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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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wieder lebendig, mit wie vielen Banden der Liebe ich noch an das Leben ge-
bunden bin und wie der Schmerz so geliebter Menschen in meinem Herzen
wieder einen Anklang findet. Wir fühlen so tief, was uns fehlt und doch
sollten wir uns nicht betrüben, wenn wir die, die wir lieben, für die Stürme
des Lebens gerettet wissen. Ach, je länger man lebt, je mehr fühlt man, wie
viel unserer Natur aufgelegt wird, und daß wir unsere Ansprüche und Rech¬
nung, unser Glück in ein anderes Leben hinübertragen sollen. Daß das
schöne Band der beyden Brüder so früh gelöst werden sollte, wie schmerzt es
mich! Ich sehe immer das freundliche liebe Gesicht unseres geliebten Kindes,
als ich Abschied nahm. -- -- Möge der Segen des Himmels auf der übrigen
geliebten Familie nun doppelt ruhen und dem edlen Herzen der geliebten
Mutter die Freude geben, die es in diesem lieben Kinde für die Welt verlor!

Mit welchem Segen und Liebe ich ihrer stets gedenke, gnädige verehrte
Fürstin, kann ich Ihnen ebenso wenig sagen, als meine Empfindungen, mit
denen ich Alles theile, was Sie betrifft; wie haben Sie meine gute Mutter
durch Ihre Liebe, Ihren Antheil gerührt und ihrem Herzen wohlgethan. Dafür
möchte ich Ihnen danken können! Sie schrieb mir, das sie auch um Jhrent-
willen noch gern lebte. Für dieses wohlthuende Gefühl, daß Sie durch Ihre
Liebe für die gute Mutter mir geben, möchte ich Ihnen den Segen einer
höhern Macht erbitten. Bei allen Zufällen des Lebens ist mir der Gedanke,
daß meine gute Mutter in Ihrer Nähe ist, so tröstend. Wie zu einem wohl¬
thätigen Schuhgeist möchte man sich in Ihre Nähe flüchten und Ihres Lebens,
wie Ihrer Gefühle sich freuen und Sie bewundern. Ich hoffe bald das Glück
zu haben, Ihnen meine Verehrung und Liebe aussprechen zu können und ich
sehne mich darnach.

Wir leben hier recht still und ländlich und wenn die liebe Prinzeß Caroline
nicht von uns entfernt wäre, so möchte ich mich nicht beklagen, sie schrieb mir
am Montag und fragt so theilnehmend nach Ihrer gnädigen verehrten Fürstin.
Ich schrieb ihr gestern von Ihnen, wie wird sie mit Ihnen trauern!

Wenn ich Alles sagen darf, was mein Herz bewegt, so vergönnen Sie
mir noch, gnädige Fürstin, meinen unterthänigen Dank Ihnen zu sagen für
die Huld und Liebe, die sie meiner Caroline erzeigen, auch bitte ich unter-
thänig mich der Durchlauchtigen Prinzeß Schwester zu Gnaden zu empfehlen.


Ihre unterthänige Charlotte v. Schiller.

wieder lebendig, mit wie vielen Banden der Liebe ich noch an das Leben ge-
bunden bin und wie der Schmerz so geliebter Menschen in meinem Herzen
wieder einen Anklang findet. Wir fühlen so tief, was uns fehlt und doch
sollten wir uns nicht betrüben, wenn wir die, die wir lieben, für die Stürme
des Lebens gerettet wissen. Ach, je länger man lebt, je mehr fühlt man, wie
viel unserer Natur aufgelegt wird, und daß wir unsere Ansprüche und Rech¬
nung, unser Glück in ein anderes Leben hinübertragen sollen. Daß das
schöne Band der beyden Brüder so früh gelöst werden sollte, wie schmerzt es
mich! Ich sehe immer das freundliche liebe Gesicht unseres geliebten Kindes,
als ich Abschied nahm. — — Möge der Segen des Himmels auf der übrigen
geliebten Familie nun doppelt ruhen und dem edlen Herzen der geliebten
Mutter die Freude geben, die es in diesem lieben Kinde für die Welt verlor!

Mit welchem Segen und Liebe ich ihrer stets gedenke, gnädige verehrte
Fürstin, kann ich Ihnen ebenso wenig sagen, als meine Empfindungen, mit
denen ich Alles theile, was Sie betrifft; wie haben Sie meine gute Mutter
durch Ihre Liebe, Ihren Antheil gerührt und ihrem Herzen wohlgethan. Dafür
möchte ich Ihnen danken können! Sie schrieb mir, das sie auch um Jhrent-
willen noch gern lebte. Für dieses wohlthuende Gefühl, daß Sie durch Ihre
Liebe für die gute Mutter mir geben, möchte ich Ihnen den Segen einer
höhern Macht erbitten. Bei allen Zufällen des Lebens ist mir der Gedanke,
daß meine gute Mutter in Ihrer Nähe ist, so tröstend. Wie zu einem wohl¬
thätigen Schuhgeist möchte man sich in Ihre Nähe flüchten und Ihres Lebens,
wie Ihrer Gefühle sich freuen und Sie bewundern. Ich hoffe bald das Glück
zu haben, Ihnen meine Verehrung und Liebe aussprechen zu können und ich
sehne mich darnach.

Wir leben hier recht still und ländlich und wenn die liebe Prinzeß Caroline
nicht von uns entfernt wäre, so möchte ich mich nicht beklagen, sie schrieb mir
am Montag und fragt so theilnehmend nach Ihrer gnädigen verehrten Fürstin.
Ich schrieb ihr gestern von Ihnen, wie wird sie mit Ihnen trauern!

Wenn ich Alles sagen darf, was mein Herz bewegt, so vergönnen Sie
mir noch, gnädige Fürstin, meinen unterthänigen Dank Ihnen zu sagen für
die Huld und Liebe, die sie meiner Caroline erzeigen, auch bitte ich unter-
thänig mich der Durchlauchtigen Prinzeß Schwester zu Gnaden zu empfehlen.


Ihre unterthänige Charlotte v. Schiller.
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[0234] wieder lebendig, mit wie vielen Banden der Liebe ich noch an das Leben ge- bunden bin und wie der Schmerz so geliebter Menschen in meinem Herzen wieder einen Anklang findet. Wir fühlen so tief, was uns fehlt und doch sollten wir uns nicht betrüben, wenn wir die, die wir lieben, für die Stürme des Lebens gerettet wissen. Ach, je länger man lebt, je mehr fühlt man, wie viel unserer Natur aufgelegt wird, und daß wir unsere Ansprüche und Rech¬ nung, unser Glück in ein anderes Leben hinübertragen sollen. Daß das schöne Band der beyden Brüder so früh gelöst werden sollte, wie schmerzt es mich! Ich sehe immer das freundliche liebe Gesicht unseres geliebten Kindes, als ich Abschied nahm. — — Möge der Segen des Himmels auf der übrigen geliebten Familie nun doppelt ruhen und dem edlen Herzen der geliebten Mutter die Freude geben, die es in diesem lieben Kinde für die Welt verlor! Mit welchem Segen und Liebe ich ihrer stets gedenke, gnädige verehrte Fürstin, kann ich Ihnen ebenso wenig sagen, als meine Empfindungen, mit denen ich Alles theile, was Sie betrifft; wie haben Sie meine gute Mutter durch Ihre Liebe, Ihren Antheil gerührt und ihrem Herzen wohlgethan. Dafür möchte ich Ihnen danken können! Sie schrieb mir, das sie auch um Jhrent- willen noch gern lebte. Für dieses wohlthuende Gefühl, daß Sie durch Ihre Liebe für die gute Mutter mir geben, möchte ich Ihnen den Segen einer höhern Macht erbitten. Bei allen Zufällen des Lebens ist mir der Gedanke, daß meine gute Mutter in Ihrer Nähe ist, so tröstend. Wie zu einem wohl¬ thätigen Schuhgeist möchte man sich in Ihre Nähe flüchten und Ihres Lebens, wie Ihrer Gefühle sich freuen und Sie bewundern. Ich hoffe bald das Glück zu haben, Ihnen meine Verehrung und Liebe aussprechen zu können und ich sehne mich darnach. Wir leben hier recht still und ländlich und wenn die liebe Prinzeß Caroline nicht von uns entfernt wäre, so möchte ich mich nicht beklagen, sie schrieb mir am Montag und fragt so theilnehmend nach Ihrer gnädigen verehrten Fürstin. Ich schrieb ihr gestern von Ihnen, wie wird sie mit Ihnen trauern! Wenn ich Alles sagen darf, was mein Herz bewegt, so vergönnen Sie mir noch, gnädige Fürstin, meinen unterthänigen Dank Ihnen zu sagen für die Huld und Liebe, die sie meiner Caroline erzeigen, auch bitte ich unter- thänig mich der Durchlauchtigen Prinzeß Schwester zu Gnaden zu empfehlen. Ihre unterthänige Charlotte v. Schiller.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/234>, abgerufen am 29.06.2024.