Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

graphie. Das ä soll möglichst durch e verdrängt werden. Die Mittellaute ä,
ö, ü sind überhaupt zu beschränken, desgleichen muß kein al mehr, sondern nur
noch el geschrieben werden. Auch das an sollte wegfallen und an seine Stelle
überall en treten. Als Hauptregel muß gelten: schreibe dem Laute gemäß, be¬
rücksichtige aber auch die lebende Verwandtschaft und die Zusammengehörigkeit
der Wörter, soweit sie den Lautgesetzen nicht widersprechen, oder: richte dich
auch nach der Abstammung, wenn der Laut es erlaubt, oder: der Laut und
erst nach ihm die Zusammengehörigkeit bestimmt die Schreibung. Man schreibe
p, t, k im Auslande, wo man es hört, auch wenn dasselbe Wort im Inlande
b, d oder g hat. Also Körp neben Korbes, Kalp neben Kalbes, Beine neben
Bandes, Tot neben Todes, Komik neben Königs, Rink neben Ringes. Das
Zeichen h wird nur da geschrieben, wo man den Laut h hört; stummes h gibt
es nicht. Das es fällt weg, man ersetzt es entweder durch ein geschriebenes h
mit der Schlinge oder setzt ein gewöhnliches h dafür, also Sprahe, Büder
statt Sprache, Bücher (!). Man schreibe s, wo man den weichen, und s, wo
man den harten Laut hört, folglich sausen, Hausen, lesen, aber Füse, heiser,
(statt unseres heißer) zerreisen. Vor Konsonanten darf niemals s geschrieben
werden, daher ist nicht sprechen, stehen, sondern sprechen, stehen zu schreiben
oder vielmehr, da hier bei der Mehrheit das s wie sah klingt, shvrechen, shtehen,
wie Shtatur, Shtadt, shwarz, Wafisch. In allen deutschen und allen völlig
germanisirten fremden Wörtern wird v durch f ersetzt, also: Fater, for, for,
Fers, Falentin, Fitriol, Hannofer, in Fremdwörtern aber durch w, also: Wenedig,
Weranda, Wenns, Weto. Das stumme w fällt ganz weg, desgleichen der
Digraph pH, es ist demnach Filosofi, Fantasi, Fräse, flegmatisch zu schreiben.
Auch das Pf durch f zu ersetzen, wäre vortheilhaft, und dieß sollte auf jeden
Fall beim Amiant geschehen und Ferd, Far, Flieht, Fründe geschrieben werden.
Das nasale ng wird in Fremdwörtern n geschrieben, in deutschen nicht, also
Napoleon, Lion, Shinjon, nicht aber enherzig, lan statt engherzig, lang. Das
x ist abzuschaffen wie das c. Wenn der Laut es zu zwei verschiedenen
Wörtern gehört, so wird er getrennt, sonst überall z geschrieben, oder mit andern
Worten: schreibe z, wo Du z hörst, nnr nicht, wenn t zu einem andern Worte
gehört als das s, also nicht bloß Herz, sondern auch Räzel, stez, vorwärz, da¬
gegen wie geht's, Hauptsache.

Vom Gebrauch der Majuskel gilt die Regel: nnr das Subjekt ist groß,
alles Andere aber klein zu schreiben. Die sogenannte deutsche Schrift ist ab¬
zuschaffen und durch die allgemeine europäische zu ersetzen. Höchstens könnte
sich's fragen, ob die deutsche Schreibschrift beizubehalten wäre, da sie kürzer
ist und also einen Fortschritt zum Ideale bezeichnet. (Hier haben uns die vom
Verfasser beigebrachten Gründe für sein Verlangen am Wenigsten überzeugt.


graphie. Das ä soll möglichst durch e verdrängt werden. Die Mittellaute ä,
ö, ü sind überhaupt zu beschränken, desgleichen muß kein al mehr, sondern nur
noch el geschrieben werden. Auch das an sollte wegfallen und an seine Stelle
überall en treten. Als Hauptregel muß gelten: schreibe dem Laute gemäß, be¬
rücksichtige aber auch die lebende Verwandtschaft und die Zusammengehörigkeit
der Wörter, soweit sie den Lautgesetzen nicht widersprechen, oder: richte dich
auch nach der Abstammung, wenn der Laut es erlaubt, oder: der Laut und
erst nach ihm die Zusammengehörigkeit bestimmt die Schreibung. Man schreibe
p, t, k im Auslande, wo man es hört, auch wenn dasselbe Wort im Inlande
b, d oder g hat. Also Körp neben Korbes, Kalp neben Kalbes, Beine neben
Bandes, Tot neben Todes, Komik neben Königs, Rink neben Ringes. Das
Zeichen h wird nur da geschrieben, wo man den Laut h hört; stummes h gibt
es nicht. Das es fällt weg, man ersetzt es entweder durch ein geschriebenes h
mit der Schlinge oder setzt ein gewöhnliches h dafür, also Sprahe, Büder
statt Sprache, Bücher (!). Man schreibe s, wo man den weichen, und s, wo
man den harten Laut hört, folglich sausen, Hausen, lesen, aber Füse, heiser,
(statt unseres heißer) zerreisen. Vor Konsonanten darf niemals s geschrieben
werden, daher ist nicht sprechen, stehen, sondern sprechen, stehen zu schreiben
oder vielmehr, da hier bei der Mehrheit das s wie sah klingt, shvrechen, shtehen,
wie Shtatur, Shtadt, shwarz, Wafisch. In allen deutschen und allen völlig
germanisirten fremden Wörtern wird v durch f ersetzt, also: Fater, for, for,
Fers, Falentin, Fitriol, Hannofer, in Fremdwörtern aber durch w, also: Wenedig,
Weranda, Wenns, Weto. Das stumme w fällt ganz weg, desgleichen der
Digraph pH, es ist demnach Filosofi, Fantasi, Fräse, flegmatisch zu schreiben.
Auch das Pf durch f zu ersetzen, wäre vortheilhaft, und dieß sollte auf jeden
Fall beim Amiant geschehen und Ferd, Far, Flieht, Fründe geschrieben werden.
Das nasale ng wird in Fremdwörtern n geschrieben, in deutschen nicht, also
Napoleon, Lion, Shinjon, nicht aber enherzig, lan statt engherzig, lang. Das
x ist abzuschaffen wie das c. Wenn der Laut es zu zwei verschiedenen
Wörtern gehört, so wird er getrennt, sonst überall z geschrieben, oder mit andern
Worten: schreibe z, wo Du z hörst, nnr nicht, wenn t zu einem andern Worte
gehört als das s, also nicht bloß Herz, sondern auch Räzel, stez, vorwärz, da¬
gegen wie geht's, Hauptsache.

Vom Gebrauch der Majuskel gilt die Regel: nnr das Subjekt ist groß,
alles Andere aber klein zu schreiben. Die sogenannte deutsche Schrift ist ab¬
zuschaffen und durch die allgemeine europäische zu ersetzen. Höchstens könnte
sich's fragen, ob die deutsche Schreibschrift beizubehalten wäre, da sie kürzer
ist und also einen Fortschritt zum Ideale bezeichnet. (Hier haben uns die vom
Verfasser beigebrachten Gründe für sein Verlangen am Wenigsten überzeugt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0292" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137993"/>
          <p xml:id="ID_821" prev="#ID_820"> graphie. Das ä soll möglichst durch e verdrängt werden. Die Mittellaute ä,<lb/>
ö, ü sind überhaupt zu beschränken, desgleichen muß kein al mehr, sondern nur<lb/>
noch el geschrieben werden. Auch das an sollte wegfallen und an seine Stelle<lb/>
überall en treten. Als Hauptregel muß gelten: schreibe dem Laute gemäß, be¬<lb/>
rücksichtige aber auch die lebende Verwandtschaft und die Zusammengehörigkeit<lb/>
der Wörter, soweit sie den Lautgesetzen nicht widersprechen, oder: richte dich<lb/>
auch nach der Abstammung, wenn der Laut es erlaubt, oder: der Laut und<lb/>
erst nach ihm die Zusammengehörigkeit bestimmt die Schreibung. Man schreibe<lb/>
p, t, k im Auslande, wo man es hört, auch wenn dasselbe Wort im Inlande<lb/>
b, d oder g hat. Also Körp neben Korbes, Kalp neben Kalbes, Beine neben<lb/>
Bandes, Tot neben Todes, Komik neben Königs, Rink neben Ringes. Das<lb/>
Zeichen h wird nur da geschrieben, wo man den Laut h hört; stummes h gibt<lb/>
es nicht. Das es fällt weg, man ersetzt es entweder durch ein geschriebenes h<lb/>
mit der Schlinge oder setzt ein gewöhnliches h dafür, also Sprahe, Büder<lb/>
statt Sprache, Bücher (!). Man schreibe s, wo man den weichen, und s, wo<lb/>
man den harten Laut hört, folglich sausen, Hausen, lesen, aber Füse, heiser,<lb/>
(statt unseres heißer) zerreisen. Vor Konsonanten darf niemals s geschrieben<lb/>
werden, daher ist nicht sprechen, stehen, sondern sprechen, stehen zu schreiben<lb/>
oder vielmehr, da hier bei der Mehrheit das s wie sah klingt, shvrechen, shtehen,<lb/>
wie Shtatur, Shtadt, shwarz, Wafisch. In allen deutschen und allen völlig<lb/>
germanisirten fremden Wörtern wird v durch f ersetzt, also: Fater, for, for,<lb/>
Fers, Falentin, Fitriol, Hannofer, in Fremdwörtern aber durch w, also: Wenedig,<lb/>
Weranda, Wenns, Weto. Das stumme w fällt ganz weg, desgleichen der<lb/>
Digraph pH, es ist demnach Filosofi, Fantasi, Fräse, flegmatisch zu schreiben.<lb/>
Auch das Pf durch f zu ersetzen, wäre vortheilhaft, und dieß sollte auf jeden<lb/>
Fall beim Amiant geschehen und Ferd, Far, Flieht, Fründe geschrieben werden.<lb/>
Das nasale ng wird in Fremdwörtern n geschrieben, in deutschen nicht, also<lb/>
Napoleon, Lion, Shinjon, nicht aber enherzig, lan statt engherzig, lang. Das<lb/>
x ist abzuschaffen wie das c. Wenn der Laut es zu zwei verschiedenen<lb/>
Wörtern gehört, so wird er getrennt, sonst überall z geschrieben, oder mit andern<lb/>
Worten: schreibe z, wo Du z hörst, nnr nicht, wenn t zu einem andern Worte<lb/>
gehört als das s, also nicht bloß Herz, sondern auch Räzel, stez, vorwärz, da¬<lb/>
gegen wie geht's, Hauptsache.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_822" next="#ID_823"> Vom Gebrauch der Majuskel gilt die Regel: nnr das Subjekt ist groß,<lb/>
alles Andere aber klein zu schreiben. Die sogenannte deutsche Schrift ist ab¬<lb/>
zuschaffen und durch die allgemeine europäische zu ersetzen. Höchstens könnte<lb/>
sich's fragen, ob die deutsche Schreibschrift beizubehalten wäre, da sie kürzer<lb/>
ist und also einen Fortschritt zum Ideale bezeichnet. (Hier haben uns die vom<lb/>
Verfasser beigebrachten Gründe für sein Verlangen am Wenigsten überzeugt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0292] graphie. Das ä soll möglichst durch e verdrängt werden. Die Mittellaute ä, ö, ü sind überhaupt zu beschränken, desgleichen muß kein al mehr, sondern nur noch el geschrieben werden. Auch das an sollte wegfallen und an seine Stelle überall en treten. Als Hauptregel muß gelten: schreibe dem Laute gemäß, be¬ rücksichtige aber auch die lebende Verwandtschaft und die Zusammengehörigkeit der Wörter, soweit sie den Lautgesetzen nicht widersprechen, oder: richte dich auch nach der Abstammung, wenn der Laut es erlaubt, oder: der Laut und erst nach ihm die Zusammengehörigkeit bestimmt die Schreibung. Man schreibe p, t, k im Auslande, wo man es hört, auch wenn dasselbe Wort im Inlande b, d oder g hat. Also Körp neben Korbes, Kalp neben Kalbes, Beine neben Bandes, Tot neben Todes, Komik neben Königs, Rink neben Ringes. Das Zeichen h wird nur da geschrieben, wo man den Laut h hört; stummes h gibt es nicht. Das es fällt weg, man ersetzt es entweder durch ein geschriebenes h mit der Schlinge oder setzt ein gewöhnliches h dafür, also Sprahe, Büder statt Sprache, Bücher (!). Man schreibe s, wo man den weichen, und s, wo man den harten Laut hört, folglich sausen, Hausen, lesen, aber Füse, heiser, (statt unseres heißer) zerreisen. Vor Konsonanten darf niemals s geschrieben werden, daher ist nicht sprechen, stehen, sondern sprechen, stehen zu schreiben oder vielmehr, da hier bei der Mehrheit das s wie sah klingt, shvrechen, shtehen, wie Shtatur, Shtadt, shwarz, Wafisch. In allen deutschen und allen völlig germanisirten fremden Wörtern wird v durch f ersetzt, also: Fater, for, for, Fers, Falentin, Fitriol, Hannofer, in Fremdwörtern aber durch w, also: Wenedig, Weranda, Wenns, Weto. Das stumme w fällt ganz weg, desgleichen der Digraph pH, es ist demnach Filosofi, Fantasi, Fräse, flegmatisch zu schreiben. Auch das Pf durch f zu ersetzen, wäre vortheilhaft, und dieß sollte auf jeden Fall beim Amiant geschehen und Ferd, Far, Flieht, Fründe geschrieben werden. Das nasale ng wird in Fremdwörtern n geschrieben, in deutschen nicht, also Napoleon, Lion, Shinjon, nicht aber enherzig, lan statt engherzig, lang. Das x ist abzuschaffen wie das c. Wenn der Laut es zu zwei verschiedenen Wörtern gehört, so wird er getrennt, sonst überall z geschrieben, oder mit andern Worten: schreibe z, wo Du z hörst, nnr nicht, wenn t zu einem andern Worte gehört als das s, also nicht bloß Herz, sondern auch Räzel, stez, vorwärz, da¬ gegen wie geht's, Hauptsache. Vom Gebrauch der Majuskel gilt die Regel: nnr das Subjekt ist groß, alles Andere aber klein zu schreiben. Die sogenannte deutsche Schrift ist ab¬ zuschaffen und durch die allgemeine europäische zu ersetzen. Höchstens könnte sich's fragen, ob die deutsche Schreibschrift beizubehalten wäre, da sie kürzer ist und also einen Fortschritt zum Ideale bezeichnet. (Hier haben uns die vom Verfasser beigebrachten Gründe für sein Verlangen am Wenigsten überzeugt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/292
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/292>, abgerufen am 03.07.2024.