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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Die schöne Gelegenheit, über den Ehemann herzuziehen, läßt Praxinoa
nicht vorüberziehen. Sie sagt:


"Hat doch Meiner, der Dummkopf, dahier am äußersten Ende
Diese Höhle, uicht Wohnung, genommen, damit wir einander
Ferne sind, -- er, immer geneigt zu abscheulichem Hader/'

Gorgo warnt die Freundin, in Gegenwart des aufhorchenden kleinen
Söhnchens so über den Mann zu reden, aber diese fährt in ihrem Eifer fort:


"Wahrlich, er ist ein Gimpel, Bor Kurzem sagt' ich, er solle
Gehn und Tang und Natron am Markte kaufen. Was thut er?
Kochsalz bringt er mir heim, der ausgewachsene Bursche."

Nachdem dann auch Gorgo über ihren unpraktischen und verschwenderischen
Eheherrn räsvnnirt hat und Praxinoa unter launenhaften Scheltworten gegen
die Dienerin sich hat ankleiden lassen, sind Beide zum Ausgehen bereit. Die
Erstere bewundert noch das Kleid der Freundin:


"Praxinoa, das faltige Schleppkleid steht dir vortrefflich,
Sag' mir, wie theuer kam es, als völlig es fertig gewebt war?"

Die Antwort ist:


"Ach, erinnre mich nicht daran; weit über zwei Minen
Lauteren Silbers; anch setzt' ich die Seele noch zu bei der Arbeit."

Als die Mutter sich zum Gehen anschickt, fängt der Kleine an zu schreien.
Sie sucht ihn zum Schweigen zu bringen:

"Junge, du kannst nicht mit. -- Moreno beißt! Stille, das Pferd kommt!"
doch da er sich nicht beruhigen läßt, sagt sie:


"Schreie, soviel du willst; doch sollst du nicht lahm mir werden.
Gehen wir nur." ^

Sie gibt der Dienerin noch Befehle für die Wartung des Kleinen und
die Bewachung des Hauses; dann treten sie auf die Straße hinaus:


"Götter, welches Gewühl! Wie soll man hindurch nur kommen
Durch die entsetzliche Menge, unzählbar wie die Ameisen!"

Ein Zug königlicher Pferde, von denen einige sich scheu und wild ge¬
berden, setzt die Frauen und ihre beiden Dienerinnen in Schrecken:


"Mann, tritt mich nicht nieder!
Grad' auf bäumt sich der Fuchs. Wie er wild ist! -- Eunoa, Freche,
Wirst du nicht seitwärts gehn! -- Der wird den Rettet noch tödten. --
Welch ein Segen für mich, daß der Kleine zu Hause geblieben!"

Die Gefahr geht vorüber, und die Frauen kommen an die Pforten des


Die schöne Gelegenheit, über den Ehemann herzuziehen, läßt Praxinoa
nicht vorüberziehen. Sie sagt:


„Hat doch Meiner, der Dummkopf, dahier am äußersten Ende
Diese Höhle, uicht Wohnung, genommen, damit wir einander
Ferne sind, — er, immer geneigt zu abscheulichem Hader/'

Gorgo warnt die Freundin, in Gegenwart des aufhorchenden kleinen
Söhnchens so über den Mann zu reden, aber diese fährt in ihrem Eifer fort:


„Wahrlich, er ist ein Gimpel, Bor Kurzem sagt' ich, er solle
Gehn und Tang und Natron am Markte kaufen. Was thut er?
Kochsalz bringt er mir heim, der ausgewachsene Bursche."

Nachdem dann auch Gorgo über ihren unpraktischen und verschwenderischen
Eheherrn räsvnnirt hat und Praxinoa unter launenhaften Scheltworten gegen
die Dienerin sich hat ankleiden lassen, sind Beide zum Ausgehen bereit. Die
Erstere bewundert noch das Kleid der Freundin:


„Praxinoa, das faltige Schleppkleid steht dir vortrefflich,
Sag' mir, wie theuer kam es, als völlig es fertig gewebt war?"

Die Antwort ist:


„Ach, erinnre mich nicht daran; weit über zwei Minen
Lauteren Silbers; anch setzt' ich die Seele noch zu bei der Arbeit."

Als die Mutter sich zum Gehen anschickt, fängt der Kleine an zu schreien.
Sie sucht ihn zum Schweigen zu bringen:

„Junge, du kannst nicht mit. — Moreno beißt! Stille, das Pferd kommt!"
doch da er sich nicht beruhigen läßt, sagt sie:


„Schreie, soviel du willst; doch sollst du nicht lahm mir werden.
Gehen wir nur." ^

Sie gibt der Dienerin noch Befehle für die Wartung des Kleinen und
die Bewachung des Hauses; dann treten sie auf die Straße hinaus:


„Götter, welches Gewühl! Wie soll man hindurch nur kommen
Durch die entsetzliche Menge, unzählbar wie die Ameisen!"

Ein Zug königlicher Pferde, von denen einige sich scheu und wild ge¬
berden, setzt die Frauen und ihre beiden Dienerinnen in Schrecken:


„Mann, tritt mich nicht nieder!
Grad' auf bäumt sich der Fuchs. Wie er wild ist! — Eunoa, Freche,
Wirst du nicht seitwärts gehn! — Der wird den Rettet noch tödten. —
Welch ein Segen für mich, daß der Kleine zu Hause geblieben!"

Die Gefahr geht vorüber, und die Frauen kommen an die Pforten des


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[0312] Die schöne Gelegenheit, über den Ehemann herzuziehen, läßt Praxinoa nicht vorüberziehen. Sie sagt: „Hat doch Meiner, der Dummkopf, dahier am äußersten Ende Diese Höhle, uicht Wohnung, genommen, damit wir einander Ferne sind, — er, immer geneigt zu abscheulichem Hader/' Gorgo warnt die Freundin, in Gegenwart des aufhorchenden kleinen Söhnchens so über den Mann zu reden, aber diese fährt in ihrem Eifer fort: „Wahrlich, er ist ein Gimpel, Bor Kurzem sagt' ich, er solle Gehn und Tang und Natron am Markte kaufen. Was thut er? Kochsalz bringt er mir heim, der ausgewachsene Bursche." Nachdem dann auch Gorgo über ihren unpraktischen und verschwenderischen Eheherrn räsvnnirt hat und Praxinoa unter launenhaften Scheltworten gegen die Dienerin sich hat ankleiden lassen, sind Beide zum Ausgehen bereit. Die Erstere bewundert noch das Kleid der Freundin: „Praxinoa, das faltige Schleppkleid steht dir vortrefflich, Sag' mir, wie theuer kam es, als völlig es fertig gewebt war?" Die Antwort ist: „Ach, erinnre mich nicht daran; weit über zwei Minen Lauteren Silbers; anch setzt' ich die Seele noch zu bei der Arbeit." Als die Mutter sich zum Gehen anschickt, fängt der Kleine an zu schreien. Sie sucht ihn zum Schweigen zu bringen: „Junge, du kannst nicht mit. — Moreno beißt! Stille, das Pferd kommt!" doch da er sich nicht beruhigen läßt, sagt sie: „Schreie, soviel du willst; doch sollst du nicht lahm mir werden. Gehen wir nur." ^ Sie gibt der Dienerin noch Befehle für die Wartung des Kleinen und die Bewachung des Hauses; dann treten sie auf die Straße hinaus: „Götter, welches Gewühl! Wie soll man hindurch nur kommen Durch die entsetzliche Menge, unzählbar wie die Ameisen!" Ein Zug königlicher Pferde, von denen einige sich scheu und wild ge¬ berden, setzt die Frauen und ihre beiden Dienerinnen in Schrecken: „Mann, tritt mich nicht nieder! Grad' auf bäumt sich der Fuchs. Wie er wild ist! — Eunoa, Freche, Wirst du nicht seitwärts gehn! — Der wird den Rettet noch tödten. — Welch ein Segen für mich, daß der Kleine zu Hause geblieben!" Die Gefahr geht vorüber, und die Frauen kommen an die Pforten des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/312>, abgerufen am 06.01.2025.