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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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einer öffentlichen Schule. Den Beschlüssen der Ortsbehörde bleibt es vorbe¬
halten, im Einvernehmen mit den Eltern eine raschere Einführung zu bewerk¬
stelligen. Alle neuen Auflagen der für höhere Schulen bestimmten Bücher
sind, wie die neu erscheinenden Werke unweigerlich nach dem Gesetze zu drucken.
Rücksichtlich der übrigen Bücher ist noch eine zehnjährige Frist gestellt; erst
nach Ablauf derselben tritt Zwang ein. Das subjektive Belieben findet im
schriftlichen Verkehr seine natürliche Berechtigung; in den für die Öffentlich¬
keit bestimmten Werken würde es Beeinträchtigung des öffentlichen Wohles
sein und gegen die Gesetze verstoßen. Ebenso bleibt es Privatpersonen unbe¬
nommen, Eingaben an irgend eine Behörde in der alten Schreibung abzufassen;
Beamte dagegen haben sich der neuen zu bedienen. Für die periodische Presse
gelten folgende Bestimmungen. Anzurathen ist das neue System den wissen¬
schaftlichen Blättern sogleich, den politischen und belletristischen erst später.
Das Publikum muß mit der Neuerung zuvor durch die heranwachsende Jugend
vertrauter werden. Nach Ablauf von fünf oder zehn Jahren tritt auch hier
Zwang ein, damit nicht der Wohldenkende gegen den egoistischen Spekulanten
in Nachtheil geräth. Regierungsorgane werden sofort nach dem neuen Systeme
gedruckt. Die Lehrer haben in einer geeigneten Stunde sämmtliche Schüler
mit dem natürlichen Systeme bekannt zu machen und es bei den schriftlichen
Arbeiten der Oberklassen anzuwenden. In den mittleren dürfte es leicht zu
Verwirrung führen. Darüber haben die Schuldirigenten unter Beirath der
Lehrer zu entscheiden. Selbstverständlich darf sich kein Einzelner in der.einmal
bestimmten Klasse davon ausschließen.

Soweit ungefähr die Thätigkeit der Behörden. Von privater Seite dürfte
unter Andern: Folgendes zu erwarten sein. Berufene Personen suchen durch
mündliche und schriftliche Belehrung das Publikum über die Neuerung aufzu¬
klären und dafür zu gewinnen. Sie bedienen sich im Privatverkehr konsequent
der neuen Schreibung. Es bilden sich Vereine zur Durchführung der Reform,
welche theils durch methodisch fortgesetzte Belehrung, theils durch Geldmittel
da wirken, wo der Kostenpunkt (der beiläufig viel bedeutender sein würde, als
der Verfasser anzunehmen scheint) hemmend einwirkt. Subvention vom Staate
kann gehofft, aber nicht als durchans nothwendig gefordert werden. Auch das
deutsche Volk hat allmählich das Gebiet und die Macht der Selsthilfe kennengelernt."

Wir können uns, wie angedeutet, mit einem großen Theile der Forderun¬
gen des Verfassers einverstanden erklären Dahin gehören das Verlangen, daß
jeder Dehnungsbuchstabe wegfalle, daß die Buchstaben c, pH, q, x und y aus
dem deutschen Alphabet verschwinden, daß künftig Doppelkonsonanten nur in
der Mitte des Wortes nach kurzem Vokal, am Ende eines Wortes oder einer
Silbe aber niemals gebraucht werden sollen, und daß die Regel herrschen soll:


einer öffentlichen Schule. Den Beschlüssen der Ortsbehörde bleibt es vorbe¬
halten, im Einvernehmen mit den Eltern eine raschere Einführung zu bewerk¬
stelligen. Alle neuen Auflagen der für höhere Schulen bestimmten Bücher
sind, wie die neu erscheinenden Werke unweigerlich nach dem Gesetze zu drucken.
Rücksichtlich der übrigen Bücher ist noch eine zehnjährige Frist gestellt; erst
nach Ablauf derselben tritt Zwang ein. Das subjektive Belieben findet im
schriftlichen Verkehr seine natürliche Berechtigung; in den für die Öffentlich¬
keit bestimmten Werken würde es Beeinträchtigung des öffentlichen Wohles
sein und gegen die Gesetze verstoßen. Ebenso bleibt es Privatpersonen unbe¬
nommen, Eingaben an irgend eine Behörde in der alten Schreibung abzufassen;
Beamte dagegen haben sich der neuen zu bedienen. Für die periodische Presse
gelten folgende Bestimmungen. Anzurathen ist das neue System den wissen¬
schaftlichen Blättern sogleich, den politischen und belletristischen erst später.
Das Publikum muß mit der Neuerung zuvor durch die heranwachsende Jugend
vertrauter werden. Nach Ablauf von fünf oder zehn Jahren tritt auch hier
Zwang ein, damit nicht der Wohldenkende gegen den egoistischen Spekulanten
in Nachtheil geräth. Regierungsorgane werden sofort nach dem neuen Systeme
gedruckt. Die Lehrer haben in einer geeigneten Stunde sämmtliche Schüler
mit dem natürlichen Systeme bekannt zu machen und es bei den schriftlichen
Arbeiten der Oberklassen anzuwenden. In den mittleren dürfte es leicht zu
Verwirrung führen. Darüber haben die Schuldirigenten unter Beirath der
Lehrer zu entscheiden. Selbstverständlich darf sich kein Einzelner in der.einmal
bestimmten Klasse davon ausschließen.

Soweit ungefähr die Thätigkeit der Behörden. Von privater Seite dürfte
unter Andern: Folgendes zu erwarten sein. Berufene Personen suchen durch
mündliche und schriftliche Belehrung das Publikum über die Neuerung aufzu¬
klären und dafür zu gewinnen. Sie bedienen sich im Privatverkehr konsequent
der neuen Schreibung. Es bilden sich Vereine zur Durchführung der Reform,
welche theils durch methodisch fortgesetzte Belehrung, theils durch Geldmittel
da wirken, wo der Kostenpunkt (der beiläufig viel bedeutender sein würde, als
der Verfasser anzunehmen scheint) hemmend einwirkt. Subvention vom Staate
kann gehofft, aber nicht als durchans nothwendig gefordert werden. Auch das
deutsche Volk hat allmählich das Gebiet und die Macht der Selsthilfe kennengelernt."

Wir können uns, wie angedeutet, mit einem großen Theile der Forderun¬
gen des Verfassers einverstanden erklären Dahin gehören das Verlangen, daß
jeder Dehnungsbuchstabe wegfalle, daß die Buchstaben c, pH, q, x und y aus
dem deutschen Alphabet verschwinden, daß künftig Doppelkonsonanten nur in
der Mitte des Wortes nach kurzem Vokal, am Ende eines Wortes oder einer
Silbe aber niemals gebraucht werden sollen, und daß die Regel herrschen soll:


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[0297] einer öffentlichen Schule. Den Beschlüssen der Ortsbehörde bleibt es vorbe¬ halten, im Einvernehmen mit den Eltern eine raschere Einführung zu bewerk¬ stelligen. Alle neuen Auflagen der für höhere Schulen bestimmten Bücher sind, wie die neu erscheinenden Werke unweigerlich nach dem Gesetze zu drucken. Rücksichtlich der übrigen Bücher ist noch eine zehnjährige Frist gestellt; erst nach Ablauf derselben tritt Zwang ein. Das subjektive Belieben findet im schriftlichen Verkehr seine natürliche Berechtigung; in den für die Öffentlich¬ keit bestimmten Werken würde es Beeinträchtigung des öffentlichen Wohles sein und gegen die Gesetze verstoßen. Ebenso bleibt es Privatpersonen unbe¬ nommen, Eingaben an irgend eine Behörde in der alten Schreibung abzufassen; Beamte dagegen haben sich der neuen zu bedienen. Für die periodische Presse gelten folgende Bestimmungen. Anzurathen ist das neue System den wissen¬ schaftlichen Blättern sogleich, den politischen und belletristischen erst später. Das Publikum muß mit der Neuerung zuvor durch die heranwachsende Jugend vertrauter werden. Nach Ablauf von fünf oder zehn Jahren tritt auch hier Zwang ein, damit nicht der Wohldenkende gegen den egoistischen Spekulanten in Nachtheil geräth. Regierungsorgane werden sofort nach dem neuen Systeme gedruckt. Die Lehrer haben in einer geeigneten Stunde sämmtliche Schüler mit dem natürlichen Systeme bekannt zu machen und es bei den schriftlichen Arbeiten der Oberklassen anzuwenden. In den mittleren dürfte es leicht zu Verwirrung führen. Darüber haben die Schuldirigenten unter Beirath der Lehrer zu entscheiden. Selbstverständlich darf sich kein Einzelner in der.einmal bestimmten Klasse davon ausschließen. Soweit ungefähr die Thätigkeit der Behörden. Von privater Seite dürfte unter Andern: Folgendes zu erwarten sein. Berufene Personen suchen durch mündliche und schriftliche Belehrung das Publikum über die Neuerung aufzu¬ klären und dafür zu gewinnen. Sie bedienen sich im Privatverkehr konsequent der neuen Schreibung. Es bilden sich Vereine zur Durchführung der Reform, welche theils durch methodisch fortgesetzte Belehrung, theils durch Geldmittel da wirken, wo der Kostenpunkt (der beiläufig viel bedeutender sein würde, als der Verfasser anzunehmen scheint) hemmend einwirkt. Subvention vom Staate kann gehofft, aber nicht als durchans nothwendig gefordert werden. Auch das deutsche Volk hat allmählich das Gebiet und die Macht der Selsthilfe kennengelernt." Wir können uns, wie angedeutet, mit einem großen Theile der Forderun¬ gen des Verfassers einverstanden erklären Dahin gehören das Verlangen, daß jeder Dehnungsbuchstabe wegfalle, daß die Buchstaben c, pH, q, x und y aus dem deutschen Alphabet verschwinden, daß künftig Doppelkonsonanten nur in der Mitte des Wortes nach kurzem Vokal, am Ende eines Wortes oder einer Silbe aber niemals gebraucht werden sollen, und daß die Regel herrschen soll:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/297>, abgerufen am 26.06.2024.