbarer ist diese Repräsentation auf der andern
Seite, in den Gärten. Die Rasenplätze und der Park stellen einen Salon
unter freiem Himmel vor. Diese kerzengerader verschnittenen Hecken sind
Wände mit Tapeten, jene glattgeschornen Buchsbaumgänge sehen wie Vasen
und Leiern aus, der Rasen gleicht einem geblümten Teppich. In den regel¬
mäßigen schnurgeraden Alleen wird der König, den Spazierstock in der Hand,
sein ganzes Gefolge um sich gruppiren. Sechzig Damen mit Reifröcken von
vierundzwanzig Fuß im Durchmesser werden auf den Stufen dieser Treppe
Platz finden. Im Schatten dieser Zimmer ans lebendem Grün wird die
fürstliche Gesellschaft ein Mahl einnehmen können. Unter diesem runden
Portikus werden alle Seignenrs, die bei Hofe Zutritt haben, irgendwelchen
neuen Wasserspielen zusehen. Ihresgleichen blicken ihnen selbst in den die
Kiesgänge und Bassins bevölkernden Marmor- und Bronzegruppen mit
würdevollen Apollogesichtern, theatralischen Jupitermienen und der gesuchten
Ungezwungenheit einer Diana oder Venus entgegen.

In der Zeit, von der wir reden, bedarf der Große eines großen Haus¬
haltes. Sein Gefolge bildet einen Theil seiner Persönlichkeit, und er würde
sich Etwas zu vergeben glauben, wenn es nicht zahlreich und glänzend wäre.
Eine Lücke in seiner Dienerschaft würde ihm vorkommen wie uns ein Loch in
unserm Rocke. Sobald daher ein Prinz oder eine Prinzessin großjährig wird,
richtet man ihnen einen Haushalt ein, und sobald ein Prinz heirathet, bekommt
seine Gemahlin ihren Haushalt, d. h. eine Repräsentation von fünfzehn bis
zwanzig Gruppen, als da sind Stall, Kapelle, Jagdamt, Garderobe, ärztliche


die Gesellschaft des Königs, diese Damen, die ihm den Hof machen, und diese
Herren, die mit ihm ausfahren. Sie können zu jeder Stunde bereit sein,
seinen Salon oder sein Vorzimmer zu füllen. Ein solcher Salon hat natürlich
sein Zubehör, und so kann man die dem Dienste des Königs und der Seinigen
gewidmeten Gebände nach Hunderten zählen. Namentlich die Rue des Reservoirs,
die Rue des Bons-Enfaus, die Rue de la Pompe und die Rue Satory sind
fast ganz mit derartigen Häusern gefüllt. Das heutige Versailles zeigt,
verstümmelt und andern Zwecken angepaßt, nur Bruchstücke des alten. Die
drei breiten ans dem großen Platz vor dem Schlosse mündenden Averner
waren nicht zu riesenhaft für die Menge der daher jagenden Eskorten und
Karossen. Die beiden Ställe dem Schlosse gegenüber kosteten drei Millionen
und würden in unserer Zeit fünfmal so viel gekostet haben. Der ungeheure
Königspalast mit seinen Statuen, Mahlern und sonstigen Verzierungen verschlang
die Summe von 153 Millionen Franes, heute aber würde er uuter sonst
gleichen Verhältnissen etwa 750 Millionen zu seinem Ban und seiner
Ausstattung erfordern. So viel forderte aber die Repräsentation des Königthums
vor hundert Jahren. Noch sichtbarer ist diese Repräsentation auf der andern
Seite, in den Gärten. Die Rasenplätze und der Park stellen einen Salon
unter freiem Himmel vor. Diese kerzengerader verschnittenen Hecken sind
Wände mit Tapeten, jene glattgeschornen Buchsbaumgänge sehen wie Vasen
und Leiern aus, der Rasen gleicht einem geblümten Teppich. In den regel¬
mäßigen schnurgeraden Alleen wird der König, den Spazierstock in der Hand,
sein ganzes Gefolge um sich gruppiren. Sechzig Damen mit Reifröcken von
vierundzwanzig Fuß im Durchmesser werden auf den Stufen dieser Treppe
Platz finden. Im Schatten dieser Zimmer ans lebendem Grün wird die
fürstliche Gesellschaft ein Mahl einnehmen können. Unter diesem runden
Portikus werden alle Seignenrs, die bei Hofe Zutritt haben, irgendwelchen
neuen Wasserspielen zusehen. Ihresgleichen blicken ihnen selbst in den die
Kiesgänge und Bassins bevölkernden Marmor- und Bronzegruppen mit
würdevollen Apollogesichtern, theatralischen Jupitermienen und der gesuchten
Ungezwungenheit einer Diana oder Venus entgegen.

In der Zeit, von der wir reden, bedarf der Große eines großen Haus¬
haltes. Sein Gefolge bildet einen Theil seiner Persönlichkeit, und er würde
sich Etwas zu vergeben glauben, wenn es nicht zahlreich und glänzend wäre.
Eine Lücke in seiner Dienerschaft würde ihm vorkommen wie uns ein Loch in
unserm Rocke. Sobald daher ein Prinz oder eine Prinzessin großjährig wird,
richtet man ihnen einen Haushalt ein, und sobald ein Prinz heirathet, bekommt
seine Gemahlin ihren Haushalt, d. h. eine Repräsentation von fünfzehn bis
zwanzig Gruppen, als da sind Stall, Kapelle, Jagdamt, Garderobe, ärztliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/337>, abgerufen am 26.06.2024.